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Südamerika

Reiseberichte Paraguay

Paraguay und ein wenig Wellness für Sprinti (#080)

31. März 2024

– Zu Gast in Hohenau –

Nachdem wir Chile endgültig hinter uns gelassen haben (s. dazu Artikel „Eine neue Windschutzscheibe und der lange Weg eines Stoßdämpfers #079“), sind die nächsten Tage absolute Fahrtage, in denen wir Argentinien fast komplett durchqueren. Je weiter wir dabei Richtung Osten kommen, desto grüner wird die Landschaft und umso feuchter wird auch das Klima. Die Gegend ist nun geprägt von Holzwirtschaft und industriellem Ackerbau und so fahren wir z.B. stundenlang durch Mais- und Teefelder. Es wird wärmer und die schwüle feuchte Luft treibt uns so manche Schweißperle auf die Stirn. Unsere Tage sind also geprägt von frühem Aufstehen, stundenlangem Fahren und auch davon, jeden Abend auf einem anderen Stellplatz zu übernachten. Einige davon sind tatsächlich so schön, dass wir glatt länger bleiben könnten.

Doch warum die ganze Fahrerei überhaupt? Uns bleiben noch rund 6 Wochen auf dieser Reise…6 Wochen, die es mit schönen Dingen zu füllen gilt ohne dass es neben all dem, was es zu organisieren gibt, in totalen Stress ausartet. Noch immer sind wir auf der Suche nach Container-Buddys, mit denen wir uns für Sprintis Rückverschiffung den Container teilen können. Dafür sind wir unter anderem in sämtlichen Traveler-Gruppen bei Social Media vertreten. Dort werden wir eines Tages auch von Melina und David angeschrieben, die mit zwei Motorrädern unterwegs sind und die wir, wie der Zufall es so will, auch schon in Panama und in Kolumbien getroffen haben. Zwei Motorräder würden Sprinti im Container natürlich super ergänzen, weil all zu viel Platz ist ja nicht mehr übrig. Jetzt heißt es also Daumen drücken, dass das was wird!

Bevor wir also die letzten Wochen in den „Chill-Modus“ übergehen (falls das überhaupt was wird?!), gibt es noch einiges zu entdecken und auch Sprintis „Wellness-Programm“ geht in die nächste Runde. Und wo soll all das passieren? In Paraguay!

Und so verlassen wir nach einigen Fahrtagen nun auch Argentinien…aber so viel sei gesagt: „Wir kommen wieder…und zwar noch auf dieser Reise!“ Der Grenzübergang nach Paraguay verläuft recht reibungslos und unkompliziert, wenn auch gleich die Vorgehensweise noch ein wenig „ursprünglicher“ zu sein scheint. Computer sind weit und breit nicht in Sicht und so werden die Menschen, die die Grenze übertreten (so wie wir), handschriftlich in Listen eingetragen, während der Grenzbeamte erstmal hektisch den Schreibtisch frei macht und eine Sahnetorte (die bei diesen Temperaturen wahrscheinlich eh nicht lange hält) zur Seite räumt. Aber man lässt uns und Sprinti ohne weiteres ins Land…sehr schön!

Paraguay ist einer von lediglich zwei Binnenstaaten (kein direkter Zugang zum Meer) in ganz Amerika und wird von Argentinien, Bolivien und Brasilien umschlossen. Mit einem Staatsgebiet von knapp 407.000 km² ist das Land ungefähr so groß wie Deutschland und die Schweiz zusammen, hat dabei aber lediglich 6,7 Mio. Einwohner, wo von 7% der Bevölkerung sogar Einwanderer deutscher Herkunft sind. Wir befinden uns hier mittlerweile wieder im tropischen und subtropischen Klima und die oft dschungelartige Landschaft und rote Erde erinnert uns tatsächlich an Costa Rica. Zur einheimischen Tierwelt gehören hier auch wieder verschiedene Affenarten, Jaguare, Pumas, Ameisenbären, Tapire, Gürteltiere, Wasserschweine, Ozelote sowie Kaimane, Anakondas und andere Schlangenarten. Da schaut man schon zweimal, wo man hintritt! Zu den zahlreichen Fischarten Paraguays gehören sowohl die Lungenfische, die sich während der Trockenzeit im Schlamm eingraben, als auch Piranhas. Es gibt zudem über 700 Vogelarten, darunter Tukane, Kolibris, und verschiedene Sittiche und Papageien sowie die größten Vögel des Landes, Nandus, die wir aus der Ferne zu Gesicht bekommen. Zu dem Schutz all dieser Tiere wurden in Paraguay zahlreiche Nationalparks gegründet.

Es ist Sonntag und so führt uns unsere Weg zu einem Wassersport-Verein direkt am Fluss Paraná, der Argentinien und Paraguay trennt. Hier dürfen wir mit Sprinti direkt am Wasser stehen und auch die Einheimischen nutzen gerade am Wochenende dieses Naherholungsgebiet. Es wird mit Booten oder Jetskis über den Fluss geheizt, es wird gelacht und sich gesonnt…und natürlich…es wird mal wieder gegrillt! So genießen auch wir dieses Plätzchen und springen in den 3200 Kilometer langen Fluss, der gar nicht mal so wenig Strömung hat, uns aber bei rund 38 Grad die nötige Abkühlung verleiht. Kaimane und Piranhas kommen uns zum Glück dabei nicht in die Quere!

Am nächsten Tag geht es schon früh für uns weiter. Wir fahren in das nahegelegene Hohenau, eine Stadt, die viele deutsche Auswanderer ihr Zuhause nennen. Viele Einwohner haben deutsche Vorfahren und einige sind auch der deutschen Sprache noch mächtig. Auf unserem Weg durch die Stadt begegnen uns auf jeden Fall unzählige Namen deutschen Ursprungs, was uns manchmal hier in Südamerika durchaus schmunzeln lässt. Hohenau wurde am 14. März 1900 von Guillermo Closs, Carlos Reverchon und den Brüdern Ambrosio und Esteban Scholler mit der Hilfe von deutschen Kolonisten gegründet. Der deutschstämmige Guillermo (dt. Wilhelm) Closs wurde am 31. Oktober 1841 in Baumschneis (Brasilien) geboren. Im brasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul gründete er einen Ort namens Serra Pelada. Später beschloss er, nach Paraguay zu ziehen, wo er Carlos Reverchon traf. Zusammen entwarfen sie einen Plan für die Besiedlung durch deutsche Einwanderer.

Wir erfahren, dass auch gerade zur Corona-Zeit erneut viele Deutsche hierher ausgewandert sind, die mit der ein oder anderen politischen Entscheidung in Deutschland nicht einverstanden waren. Allerdings sind auch knapp 80% davon mittlerweile wieder zurückgekehrt, weil sie sich entweder das Leben in Paraguay einfacher vorgestellt oder die Vorzüge Deutschlands dann doch zu schätzen gelernt haben.

In Hohenau führt uns unser Weg als erstes zu einer „Autowaschanlage“, denn Sprinti hat heute noch einen Termin. Von anderen Reisenden haben wir von Elvio erfahren, der hier eine Werkstatt (Benedix – Welding and Painting) für Beulenbeseitigung und Lackarbeiten hat…und das Ganze auch noch zu einem sehr guten Preis. Um also zu erkennen, an welchen Stellen Sprinti ein wenig „Liebe“ benötigt, ist nun erstmal eine Wäsche dran. Die Löhne sind hier in Paraguay tatsächlich sehr niedrig und so kostet uns die gesamte Autowäsche, bei der zwei Mitarbeiter über eine halbe Stunde an Sprinti schrubben umgerechnet 6,25 EUR (inklusive Trinkgeld).

Dann geht es zu Elvio in die Werkstatt…und wir sind nicht die Einzigen, die seine Hilfe in Anspruch nehmen wollen! So treffen wir mit schoebisontheroad, roadfuxx und bisbald.ch dort tatsächlich alte Reisebekannte wieder, denen wir zum Teil schon in Mexiko, Pananma, Ushuaia und an vielen anderen Orten auf dieser Reise über den Weg gelaufen sind…ja, so klein ist mal wieder die Reisewelt! Alle sind fleißig am Werkeln, denn bei einigen stehen ebenfalls die Verschiffungstermine kurz bevor…egal ob nach Deutschland oder weiter nach Afrika.

Jetzt stellt sich nur noch die Frage, wie lange wird der ganze Prozess mit Sprinti in der Werkstatt dauern und haben wir diese Zeit „übrig“? Elvio schaut sich den Wagen an. Sprinti hat hinten an den Hecktüren einige Beulen, die tatsächlich schon da waren, als wir ihn 2019 gekauft haben. Auf der Motorhaube hat zudem der ein oder andere Steinschlag seine Spuren hinterlassen. Um auf der Reise durch die Amerikas ein möglichst unscheinbares und nicht allzu attraktives Auto („sorry Sprinti!“) zu haben, hatten wir die Beulen damals nicht entfernt. Jetzt allerdings bietet sich das ja geradezu an und etwas Lackpflege hat Sprinti sich zudem absolut verdient. Also überlegen wir gemeinsam mit Elvio, was wie machbar ist…schließlich wollen wir ja nicht Teile des Innenausbaus entfernen müssen, um etwas auszubessern. Dann haben wir einen Plan: Die Hecktüren, die Motorhaube und ein paar winzige Roststellen im Lack (größere hat Sprinti zum Glück nicht) sollen behoben werden. Da wir aufgrund von schlechter Wetterprognose für die nächsten Tage ein wenig unter Zeitdruck stehen, bietet uns Elvio bei all der Arbeit, die er und seine Leute schon haben, tatsächlich an, noch heute bei Sprinti zu beginnen. Ok, alles klar! Also muss für uns schnell ein Plan her, denn wir können für circa 4 Tage nicht im Wagen übernachten. Kurzerhand fahren wir zu einem Hotel in unmittelbarer Nähe und buchen uns dort für die nächsten Tage ein Zimmer, dann fahren wir zum Supermarkt und decken uns mit Trinkwasser und ein paar Snacks ein. Anschließend ist Taschepacken und Autowegbringen angesagt. Und so finden wir uns ein paar Stunden später in einem Hotelzimmer wieder, von dem wir am Morgen noch gar nicht wussten, dass wir dort sein würden. Ja, also ohne Spontanität läuft auf so einer Reise gar nichts!

Und so sehen die kommenden Tage ein wenig anders aus als sonst. Täglich legen wir einen kleinen Spaziergang zur Werkstatt ein und schauen uns Sprintis Fortschritt an. So manches Mal werden wir dabei von einem tropsichen Regenschauer erwischt, der uns in Sekundenschnelle nasswerden lässt bis auf die Haut…immer mit dem Gedanken im Kopf, dass Sprinti jetzt hoffentlich trocken in der Halle steht und nicht nass davor.

Leider erfahren wir in diesen Tagen auch, dass Melina und David ihre Motorräder nun doch mit dem Flugzeug nach Hause schicken werden und so geht unsere Suche nach einem Container-Buddy weiter. Ein wenig Zeit bleibt uns ja noch!

Da wir uns hier im Hotel nicht selbst verpflegen können, ist auswärts essen angesagt…was gar nicht so einfach ist, denn ähnlich wie in Chile und Argentinien essen die Menschen hier erst gegen 21 Uhr und so öffnen auch die Restaurants recht spät, was nicht so ganz mit unserem Rhytmus zusammenpasst. Auf unserem Weg zur Werkstatt kommen wir immer an einem Döner-Restaurant eines deutschen Auswanderers vorbei und statten ihm an einem Abend auch einen Besuch ab. Nach knapp zwei Jahren auf Reisen, in denen man dieses Gericht, in den von uns bereisten Ländern, absolut nicht kannte, lassen wir uns den Döner besonders gut schmecken!

Nach vier Tagen des Ausbeulens, Spachtelns,Schleifens, Lackierens und Trocknens ist Sprinti fertig! Elvio und sein Team haben wirklich super Arbeit geleistet! Wir sind startklar zur Abfahrt…yippieh! Weiter geht’s!

Und so verlassen wir Hohenau und machen uns auf in den Norden Paraguays.

Da das Land gar nicht mal so groß ist, erreichen wir tatsächlich noch am selben Tag die Grenze nach Brasilien.

Und welche Kuriositäten uns dort erwarten, erfahrt Ihr beim nächsten Mal…! 🙂

Wir senden Euch liebe Ostergrüße aus der Ferne!

Reiseberichte Argentinien Chile

Patagonien (#073)

14. Januar 2024

– Von Bariloche bis zum Torres del Paine Nationalpark –

Patagonien ist eine recht ausgedehnte Region, die sich über einen Großteil der Südspitze Südamerikas erstreckt und von den Anden durchzogen wird. Der zu Argentinien gehörende Teil Patagoniens ist durch trockene Steppen, Graslandschaften und Wüsten geprägt, im chilenischen Teil finden sich Gletscherfjorde und Regenwälder der gemäßigten Zone. Oftmals wird auch das südlich der Magellanstraße gelegene Feuerland zu Patagonien gerechnet. Patagonien hat eine Größe von 1.061.000 km², ist dabei allerdings sehr dünn besiedelt. Die mittlere Bevölkerungsdichte liegt bei etwa zwei Einwohnern pro Quadratkilometer, in Santa Cruz sogar unter einem Einwohner pro Quadratkilometer. Der Name Patagonien geht auf den portugiesischen Entdecker Ferdinand Magellan zurück. Er gab den einheimischen Tehuelche-Indianern, denen er während seiner Überwinterung im Jahre 1520 in der Region Feuerland begegnete, wahrscheinlich aufgrund ihrer großen Statur den Namen „Patagones“. Hierbei lehnte er sich an eine fiktive Gestalt, den Riesen Pathagón aus den Novelas de Caballería (einer Sammlung von Rittergeschichten), an. Für uns ist klar, Patagonien wird uns mitunter die spektakulärsten Landschaften unserer Reise bescheren, daher sind wir umso gespannter all das zu entdecken. Auf geht’s durch Patagonien!

Als erstes erreichen wir auf der argentinischen Seite Patagoniens die Stadt Bariloche. Sie liegt am Nahuel Huapi, einem großen Gletschersee inmitten der Anden. Bariloche ist für seine alpenländische Architektur nach Schweizer Vorbild und seine Schokolade bekannt…ja, das klingt doch schon mal ganz vielversprechend! Wir finden einen schönen Campingplatz und erkunden tagsüber die Stadt.

Schnell stellen wir fest, wofür Patagonien ebenfalls bekannt ist…Wind! Patagonien befindet sich im Bereich der Westwindzone so wie wir in Mitteleuropa auch. Da es auf der Südhalbkugel kaum Landmassen gibt, die die Winde bremsen, wehen diese viel stärker als bei uns. Die Westwindzone zwischen 40 und 50 Grad südlicher Breite wird daher auch als „Roaring Forties“ (Donnernde Vierziger) bezeichnet. Der Westwind ist in Patagonien das ganze Jahr über kräftig, die höchsten Windgeschwindigkeiten werden im Sommer (Dezember bis Anfang März) gemessen. Ja, alles klar…wir merken es!

Dann geht es für uns auch schon wieder weiter…weiter Richtung Süden entlang der berühmten Ruta 40, die mit 5301 km längste Nationalstraße Argentiniens und gleichzeitig eine der längsten Fernstraßen der Welt. Sie ist zudem Teil „unserer“ Panamericana…wir sind also genau richtig unterwegs!

Und wie wir so weiterfahren, entdecken wir plötzlich kurz vor dem 1000 Seelen-Dorf Cholila ein Hinweisschild…

Wie bitte?! Butch Cassidy? Der Ganove, der im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gemeinsam mit seinem Kumpel Sundance Kid sein Unwesen getrieben hat und uns seltsamerweise seit Beginn der Reise immer und immer wieder „über den Weg läuft“. Hier also auch?

Tatsächlich! Der amerikanische Gesetzlose Butch Cassidy, sein Partner Sundance Kid und Sundances Freundin Etta Place kauften 1901 eine Ranch in der Nähe von Cholila und lebten dort bis etwa 1905. Auf der 5.000 Hektar großen Ranch züchteten sie Schafe, Rinder und Pferde. Schließlich waren sie offenbar gezwungen, die Ranch zu verkaufen und zu fliehen, weil Ermittler aus Pinkerton ihren Aufenthaltsort entdeckten. Sie wurden allerdings von einem örtlichen Sheriff rechtzeitig darüber informiert, dass Pinkerton-Agenten sie holen würden. Auch heute noch stehen die drei Hütten, die als Wohnhaus, Stall und Heuschober dienten und können besichtigt werden. Wir können kaum glauben, dass uns dieser besagte Herr auch hier wieder „begegnet“ und halten kurzerhand an den Hütten, die über einen verlassenen Feldweg zu erreichen sind. Wir sind ganz allein und als sich die alten knarrenden Türen tatsächlich öffnen lassen, stehen wir plötzlich in den ehemaligen Wohnräumen von Butch Cassidy und Sundance Kid. Ich muss gestehen, mir läuft durchaus ein Schauer über den Rücken.

Am Abend erreichen wir den Nationalpark Los Alerces und landen auf einem Campingplatz mitten im Wald. Tags drauf nutzen wir die Gelegenheit mal wieder wandern zu gehen. Bei dieser traumhaften Landschaft macht das nämlich besonders viel Spaß. Und diese gelben und lilafarbenen Blumen…einfach ein Träumchen, sage ich Euch! Und so kommen wir vorbei an einem über 300 Jahre alten Baum, werden immer wieder vor Pumas in der Gegend gewarnt und fühlen uns landschaftlich so manches Mal an Kanada erinnert.

Am nächsten Tag geht es für uns weiter auf der Ruta 40 und damit weiter Richtung Süden. Dabei werden wir begleitet von jeder Menge Guanacos, Nandus, Flamingos und tatsächlich auch von Millionen von Heuschrecken. Letztere scheinen sich auf dem Asphalt zu wärmen. Und auch jede Menge Schlaglöcher sagen uns „Hallo“…da wissen wir die doch sonst recht guten Straßen mal wieder besonders zu schätzen. Abends erreichen wir einen Stellplatz mit Windschutz-Palisaden, denn der Wind wird tatsächlich immer heftiger je weiter wir Richtung Süden kommen. Zu dem Platz gehört auch ein kleines Häuschen mit Bad, Küche und Wohnzimmer samt Kamin. Wirklich sehr gemütlich! Aber wir haben in Sprinti ja alles, was wir brauchen und so verbringen wir einen geruhsamen Abend, während draußen der Wind über die Landschaft fegt.

Am nächsten Tag erreichen wir den kleinen und recht ausgestorbenen Ort „Tres Lagos“. Laut unserer App bekommen wir dort über Western Union Bargeld an einem Postamt. Doch wie so oft stimmen die Öffnungszeiten bei Google nicht mit den tatsächlichen überein und so stehen wir am Postamt vor verschlossener Tür…wir sind ganze 10 Minuten zu spät! Der nächste Ort mit Western Union Auszahlungsstelle befindet sich über 150 Kilometer entfernt. Aber irgendwie werden wir schon an Geld kommen!

Um unser nächstes Ziel zu erreichen, stehen unter anderem 70 Kilometer Schotterpiste auf dem Programm. Wir lassen vorsichtshalber etwas Luft von Sprintis Reifen. Es ist dabei so windig, dass es fast unmöglich ist, die Türen zu öffnen. Der Wind wirbelt zudem den ganzen Staub und Sand der Schotterpiste auf, was einem das Gefühl eines unfreiwilligen Gesichtspeelings verleiht. Rund zwei Stunden später befinden wir uns dann wieder auf geteertem Untergrund als plötzlich gleich zwei Lampen bei Sprinti aufleuchten…ESP und ABS funktionieren nicht! Laut Handbuch heißt es, wir sollen möglichst schnell eine Werkstatt aufsuchen. Oh nein, das hat uns gerade noch gefehlt…ist hier doch weit und breit nichts als Steppe…und Guanacos, die teilweise tot überm Zaun hängen, weil sie auf der Flucht vor der Straße beim Drüberspringen schlichtweg hängengeblieben sind. Und hier soll irgendwo eine Werkstatt sein? Niemals! Wir rufen also kurzerhand Milenko, unser Mechaniker in Santiago an und schildern ihm unsere Situation. Zum Glück kann er uns schnell beruhigen. Es ist schlichtweg so windig, dass die Elektronik der Autos das Geschaukel nicht ausgleichen kann und nur erkennt, dass irgendetwas mit der Stabilität nicht stimmt. Daher stellt sich das ESP und das ABS ab. Bei Sprinti ist also alles in Ordnung, die Elektronik ist aufgrund des starken Windes nur irritiert. Hört der Wind auf, funktioniert also alles wieder. Puh, also keine Werkstatt nötig und wir können weiterfahren! 🙂

Dann erreichen wir den Ort El Chaltén und stehen auf einem Campingplatz mitten im Zentrum und doch umgeben von einer beeindruckenden Berglandschaft. Hier wechselt man uns Dollar in Pesos und somit sind wir bargeldtechnisch erstmal wieder ganz gut ausgestattet. El Chaltén ist bekannt dafür Ausgangsort vieler Wanderungen zu sein, denn es liegt am Los Glaciares Nationalpark. Vielleicht habt Ihr schon mal von Cerro Torre und Fitz Roy gehört, zwei Granitberge, die hier mit ihren steil aufragenden Gipfeln die Landschaft prägen und einfach wundervoll aussehen. Sie sind Sinnbild für Patagonien und da sie auf der Grenze zwischen Chile und Argentinien liegen, nutzen beide Länder sie, um die Schönheit ihrer Heimat zu repräsentieren. Schon auf dem Weg hierher können wir die imposanten Gipfel kilometerweit erspähen…einfach beeindruckend!

Am nächsten Tag schlüpfen wir also wieder in unsere Wanderschuhe und auf geht’s! In unserer App „All Trails“ haben wir uns eine schöne Strecke herausgesucht und schrecken auch nicht davor zurück, als man uns an der Rezeption unseres Campingplatzes sagt, dass dieser Weg nicht wirklich befestigt und ebenso wenig erkennbar ist. Aber wir haben ja unsere App und damit hat es bislang immer gut funktioniert. Los geht es also! Unser erster Halt ist an einem Wasserfall, der vielen Touristen als Fotomotiv dient. Wir gehen also schnell weiter…ab jetzt geht es für uns bergauf. Ist es anfangs noch ein gut erkennbarer Pfad, verflüchtigt der sich allerdings schnell und wir laufen über Stock und Stein und finden uns letztendlich hoch oben auf dem Hang des Berges wieder…ohne Weg, aber mit viel Wind…und es ist steil…sehr steil! Ich muss zugeben, so ganz ungefährlich ist es tatsächlich nicht, wie wir hier am steilen Abhang stehen und der Wind wieder alles gibt. Aber dafür ist die Aussicht auf den Fitz Roy wirklich toll! Also schießen wir schnell ein paar Bilder bevor wir uns wieder auf den Weg zurück in die Tiefe machen.

Zurück am Campingplatz kommt uns plötzlich ein uns ziemlich bekanntes Auto entgegen…unsere Freundin Shelly mit ihrem Hund Franklin. Also heißt es abends erstmal quatschen was das Zeug hält und das in einem der leckeren Restaurants im Ort. Hach, was fein!

Am nächsten Tag steht für uns nochmal Wandern auf dem Programm, denn nach dem Fitz Roy wollen wir uns nun auch den Cerro Torre aus der Nähe anschauen. Dieses Mal allerdings nehmen wir einen Trail der auch wirklich existiert und nicht nur in unserer App aufgelistet ist. Definitiv die bessere Entscheidung und so führt uns unser Weg durch eine absolut tolle Landschaft, vorbei an Kascaden und Wasserfällen, die sich den Berg hinabstürzen. Die Sicht auf den Cerro Torre ist dann der absolute Wahnsinn…einfach herrlich, dieses Patagonien!

Dann ist es an der Zeit El Chaltén lebewohl zu sagen. Allerdings bleiben wir im Glaciares Nationalpark, denn die nächsten Highlights warten schon auf uns. Zuvor ist aber noch Tanken angesagt…die Tankstelle fällt hier allerdings ein wenig kleiner aus als sonst.

Als nächstes steht der Perito Moreno Gletscher auf unserem Programm. Er ist einer der größten Auslassgletscher des Campo de Hielo Sur, des größten Gletschergebietes der südamerikanischen Anden. Entgegen den meisten Gletschern der Region, zieht sich der Perito Moreno Gletscher nicht zurück. Wir erklimmen den Aussichtspunkt und haben eine beeindruckende Sicht auf diesen immensen Gletscher.

Wir übernachten in der nahegelegenen Stadt El Cafayate, in der es zwar eine Auszahlungsstelle von Western Union gibt, allerdings zahlt diese an Ausländer kein Geld aus. Glücklicherweise sind wir bargeldtechnisch noch gut ausgestattet. Wir stehen zwei Tage auf einem Campingplatz, ohne das wir viel unternehmen, weil Peter eine ordentliche Erkältung erwischt hat. Die Stadt El Cafayate ist in den letzten Jahren ein wenig vom Touristenansturm überrumpelt worden, wodurch eine Wasserknappheit herrscht. So gibt es erst immer ab mittags ausreichend Wasser im Ort, um sich zu duschen.

Nach zwei Tagen verlassen wir El Cafayate wieder und machen uns auf den Weg zum nächsten Nationalpark…dem Torres del Paine Nationalpark. Dieser liegt direkt an der Grenze in Chile, also heißt es erneut…Grenzübertritt. Auch das passiert wieder irgendwo im Nichts, läuft aber relativ easy ab…so gefällt uns das!

Der Torres del Paine Nationalpark gehört wie der Los Glaciares Nationalpark zu DEM Wahrzeichen Patagoniens. So handelt es sich bei dem Titelbild unseres Reiseführers ebenfalls um ein Foto genau aus diesem Nationalpark. „Torres del Paine“ bedeutet in der Sprache der Tehuelche-Indianer „Türme des blauen Himmels“ und ich kann sagen, der Name ist Programm, denn auch hier ragen drei nadelartige Granitberge, die zwischen 2600 und 2850 m hoch sind, majestätisch in den Himmel…Prädikat: Mega! Da Peter durch seine Erkältung noch ordentlich angeschlagen ist, sparen wir uns hier die Wanderungen und fahren einige Aussichtspunkte mit Sprinti an. Hatte ich schon erwähnt, dass es hier in Patagonien sehr windig ist?! Und zwar so sehr, dass auf einigen Parkplätzen Wohnmobile auf die Seite gekippt sind. Wir wollen es erst nicht glauben, bis man uns die entsprechenden Fotos zeigt. Wir schauen nun also sehr genau, wo und wie wir Sprinti parken!

Nach zwei Tagen verlassen wir den Park wieder, finden aber einen Platz in der Wildnis, an dem uns noch die Sicht auf den Torres del Paine bleibt. Und so stehen wir mutterseelenallein an einem Fluß, auf dessen gegenüberliegenden Seite eine Herde Wildpferde grast. Die Sonne geht langsam unter und verschwindet hinter den beeindruckenden Berggipfeln in der Ferne. Der Wind pfeifft und wir machen es uns mit einem heißen Tee in Sprinti gemütlich.

Tags darauf ziehen wir weiter, denn es ist kurz vor Weihnachen und wir haben ein Ziel…

…am Ende des Jahres am Ende der Welt zu sein!

Reiseberichte Argentinien

Jetzt also Argentinien… (#071)

24. Dezember 2023

– Wein, Vollmond und ein ziemlich dicker Ast –

Nun sind wir also in Argentinien und erreichen damit das 16. Land auf unserer Reise. Der Landesname Argentinien leitet sich von der lateinischen Bezeichnung für Silber („argentum“) ab und stammt aus der spanischen Kolonialzeit, als man hier Edelmetalle zu finden hoffte. Bis zu seiner Unabhängigkeit 1816 war Argentinien Teil des spanischen Kolonialreiches. Mit einer Fläche von knapp 2,8 Mio. km² ist Argentinien der achtgrößte Staat der Erde und der zweitgrößte des südamerikanischen Kontinents. Im Hinblick auf die Einwohnerzahl steht es mit rund 45 Millionen Einwohnern in Südamerika an dritter Stelle (nach Brasilien und Kolumbien), wobei knapp 87% von ihnen in Städten leben. Mehr als 90 % der Bevölkerung stammen nach der offiziellen Statistik zumindest teilweise von eingewanderten Europäern, mehrheitlich Italienern, ab. Die hohe Anzahl von Personen, die zumindest einen europäischen Vorfahren haben, haben einen Mythos des „weißen Argentiniens“ hervorgebracht. Neuere Untersuchungen ergaben zwischen 53 % und 65 % europäisches, 31-40 % indigenes und 4 % afrikanisches Erbgut. Und auch wir nehmen direkt war, dass es hier alles ein wenig mehr „europäisch“ abläuft. Viele Menschen unterscheiden sich tatsächlich in Größe, Körperform, Haar- und Hautfarbe von anderen Südamerikanern und das Spanisch, was hier gesprochen wird, hat in unseren Ohren durchaus einen italienischen Einfluss genossen. Auch bemerken wir, dass hier mehr Freizeitaktivitäten stattfinden. Die Menschen treffen sich z.B. mit Freunden, gehen aus, treiben Sport oder fahren Motorrad. Was uns ebenfalls auffällt, hier wird so viel geraucht, wie in keinem anderen Land auf der Reise. In allen anderen Ländern findet der „Verzehr eines Glimstengels“ quasi nicht mehr statt, so dass wir uns bei unserem Heimaturlaub im Mai in Deutschland tatsächlich gewundert haben, wie viel in Deutschland und Europa noch geraucht wird. Und auch diesbezüglich hat Europa hier in Argentinien Einzug gehalten. Ähnlich ist es mit Tätowierungen, so waren Einheimische bislang nur in den seltensten Fällen tätowiert, hier tragen viele Menschen diesen Körperschmuck. Auch was die Automarken anbelangt, wird es hier wieder eurpäischer, so säumen viele Fiats, aber auch wieder mehr Audi, Mercedes oder Volkswagen die Straßen, letztere vermehrt mit dem Modell „Suran“ (ein etwas kleinerer Tiguan auf Basis eines Fox).

Unser erstes Ziel ist die Stadt Mendoza, bekannt für DIE Weinregion Argentiniens….also genau das Richtige für uns! Wir landen auf einem schönen Campingplatz, der uns ebenfalls an europäische Campingplätze erinnert und umgeben ist von unzähligen gewaltigen Bäumen. Hier lässt es sich aushalten, haben wir doch mittlerweile sommerliche 25-30 Grad Celsius. Nachts kühlt es auf angenehme 15 Grad ab…auch das ist perfekt. Die ersten zwei Tag nutzen wir, um einiges zu erledigen und etwas zur Ruhe zu kommen.

Dann erkunden wir ein wenig die Stadt und lassen uns vom Lebensgefühl der Argentinier anstecken. Mendoza ist die etwa 120.000 Einwohner zählende Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Westen Argentiniens. Es gilt zudem als das Tor zu Chile und ist daher eine wichtige Handelsmetropole.

Der dominierende Wirtschaftszweig in Mendoza ist der Weinanbau und die daraus resultierende verarbeitende Industrie. Die Kellereien generieren 50 % der Exporterlöse Mendozas und stehen für 80 % des gesamten argentinischen Weinexports. Und was heißt das für uns? Na klar…wir müssen uns mal ganz persönlich von der Qualität des Weins überzeugen lassen! Und wo geht das besser als direkt auf einem Weingut?! Wir starten allerdings mit dem Besuch des „Weinmuseums“ der Stadt, was genau genommen zwei alte Wohnhäuser (besser gesagt Villen), der berühmten ersten Weinanbauer Mendozas, sind…umgeben von einer wunderschönen Parklandschaft. Der Schweizer Baptist Geronimo Gargantini und der Italiener Juan Giol gründeten 1896 ein Unternehmen, das zum Stolz des Weinbaus in Mendoza werden sollte. Sie kauften 44 Hektar Land und bauten die ersten Teile des Weinguts. Das Wachstum der Produktion war schwindelerregend und so beschlossen sie, zwischen 1908 und 1910 diese prächtigen Häuser an jenem Ort zu bauen. Nur ein Haus kann heute noch betreten werden, das andere hätte leider eher ein wenig Handwerkerliebe nötig. Vorsichtig betreten wir den Eingangsbereich. Es handelt sich um eine alte Villa mit knarrenden Holzdielen, hohen Decken und einer herrschaftlichen Treppe. Wir scheinen die einzigen Besucher zu sein und so ist niemand dort als wir das alte Haus betreten, was es ein wenig unheimlich macht. Wir wandern von Zimmer zu Zimmer, die teilweise noch einzelne Möbelstücke beheimaten. Einige Zimmer sind leer und durch die schmalen Schlitze der geschlossenen Fensterläden fällt nur ein wenig Sonnenlicht. Es ist merkwürdig an diesem Tag alleine in diesem Haus zu sein, in dem man die Geschichte wortwörtlich spüren kann.

Dann geht es für uns weiter zum Weingut „Bodegas Lopez“, bei dem wir eine Tour gebucht haben. Weil wir früh dran sind, dürfen wir schon mal ein wenig probieren. Aufgrund der enormen Inflation von rund 140% in Argentinien allein im letzten Jahr, sind die Preise hier natürlich auch demensprechend. So zahlen wir pro Glas Wein lediglich 80 Cent, eine Flasche sehr guten Wein bekommt man tatsächlich bereits ab 1,50 Euro.

Dann geht es auf zur Tour. Weil hier die meisten Menschen ausschließlich spanisch sprechen, sind wir gemeinsam mit einer australischen Touristin die einzigen Teilnehmer der englischsprachigen Tour. So werden wir in die Weinkeller und Produktionshallen geführt und erfahren viel über die lange Geschichte des Familienunternehmens. Natürlich darf im Anschluss auch eine kleine Weinprobe nicht fehlen…

Anschließend geht es für uns mit dem Taxi zurück in die Stadt, denn was ist ebenfalls typisch argentinisch? Genau…Steaks! So werden wir in einem der vielen Restaurants fündig und auch wenn ich gar nicht mal sooo der Fleischesser bin, schmeckt es auch mir sehr gut. Allerdings ist es schon ein wenig speziell zu sehen, was für riesige Platten Fleisch an all die Tische gebracht werden. Beilagen sind tatsächlich Nebensache…hier stellt sich nur die Frage…Fleisch, Wurst oder beides?!

In dieser Nacht stürmt es ordentlich und wir werden in Sprinti ganz schön hin und hergeschaukelt…aber was soll’s?! Am nächsten Morgen allerdings wird uns ganz schön mulmig zumute, als wir sehen, was in der Nacht passiert ist! Rund drei Meter neben Sprinti, also genau da, wo wir bis vor zwei Tagen noch geparkt hatten, liegt es riesiger Ast, besser gesagt eine gesamte Baumkrone auf dem Boden. Der Sturm hat also ordentliche Arbeit geleistet und um ein Haar hätte das Ganze auch anders ausgehen können. Auch wir stehen direkt unter dicken Bäumen und als wir die an diesem Morgen genauer unter die Lupe nehmen, sehen wir, dass ein tiefer Spalt durch den Stamm bis hoch in die Baumkrone geht und das bei dem Baum, der sich genau über uns befindet. Eigentlich wollten wir noch einen weiteren Tag auf diesem Platz bleiben, entscheiden uns spontan allerdings weiterzufahren. Man soll sein Glück ja nicht all zu doll herausfordern!

Jetzt noch schnell Sprinti von all dem Vogeldreck befreien…wo Bäume sind, sind oft auch Vögel und die hatten an unserem Campingplatz eine sehr gute Verdauung…sehr zum Leidwesen von Mensch und Wagen.

Von der Stadt geht es dann wieder in die Natur. Wir fahren Richtung Norden. Auf dem Weg versuchen wir noch an Bargeld zu gelangen, das ist nämlich in Argentinien gar nicht so einfach. Die argentinische Wirtschaft hat in den vergangenen Jahrzenten extreme Schwankungen erlebt und dass, obwohl es Anfang des 20. Jahrhunderts zu den reichsten Ländern der Welt gehörte. Die letzte Regierung hat versucht, die Wirtschaft zu stabilisieren, in dem sie einen bestimmten Wechselkurs für den Dollar festgelegt hat. So wollte es die Theorie. In der Praxis hat sich allerdings ein zweier Wechselkurs für den Dollar entwickelt, der sogenannten „Blue-Dollar“, den die Menschen im alltäglichen Leben nutzen. Dieser ist mittlerweile dreimal so hoch wie der von der Regierung gewünschte Kurs, was zur Folge hat, dass der argentische Peso im Verhältnis zum Dollar immer mehr an Wert verliert. Für uns bedeutet das, dass wir versuchen, so viel wie möglich mit Kreditkarte zu bezahlen, da Visa und Mastercard nach dem Blue-Dollar abrechnen. Das funktioniert allerdings nur zu ca. 80%. Wir benötigen also auch Bargeld. Würden wir es am Geldautomaten abheben, würde der offizielle Kurs zu Grunde gelegt, was für uns ein sehr schlechtes Geschäft wäre. Uns bleiben also zwei Möglichkeiten: 1. Wir haben aus den USA, Panama und Ecuador (die alle den Dollar als Zahlungsmittel nutzen) US-Dollar mitgebracht und können den hier in den Wechselstuben in argentinische Pesos tauschen. Dazu sei gesagt, dass 50er und 100er Banknoten einen besseren Kurs bringen als kleinere Scheine. Zudem wird penibel darauf geachtet, dass die Scheine weder beschädigt noch bekritzelt sind, ansonsten werden die dann nämlich gar nicht angenommen. 2. Man kann den weltweiten Bargeldservice der Western Union Bank nutzen, der allerdings sehr kostspielig ist und man eine Ausgabestelle finden muss. Diese Ausgabestelle muss dann zum einen den entsprechenden Betrag in Pesos vorliegen haben (daher besser nicht mehr als 100 Dollar wechseln) und zum anderen auch gewillt sein an Ausländer auszuzahlen. Also alles gar nicht so einfach!

Durch die Präsidentschaftswahl am Tag unserer Einreise haben viele Argentinier die Hoffnung, dass sich dieses wirtschaftliche Auf und Ab beruhigt und der Staat zu seiner wirtschaftlichen Stärke zurückkehrt. Auch wenn wir uns freuen, dass wir für 10 Brötchen lediglich 1 Euro und für einen Liter Benzin (der zudem von der Regierung subventioniert wird) nur 36 Cent bezahlen, so haben wir doch auch Mitleid mit den hart arbeitenden Menschen, die enorm unter dem ständigen Wertverlust ihrer Währung und somit auch ihrer Arbeit leiden.

Dann erreichen wir unser Ziel, den Ischigualasto Provincial Park. Das Naturreservat liegt im Nordwesten Argentiniens und wird wegen seiner extremen Trockenheit auch „Valle de la Luna“ (Mondtal) genannt. Es liegt in unmittelbarer Nähe des Nationalparks Talampaya und wurde gemeinsam mit diesem im Jahr 2000 von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt. Geologisch gesehen gehören das Naturreservat und der Nationalpark Talampaya zur Ischigualasto-Formation, die sich durch gut erhaltene, etwa 230 Millionen Jahre alte Fossilien auszeichnet. Unter anderem entstammen dieser Formation einige der ältesten bekannten Dinosaurierfunde. Und so statten wir dem Park-Museum als erstes einen Besuch ab.

Dann haben wir Glück, dass kurzerhand auch eine Tour durch den Park stattfindet, den man nämlich nur mit Guide und seit Corona auch nur mit dem eigenen Auto befahren darf. Die argentinische Variante sieht dann so aus, dass der Guide einfach zu dem ersten Privatwagen mit in das Auto steigt und sich die kleine Blechlawine dann durch den Park schängelt. So auch wir mit Sprinti. Das Reservat umfasst 8.000 Quadratkilometer und ist zum Schutz einer wüstenhaften Landschaft eingerichtet worden. Es existieren viele von der Erosion geschaffene skulpturartige, kuriose Gesteinsformationen, die oft an bekannte Objekte erinnern, wie das U-Boot, die Bocciabahn, der Pilz und die 1989 eingestürzte Wunderlampe Aladins, die bis dahin das Wahrzeichen des Parks war. Das Gebiet liegt etwa 1300 Meter über dem Meeresspiegel und beherbergt eine typische Wüstenvegetation, die aus Kakteen und Büschen besteht. Darüber hinaus gibt es starke Temperaturschwankungen von −10 °C bis +45 °C. Wir bekommen an diesem Tag die extreme Hitze zu spüren, zeigt das Thermostat doch „angenehme“ 40 Grad. So ist jeder Windzug herzlich willkommen. Wir legen auf unserer Route verschiedene Zwischenstopps ein und erhalten diverse Erklärungen von unserem Guide. So kommen wir z. B. an Steinformationen vorbei, die durch die Erosion aussehen wir präzise geschliffene Kugeln, die auf der Welt in dieser Form einzigartig sind. Landschaftlich erinnert uns die Gegend total an die USA mit seinen Canyons und bunten Felsen. Besonders beeindruckt sind wir als plötzlich 8 Kondore über uns kreisen, die auf dem Boden sitzend tatsächlich eine Größe von 1,40 m aufweisen und dadurch wirklich majestätisch durch den Himmel gleiten.

Jeden Monat, immer zum Vollmond, ist der Park drei Tage lang auch nachts geöffnet und man kann mit einem Guide eine Nachtwanderung im Mondschein durch diese besondere Landschaft machen. Wir schauen im Kalender nach…der nächste Vollmond ist…HEUTE! Alles klar, das nehmen wir mit! Glücklicherweise bekommen wir noch Karten und so geht es für uns um 23 Uhr noch einmal mit Sprinti los durch den Park. Allerdings sind wir nicht die einzigen mit diesem Plan und so schlängeln sich nun mehr als 50 Autos entlang der staubigen Straßen. Uns beschleicht das schlechte Gewissen, warum man die Landschaft nicht wenigstens in der Nacht in Ruhe lässt oder zumindest statt der vielen einzelnen PKWs besser einen Bus einsetzt. Die Autos werden an einem zentralen Ort geparkt und wir machen uns zu Fuß auf durch den Park. Lampen…Fehlanzeige! Lediglich der Mond schenkt uns gerade genug Licht, um über Stock und Stein zu laufen. Dass man auf den Fotos überhaupt etwas erkennen kann, liegt wohl eher an der Nachtsicht-Einstellung unserer Handy-Kamera. Einen Weg oder Trampelpfad gibt es hier gerade nicht. Und so verleiht es uns auch in dieser großen Gruppe schon das Gefühl ganz allein mit der Natur zu sein und nur der Mond beobachtet uns dabei…

Gegen 2 Uhr in der Nacht kehren wir zurück zum Parkeingang. Der sich dort befindliche Campingplatz ist momentan allerdings geschlossen, weil sich derzeit ein Puma in der Gegend umhertreibt. Gut, dass wir gerade noch durch den Park gewandert sind, sag ich nur! Peter und ich machen uns also mitten in der Nacht auf den Weg, um den ca. eine Stunde entfernten Talampaya Nationalpark zu erreichen, da wir dort übernachten dürfen. Normalerweise vermeiden wir es nachts zu fahren, weil es aufgrund schlechter Straßen, fehlender Beleuchtung, einfach aus Sicherheitsgründen oder auch weil gerne mal Tiere auf der Straße stehen, durchaus gefährlich werden kann. In dieser Nacht kommt zudem die Müdigkeit hinzu, die uns beide mittlerweile quält. Anfangs sind wir nicht die einzigen, die hier auf diesen Straßen noch unterwegs sind, aber immer mehr verlassen unsere Route und so sind wir irgendwann allein unterwegs auf dieser Landstraße, umgeben von dunklem Nichts. Daher sind wir froh und erleichtert, als wir gegen 3 Uhr den Parkplatz erreichen und fallen nur noch todmüde ins Bett.

Rund 3,5 Stunden später werden wir allerdings schon wieder vom Wecker geweckt, denn auch den Talampaya Park wollen wir erkunden. Das Reservat umfasst 215.000 Hektar und schützt die wüstenhafte Landschaft im Tal des „Rio Talampaya“, in der die Erosion vielfarbige Gesteinsformationen hervorgebracht hat. Zudem gibt es auch hier mehrere archäologische Fundstätten in der Gegend. Das im Park anzutreffende, fossilführende Gestein entstand aus Sedimenten, die während der Trias, dem ältesten System des Erdmittelalters, auf dem Festland abgelagert worden sind. Zusammen mit den Gesteinen im nur wenige Kilometer weiter südlich gelegenen Naturreservat Ischigualasto wurde dies dokumentiert. Deshalb ist der darin enthaltene Fossilbericht weltweit einmalig. Zudem sind hier auch frühe Spuren des Menschen sichtbar, was sich unter anderem durch uralte Wandmalereien zeigt.

Auch diesen Park darf man nur mit einem Guide betreten und so startet unsere gewünschte Tour bereits um 9 Uhr. Dieses Mal nicht mit dem eigenen Auto, sondern in einem Bus werden wir durch den Park gefahren und halten an besonders eindrucksvollen Punkten. Auch dieser Park ist faszinierend und beeindruckt uns mit seinen gewaltigen Felsen fast noch mehr als wir durch die Schlucht fahren und im Verhältnis wohl eher der Größe einer Ameisen entsprechen. An einer Stelle werden wir aufgefordert als Gruppe einige Schreie abzulassen, die tatsächlich Sekunden später ein so beeindruckendes Echo wiedergeben, als würde uns eine Gruppe im Tal nebenan antworten. In diesem extremen Ausmaß haben weder Peter noch ich das je erlebt. Echt der Wahnsinn, sage ich Euch! So verleben wir auch hier einen schönen Vormittag, bevor es für uns mal wieder weitergeht…

Jetzt, wo ich hier sitze und diese Zeilen für Euch schreibe, sind bereits ein paar Wochen vergangen und Weihnachten steht vor der Tür. Daher möchten wir das zum Anlass nehmen Euch die liebsten Weihnachtsgrüße nach Hause zu schicken. Habt eine schöne Zeit mit Euren Lieben und genießt ein wenig die Ruhe zum Jahresende. Wir tun dies…am südlichsten Punkt des amerikanischen Kontinents, der mit einem Auto befahren werden kann, ohne das Wasser überqueren zu müssen (schaut dazu gerne mal unter unserer Route).

In diesem Sinne frohe Weihnachten und eine dicke Umarmung aus dem windigen Südchile!

Reiseberichte Bolivien

In der größten Salzwüste der Welt (#069)

26. November 2023

– Und warum wir Probleme an der Grenze bekommen –

An diesem Tag erreichen wir einen besonderen Ort…die Salar de Uyuni, mit mehr als 10.000 Quadrat­kilometern die größte Salzpfanne der Erde. Die Salar de Uyuni liegt im Südwesten Boliviens auf einer Höhe von 3653 m und gehört zu den Landschaften des Altiplano. Mit einer Fläche von 10.582 km² hat das Becken eine größere Flächenausdehnung als beispielsweise Niederbayern. Die unter der Oberfläche liegende Sole reicht bis zu 72 Meter oder sogar mindestens 121 Meter in die Tiefe und ist damit die größte Salzfläche der Welt. Mit gleißender Helligkeit am Tag und sehr kalten Nächten ähnelt die Salar de Uyuni äußerlich einem zugefrorenen See. Sie ist so gut wie frei von jeglicher Art von Lebewesen, aber Brutplatz einiger nur in Südamerika vorkommender Flamingo-Arten. Die Salzmenge der Salar wird auf ungefähr zehn Milliarden Tonnen geschätzt. Jährlich werden davon etwa 25.000 Tonnen abgebaut und in die Städte transportiert. Die Salar de Uyuni beherbergt zudem eines der weltweit größten Lithiumvorkommen, was laut „U.S. Geological Survey“ auf etwa 5,4 Millionen Tonnen geschätzt wird. Und weil man diese Salzwüste besuchen und befahren kann, schauen wir uns das Ganze mal aus der Nähe an.

Da es auf dieser riesigen Salzfläche natürlich keine abgesteckten Straßen gibt, kann man nur den Spuren anderer Fahrzeuge folgen. Weil aus einer Spur gerne auch mal drei Spuren werden und die Wege sich somit trennen und dazu sämtliche Navigations-Apps hier ihre Arbeit quittieren, kann man sich auch gerne mal verirren. Auf dieser strahlend weißen Eisfläche, auf der man sich ohne eine ordentliche Sonnenbrille wenn man nicht aufpasst das Augenlicht ruiniert, verliert sich schnell der Horizont, was eine Orientierung nicht unbedingt leichter macht. Daher richten wir uns nach Himmelsrichtungen. Auch gilt es die Struktur der Salzfläche zu beachten (solange die Salzwaben sechs Ecken aufweisen ist das schon mal ein gutes Zeichen), die nicht überall gleich fest ist. So sind Freunde von uns mit ihrem Wagen eingesackt und konnten erst nach vier Tagen von einheimischen Helfern befreit werden…und 1000 Euro hat der Spaß zudem gekostet. Ne, das brauchen wir jetzt nicht so! Also alles ganz vorsichtig und bedacht, in der Hoffnung, dass alles gut geht!

Neben einem alten Hotel, das ausschließlich aus Salz besteht, einer Insel mit 1200 Jahre alten Kakteen und einem Wahrzeichen der Rallye Dakar, die auch gerne durch diese Salzwüste führt, ergibt sich eine traumhafte Kulisse. Nachts haben wir Vollmond und dieser scheint durch die Reflektion so hell, dass man meinen mag, es sei die Sonne.

Wir bleiben zwei Nächte in der Salar, in der es zwar ordentlich kalt wird, wir aber auch die Ruhe und Abgeschiedenheit genießen. Bereits zum Sonnenaufgang zeigt uns diese Wüste die schönsten und beeindruckensten Bilder…

Und zu dem ein oder anderen Foto mit einer besonderen Perspektive in dieser Umgebung lassen wir uns natürlich auch hinreißen…

Dann verlassen wir die Salzwüste wieder und machen uns auf den Weg ins naheliegende Uyuni. Als erstes steht eine ordentliche Autowäsche für Sprinti an, ist doch das ganze Salz eher ungünstig für Fahrzeuge. Das wissen natürlich auch die Leute vor Ort und so reiht sich eine „Waschanlage“ an die nächste. Allerdings nicht in dem Stil, wie wir eine Waschanlage kennen, sondern doch um einiges spatanischer. Wir haben gelesen, dass zur Reinigung gerne mal Salzwasser genommen wird, weil das halt vorhanden ist…was ja sehr sinnbefreit ist, wenn man damit das Salz am Auto beseitigen möchte. Sollte es einen Hochdruckreiniger geben, haben die gerne mal so viel Druck, dass sie Solarpanele und Fensterscheiben beschädigen. Das brauchen wir nun beides nicht! Die erste Waschanlage weist uns ab, weil dort gerade Mittag gegessen wird, bei der zweiten haben wir Erfolg.

Als nächstes steht Tanken auf dem Programm, was hier in Bolivien ja ein nicht so leichtes Unterfangen ist (s. dazu Artikel „Neue Abenteuer…dieses Mal aus Bolivien #068“). Noch dazu kommt, dass gerade Diesel- und Benzin-Knappheit herrscht. Wenn wir Pech haben, bekommen wir einfach nichts. Wir fahren verschiedene Tankstellen an und landen letztendlich bei einer, vor der sich lange Schlangen an Fahrzeugen gebildet haben…eine für Diesel, zwei für Benzin. Jetzt können wir nur hoffen, dass auch noch etwas Benzin für Sprinti übrig ist, bis wir an der Reihe sind. Das ganze Unterfangen dauert zum Glück „nur“ eine Stunde und wir erhalten unseren Sprit. Da wir natürlich auch hier wieder nicht den subventionierten Preis erhalten, läuft das ganze Geschäft wieder „sin factura“ und damit unter der Hand ab. Aber so läuft das hier in Bolivien halt!

Jetzt benötigen wir noch Wasser für unseren Tank. An einer angeblichen Auffüllstation öffnet man uns nicht die Tür, also versuchen wir unser Glück an einer Tankstelle, an der der Wasser-Zapfhahn recht zugeparkt ist (allerdings nicht mit Fahrzeugen, die Wasser tanken wollen) und wir einen Anpfiff kassieren, als wir dort befüllen wollen und es enger für den ein oder anderen LKW wird. Warum diese anderen Fahrzeuge dort parken und somit alles versperren ist mir schleierhaft. Da eine Diskussion hier keinen Sinn macht, versuchen wir unser Glück auf einem anderen Wege und haben damit Erfolg. Jetzt ist es Zeit für eine Dusche…wir haben eine Öffentliche in der iOverlander-App entdeckt und machen uns auf den Weg. Allerdings soll dort auch gerne mal das Auto aufgebrochen werden. Wir laufen durch einen dunklen Flur und stehen plötzlich in einer Art Innenhof, von dem Türen abgehen, hinter denen sich Duschen und Toiletten befinden. Alles nicht so super fancy, aber der Wasserdruck ist ok und die Duschen sind warm. 15 Minuten später sitzen wir beide frisch geduscht wieder in Sprinti, der zum Glück von jeglichen Gewalttaten verschont geblieben ist, und fahren weiter.

Zu Uyuni gehört ein weiterer skuriler Ort…ein Eisenbahnfriedhof. Im Jahr 1872 wurde mit dem Bau der Ferrocarril de Antofagasta a Bolivia, der ersten Eisenbahnstrecke Boliviens, begonnen. Sie diente dazu, Rohstoffe wie Natriumnitrat und andere Salze, aber auch Metalle wie Kupfer, Silber und Gold aus den Minen im Landesinneren in die Hafenstädte am Pazifischen Ozean zu transportieren. Als die Bahnstrecke am Ende des 19. Jahrhunderts Uyuni erreichte, wurde in der Stadt ein Eisenbahnbetriebswerk errichtet. Uyuni entwickelte sich dadurch zu einem wichtigen Eisenbahnknoten. Etwa in den 1940er Jahren brach die örtliche Industrie zusammen, die meisten der Edelmetallminen wurden von den Betreibern aufgegeben. Dies führte dazu, dass auch die dafür angelegten Versorgungstraßen sowie die meisten der Lokomotiven und Wagen nicht mehr benötigt, stillgelegt und dem Verfall preisgegeben wurden. So entstand letztendlich dieser Eisenbahnfriedhof. Im Ortskern, der etwa 16 Kilometer nordöstlich gelegenen Minensiedlung Pulacayo existiert ein weiterer, kleinerer Eisenbahnfriedhof mit US-amerikanischen Lokomotiven. Ein Exemplar dort ist eine Dampflokomotive namens „La Unión“, die 1908 einen Zug zog, der von den Gesetzlosen Butch Cassidy und Sundance Kid ausgeraubt wurde. Und diesen beiden Kandidaten sind wir ja bereits in den USA begegnet und seltsamerweise kreuzen ihre Geschichten immer wieder unseren Weg (s. dazu Artikel „Der Wilde Westen #022“ und „Goodbye USA #027“).

Am Eisenbahnfriedhof treffen wir auch unsere amerikanische Freundin Shelly wieder, die mit ihrem Hund Franklin unterwegs ist. Unser Plan ist es die nächsten Tage gemeinsam weiterzureisen, wartet doch eine sehr anspruchsvolle nächste Etappe auf uns, da ist es durchaus hilfreich nicht alleine unterwegs zu sein. Aber heute nutzen wir erstmal noch die Gelegenheit, dass wir auf dem Parkplatz des Eisenbahnfriedhofs kostenfrei und sicher übernachten können. Auch das ein oder andere Kunstwerk gibt es hier zu begutachten…

Nachdem Shelly am nächsten Morgen alle Formalitäten für ihren Hund erledigt hat (immer wenn ein Grenzübergang ansteht, brauchen Hunde nämlich ein Zertifikat vom ortsansässigen Tierarzt), machen wir uns gegen Mittag auf, die Lagunenroute zu bestreiten. Die Lagunenroute ist eine Strecke von rund 239 Kilometern ungeteerter Buckelpiste, die durch wunderschöne Landschaften führt und somit zu einer der schönsten Strecken der Welt zählt. Zuvor hatten wir schon diverse Horrorstorys gehört, was diese Strecke alles beim Auto anrichtet und da Sprinti zwar vieles mitmacht, aber auch kein Offroad-Fahrzeug ist, haben wir schon überlegt, ob diese Strecke für uns überhaupt machbar ist oder nicht. Allerdings haben wir damals in Kanada auch den Dempster Highway zum Polarmeer gemeistert (zwar nicht ganz unbeschadet, aber siehe dazu Artikel „Reifenpanne auf dem Dempster Highway #014“), also schaffen wir das jetzt auch! Wir lassen etwas Luft aus Sprintis Reifen und auf geht’s!

Und die Lagunenroute hält was sie verspricht…die Straßenbedingungen sind unterirdisch und so kommen wir so manches Mal nur in Schrittgeschwindigkeit vorwärts, aber die Natur ist dafür traumhaft. So legen wir unseren ersten Stop an der „Laguna Negra“ ein, zu der wir einen kleinen Spaziergang zurücklegen, vorbei an unzähligen Lamas, die uns alle nur verdutzt anschauen. Auch begegnen wir einem Viscacha, einer soganannten „Hasenmaus“ aus der Gattung der Chinchillas.

Abends übernachten wir inmitten von Felsformationen, den „Rocas Volcanicas“, die sich ganz wunderbar in diese Landschaft einfügen und uns einen ganz besonderen Sonnenuntergang bescheren. Dafür pfeifft der Wind und nachts wird es eisig kalt. Wir sind auf 4200 Metern Höhe und erleben für diese Verhältnisse eine recht geruhsame Nacht.

Am nächsten Morgen geht es weiter und der Tag beginnt direkt mit einem sehr sandigen Abschnitt, den wir manchmal nur mit Schwung und Augen zu meistern. Aber es klappt! Wir wollen zur „Laguna Colorada“, aufgrund ihrer vielen Farben, eines der Highlights der Route. Für die nur knapp 25 Kilometer brauchen wir bei diesen Straßen tatsächlich wieder Stunden. Aus der Ferne können wir bereits die Farben der Lagune schimmern sehen, müssen uns aber geschlagen geben, ganz an sie heranzukommen. Dieser Teil der Strecke ist selbst für Shelly und ihren Ford Ranger mit Allrad zu viel. Wir fahren weiter und müssen zum Glück nicht umkehren, denn bergauf hätten wir diesen Rückweg wahrscheinlich mit all dem Sand nicht geschafft. Aber es führt uns ein anderer Weg heraus aus diesem Tal und damit funktioniert es.

Auch an weiteren Lagunen kommen wir vorbei…eine schöner als die andere…

Dann brechen wir Sprintis neuen Höhenrekord als wir die 4933 Meter erreichen. Lamas, Alpakas und Vikunjas säumen immer wieder unseren Weg und wir fragen uns erneut, wovon die sich eigentlich in dieser teils doch sehr kargen Landschaft ernähren. Wir erreichen das Geothermalgebiet „Sol de Mañana“, an dem es aus großen Löchern in der Erde brodelt und Schwefel-Dampf emporsteigt. Da es bereits dämmert, können wir nicht mehr weiterfahren und müssen die Nacht hier auf diesem Parkplatz verbringen. Außer uns ist niemand dort, so dass wir hier ungestört stehen können.

Allerdings befinden wir uns auf sage und schreibe 4800 Metern Höhe…für uns ein absoluter „Schlaf-Höhenrekord“. Auch hier pfeifft wieder der Wind und es ist kalt, so dass wir unser Abendessen mit Shelly und Franklin kurzerhand in unserem Sprinter zu uns nehmen. Nachts erreichen wir draußen Temperaturen von -8 Grad und in Sprinti wird es „warme“ 2,5 Grad. Aufgrund der Höhe können wir unsere Standheizung nicht nutzen, also ist es Zeit für Thermounterwäsche, Schlafsocken und jeder Menge Decken. Und damit funktioniert es ganz gut. Allerdings machen uns andere Dinge Sorgen. So hoffen wir doch, dass uns unser Wassersystem nicht einfriert. Vorsorglich haben wir uns extra Wasserflaschen aus dem Supermarkt besorgt, um nicht ohne Trinkwasser dazustehen….Geschäfte oder Tankstellen gibt es auf der gesamten Lagunenroute nämlich nicht. Sollten uns aber die Pumpe oder die Filter kaputtfrieren, haben wir ein ganz schönes Problem. Auch unser Kühlschrank und der Backofen verhalten sich unter diesen Bedingungen anders. Der Kühlschrank ist ausgelegt auf eine Raumtemperatur von mindestens 16 Grad. Jetzt gibt er, sobald er anspringt, laute Geräusche von sich, was sich nicht so gut anhört. Beim Backofen, den wir mit Gas betreiben, geht auf dieser Höhe ständig die Flamme aus, weil zu wenig Sauerstoff in der Luft ist. Vorm Schlafengehen nehmen wir vorsichtshalber eine Tablette gegen Höhenkrankheit, die zwar als Nebenwirkung für Kribbeln im Gesicht und in den Händen und Füßen sorgt, uns aber eine einigermaßen geruhsame Nacht bescherrt.

Am nächsten Morgen geht es für uns bereits um 7 Uhr weiter, denn wir wollen heute das Ende der Lagunenroute und die Grenze nach Chile erreichen. Unser Weg führt uns weiter über Waschbrettpisten, vorbei an schönen Lagunen mit unzähligen Flamingos. Auch ein kleiner Fuchs kreuzt in dieser zum Teil wieder kargen Landschaft unseren Weg, die uns manchmal durchaus glauben lässt, wir seien auf dem Mond oder gar auf dem Mars. Dann erreichen wir Thermalpools, in denen man auch ein heißes Bad zu sich nehmen kann, aber wir verzichten darauf und wollen lieber voran kommen.

Dann ändert sich die Landschaft ein wenig und wir kommen vorbei an der „Salvador Dali’s Desert“, eine Umgebung die Dali als Motiv für seine Bilder gedient hat. Aber die Landschaft ist auch wirklich malerisch, spiegeln sich die Berge doch in der Sonne und die Mineralien ergeben ein wunderschönes Farbenspiel…einfach toll und auf den Fotos gar nicht so richtig darstellbar.

Als letztes erreichen wir dann noch die „Laguna Blanca“ bevor wir sagen können…nach drei Tagen und 239 Kilometern haben wir die Lagunenroute gemeinsam mit Shelly und Franklin geschafft! Sprinti war von der Strecke bei weitem nicht begeistert, aber er hat sie mit Bravour gemeistert…yippieh! Auch wenn wir die ein oder andere Schraube im Innenraum nach diesem ganzen Geruckel wieder werden andrehen müssen!

Unmittelbar an der Lagunenroute, also irgendwo im Nirgendwo befindet sich plötzlich ein Gebäude…die bolivianische Aduana-Stelle, d.h. der Ort, an dem wir Sprinti abmelden müssen, wenn wir Bolivien verlassen wollen. Wir befinden uns unmittelbar an der Grenze zu Chile, also ist das unser Plan. Uns abmelden müssen wir dann an einem anderen Gebäude 5 km weiter.

Aber eins nach dem Anderen…als erstes Sprinti abmelden. Bei Shelly und ihrem Wagen ist das Prozedere nach fünf Minuten erledigt…nicht so bei uns! Der Grenzbeamte Manolo setzt ein verdutztes Gesicht auf als er in seinen PC schaut und schüttelt mit dem Kopf als er sagt, dass er keinen Vorgang unter unserer Vorgangsnummer (die auf dem entsprechenden Einfuhrdokument versehen ist) findet. Wie kann das sein? Wir haben Sprinti doch ordnungsgemäß an der Grenze im Norden Boliviens eingeführt und dann dieses Dokument erhalten. Haben wir doch diesen Grenzübertritt noch so gelobt, weil alles so schnell und unkompliziert funktioniert hat (s. dazu Artikel „Neue Abenteuer…dieses Mal aus Bolivien #068“). Nach einigen Telefonaten Manolos taucht Sprinti dann doch im System auf…jetzt allerdings mit zwei Einträgen. Es ist ersichtlich, dass Sprinti am besagten Tag die Grenze nach Bolivien übertreten hat…also alles richtig! Der zweite Eintrag besagt allerdings (angeblich), dass Sprinti am gleichen Tag abends wieder ausgereist ist und damit die letzten Wochen illegal mit uns im Land war…also alles gar nicht mehr richtig! Wie kann das sein? Anscheinend hat irgendeiner der Grenzbeamten im Norden den falschen Wagen bei einer Ausreise eines anderen Fahrzeugs abgemeldet…nämlich Sprinti! Also nicht unser Fehler, sondern von einer der Grenzbeamten. Das interessiert hier allerdings niemanden und Manolo schon mal gar nicht. Das Fahrzeug ist illegal im Land und fertig! Von anderen Reisenden, die Probleme an der Grenze hatten, haben wir gehört, dass sie zur Ursprungsgrenze zurückfahren mussten, um das Problem zu klären. Das wäre bei uns äußerst suboptimal, müssten wir doch zurück durch das ganze Land und das bedeutet auch zurück auf der Lagunenroute, die wir doch nur mit Mühe gemeistert haben. Das wollen wir Sprinti wirklich nicht nochmal antun. Wir fordern Manolo auf, mit der Grenze im Norden Kontakt aufzunehmen. Er bittet uns dafür in einen separaten Raum, in dem wir alleine mit ihm sind und wir ahnen, dass das nicht ohne Grund passiert. Manolo nimmt den Hörer zur Hand, wählt irgendeine Nummer, wartet bis auf der anderen Seite eine elektronische Ansage ertönt und legt dann wieder auf. Wir vermuten, dies war nicht die Nummer der anderen Grenzstation. Wir kommen uns extrem veräppelt vor und mein Geduldsfaden hat auch keine Lust mehr, aber unseren Unmut dürfen wir gegenüber Manolo nicht zeigen, droht er doch damit unseren Wagen zu kofiszieren, da er ja illegal im Land sei. Noch dazu ist Freitag Nachmittag und Manolo kann uns hier ohne weiteres auch übers Wochenende festhalten und uns auf Montag vertrösten. Dann ständen wir hier im Nichts ohne jegliche Infrastruktur und müssten einfach nur warten. Das ist ebenfalls so gar nicht unser Plan und so heißt es notgedrungen, dass wir die Füße stillhalten und gute Miene zum bösen Spiel machen müssen. Dann macht uns Manolo einen Vorschlag…er könne ein neues Dokument ausstellen, dass besagt, dass wir heute eingereist und auch wieder ausgereist sind. Damit wäre der Vorgang dann abgeschlossen und wir könnten nach Chile fahren. Das sei allerdings illegal und so müssten wir uns „erkenntlich zeigen“, was nicht anderes heißt als…er will Geld…Schmiergeld! Deshalb also der abgetrennte Raum!

In der Hoffnung, dass uns das an der chilenischen Grenze nicht zum Verhängnis wird, stimmen wir zu und Monolo erstellt das neue Dokument. Als wir dieses in den Händen halten, möchte Manolo Geld sehen. Ich ziehe ein wenig versteckt 300 Bolivianos (das entspricht in etwa 40 EUR) aus meinem Portemonaie und sage, das sei alles was wir noch übrig hätten. Schließlich wollen wir ja heute das Land verlassen, da hätten wir alles andere in dieser Währung schon ausgegeben. Manolo möchte mehr, aber ich bleibe hartnäckig. Damit muss er sich also geschlagen geben! Wir haben das Dokument und fertig! Jetzt heißt es nur noch reibungslos unseren Ausreisestempel für Bolivien zu erhalten und dann ohne weitere Zwischenfälle auch nach Chile einreisen zu können! Unsere Nerven sind noch immer zum Zerbersten gespannt, als wir wieder in Sprinti sitzen und die Schranke passieren dürfen. Auf geht es fünf Kilometer weiter durch das Nichts bis plötzlich ein weiteres einsames Gebäude auftaucht.

Alles ist verlassen, niemand ist dort. Wir klopfen und plötzlich erscheint dann doch ein Grenzbeamter, der unsere Pässe begutachtet. Nach nicht mal zwei Minuten haben wir unsere Ausreisestempel im Pass und sind damit aus Bolivien ausgereist…puh, das war ein hartes Stück Arbeit und spiegelt irgendwie auch unseren gesamten Aufenthalt der letzten beiden Länder wieder. Rückblickend haben uns Peru und Bolivien wirklich Nerven und Energie gekostet. Die schlechten Straßen, die Höhe, all der Müll, die oft fehlende oder schlechte Infrastruktur haben uns immer wieder vor neue Herausforderung gestellt und das Reisen zu einem recht kräftezehrenden Prozedere werden lassen. Da ist dieses Ereignis an der Aduana nur der krönende Abschluss. Wir hoffen nun mit Chile wieder etwas mehr Leichtigkeit und Reiselust zurückzubekommen, wo es Spaß macht, neue Dinge zu erkunden und die Welt zu entdecken.

Als erstes hoffen wir jetzt allerdings mal, dass wir nach unserem kleinen „Intermezzo“ mit Manolo heute überhaupt nach Chile einreisen dürfen…

Reiseberichte Bolivien

Neue Abenteuer…dieses Mal aus Bolivien (#068)

19. November 2023

– Und warum tanken hier durchaus eine Herausforderung ist –

Wir erreichen die Grenze nach Bolivien. Es ist Sonntag Nachmittag und an diesem Grenzübergang sind wir tatsächlich gerade die Einzigen, die Peru verlassen und Bolivien betreten wollen. So plauschen wir ein wenig mit den Grenzbeamten und erleben mit ca. 30 Minuten für die Ein- und Ausreise unseren bisher schnellsten und reibungslosesten Grenzübertritt…nicht ahnend, dass uns dieser noch zum Verhängnis werden kann.

Jetzt also auf in ein neues Land…das mittlerweile 14. auf unserer Reise! Bolivien hat rund 12,1 Millionen Einwohner, wo von ca. 50% der indigenen Bevölkerung angehören. Trotz hoher wirtschaftlicher Wachstumsraten von durchschnittlich 4,5% zwischen 2006 und 2019 gilt Bolivien noch immer als eins der ärmsten Länder Lateinamerikas. Zwar ist Bolivien reich an Bodenschätzen, aber vieles davon ist privatisiert und sowohl Firmen als auch Privatperson drücken sich davor Steuern zu zahlen. Außerdem leiden immer mehr kleinbäuerliche Familien sowie die indigene Bevölkerung unter Armut und Mangelernährung, denn durch den illegalen Bergbau und die Abholzung des Regenwalds für den Palmen-, Avocado- und Soja-Anbau verlieren sie ihre Lebensgrundlage. Viele von ihnen ziehen in die Städte, wo sie dann allerdings keine Arbeit finden. Die Lebenserwartung der Einwohner Boliviens lag 2021 bei 63,6 Jahren (Frauen: 66,8, Männer: 60,9).

Unsere erste Nacht verbringen wir in der Nähe der Grenze auf einem Parkplatz vor einem Militärgelände, auf dem wir sicher und ruhig stehen können. Am nächsten Tag geht es dann weiter und so erhalten wir einen ersten Eindruck von diesem für uns neuen Land. Wir erleben ein recht armes Bolivien, in dem uns tatsächlich viel an Peru erinnert. Auch hier stapeln sich Müllberge am Straßenrand, viele Straßen sind in einem desaströsen Zustand und alles scheint ein wenig chaotisch zu sein. Vor uns fährt ein LKW, der mit Ziegelsteinen beladen ist…diese sind allerdings ungesichert und so fallen ihm regelmäßig Steine von der Ladefläche auf die Straße…und das genau vor uns! Ein durchaus gefährliches Unterfangen, was hier aber niemanden zu interessieren scheint.

Dann erreichen wir die Hauptstadt La Paz (nach La Paz in Mexiko nun schon die zweite Stadt in der wir uns aufhalten mit diesem Namen). Wenn man es genau nimmt, hat Bolivien sogar zwei Hauptstädte. Die offizielle Hauptstadt Boliviens ist Sucre, der Sitz der Regierung befindet sich jedoch in La Paz, dessen Stadtgebiet auf Höhen zwischen 3200 m und 4100 m liegt. Damit gilt La Paz als der höchstgelegene Regierungssitz der Erde. Wir sind also immer noch in der Höhe unterwegs…und das nicht zu knapp! Unser Campingplatz („Las Lomas“) liegt zudem noch über den Dächern der Stadt auf einem der unzähligen Hügel, die La Paz umgeben. Dieser besagte Campingplatz gehört Marcos und seiner Familie, der uns zum einen sehr freundlich empfängt und zum anderen auch Mechaniker ist und sich mit Autos auskennt. Für Reisende ist das seeehhr praktisch und so treffen wir hier auf viele andere Weltenbummler. Weil einige davon bereits am nächsten Tag weiterziehen, sitzen wir am ersten Abend gemeinsam am Lagerfeuer und riesige T-Bone Steaks werden gegrillt. So hören wir wieder spannende Geschichten aus der ganzen Welt und verleben einen schönen Abend.

Am nächsten Tag stehen dann Wäsche waschen, Artikel schreiben und einige Erledigungen auf dem Programm, bevor am Folgetag Sprinti einmal von Marcos und Peter unter die Lupe genommen wird. Wir wollen mal genauer wissen, ob Sprinti die schlechten Straßen Perus und vor allen Dingen den riesen „Wumms“ vor kurzem (s. dazu Artikel Abenteuerliche Straßen, eine sehr heikle Brücke und ein ordentlicher „Wumms“ #065″) gut verkraftet hat. Glücklicherweise sieht alles soweit ganz gut aus…es wird nur mal Zeit für neue Bremsscheiben…alles klar Sprinti, die sollst Du haben!

Wir verbringen noch zwei weitere Tag in La Paz, in denen wir uns die Stadt mal etwas genauer anschauen. Mit einem dieser kleinen Busse, die hier Colectivos heißen und zu Hauf unterwegs sind, fahren wir in die Innenstadt. Es wird mal wieder Zeit für neue SIM-Karten, die wir hier glücklicherweise recht unkompliziert bekommen und auch ein Geldautomat wartet auf uns, läuft doch hier in Bolivien das meiste noch mit Bargeld ab. Aber auch das ist schnell erledigt. In La Paz gibt es ein ganzes Seilbahn-System, das über die Dächer der Stadt führt und somit ein wenig den Straßenverkehr entlastet. Und so schauen wir uns La Paz erstmal von oben an.

Wir schlendern noch ein wenig durch diese große wuselige Stadt, bis uns irgendwann der Hunger packt. Aus hygienischen Gründen (unser europäischer Magen kann vielleicht nicht ganz so viel ab) verzichten wir hier auf Speisen von Straßenständen und suchen uns daher ein Restaurant. Bei dem ersten werden wir abgewiesen, weil denen sämtliche Zutaten ausgegangen sind, aber dann entdecken wir ein niedliches kleines Restaurant, in dem wir essenstechnisch fündig werden. Als wir so da sitzen werden wir plötzlich von einer netten jungen Dame in sehr gutem Englisch angesprochen und kommen ein wenig ins Plaudern. Es stellt sich irgendwann heraus, dass Diana auch deutsch spricht und sich gerade ein Business aufbaut, indem sie Touren in ihrer Heimatstadt anbietet. Wir verabreden uns also für den nächsten Tag, um mit ihr La Paz noch einmal von einer anderen Seite kennenzulernen.

Gesagt, getan! Mit Diana laufen wir durch die engen und vollen Straßen der Stadt, vorbei an unzähligen Märkten und Verkaufsständen. Wir kommen vorbei am kleinsten und am schmalsten Haus der Stadt, die sich zufällig genau nebeneinander befinden. Außerdem schlendern wir vorbei am Parlamentsgebäude und besuchen die Galerie von dem bolivianischen Künstler Roberto Mamani Mamani. Diana zeigt uns zudem, wie Händler Diebe warnen die Finger von ihrer Ware zu lassen. Wenn sie es doch tun, passiert mit ihnen das (s. erstes Bild)…

Es ist Ende Oktober und so steht auch hier steht das Fest der Allerheiligen bevor. Im letzten Jahr haben wir den „Dia de los Muertos“ noch in Mexiko verbracht (s. dazu Artikel „Endlich Strand und der „Dia de los Muertos“…#029“). Hier ist es zwar nicht so bunt und es handelt sich weniger um ein freudiges Fest, aber auch hier gedenkt man den verstorbenen der Familie. So zeigt uns eine Dame auf dem Markt einen Stand, der zum Gedenken aufgebaut wurde. Es sieht aus wie ein Opferaltar, bei dem jede Menge Gebäck und Obst drappiert wurde. Verspeist werden dürfen diese erst nach dem Feiertag, um Unglück abzuwenden.

Dann erreichen wir einen belebten Platz inmitten der Stadt, an den auch ein Gefängnis grenzt. Diana erzählt uns, dass in diesem Gefängnis eigentlich nur Platz für 700 Gefangene ist, in ihm leben aber 3000. Die Inhaftierten „wohnen“ hier gemeinsam mit ihren Familien und müssen für ihre „Räumlichkeiten“ Miete bezahlen, umgerechnet etwa 3000 Euro pro Monat. Jetzt mag man sich fragen, woher sie so viel Geld besitzen…es gibt ja einen Grund, warum sie sich im Gefängnis befinden und schließlich sind wir in einem Land, in dem das Drogengeschäft eine nicht all zu kleine Rolle spielt. Die Tage hier laufen so ab, dass die Kinder die Schule, außerhalb des Gefängnisgeländes und ebenfalls an den belebten Plaz angrenzend, besuchen und auch die Frauen verlassen morgens das Areal, um außerhalb zur Arbeit zu gehen. Die Insassen hingegen, dürfen das Gefängnis ebenfalls für einige Stunden verlassen, wenn sie einen „wichtigen Grund“ vorweisen können und dafür bezahlen. Alles in allem ist das Leben für die Inhaftierten und ihre Familien also gar nicht sooo schlecht innerhalb der Gefängnismauern und vor allem ist es sicher. Und so kommt es nicht selten vor, dass die Gefangenen diese Räumlichkeiten gar nicht mehr verlassen wollen und „länger bleiben“ als geplant. Diana erzählt uns auch von einem britischen Staatsbürger aus Afrika stammend, der nach Bolivien kam und zum Drogenschmuggel überredet wurde…sein Name Thomas McFadden. Nach seinem dritten Einsatz wird er geschnappt und landet in eben diesem Gefängnis, was innerhalb der Mauern übrigens auch keine Wärter hat. Thomas merkt schnell, dass dieses kein gewöhnliches Gefängnis ist und als „eingefleischter Businessman“ überlegt er sich, dass diese Lokalität auch Touristen anlocken könnte. So bietet er kurzerhand Touristen an, sie durch das Gefängnis zu führen (sicherlich war dies nur möglich, in dem auch Gelder in gewisse Hände geflossen sind). Der Touristenandrang ist so groß, dass sich draußen auf dem Platz lange Schlangen bildeten und die Menschen stundenlang anstanden, um sich das Gebäude von innen anzuschauen. Also überlegte sich Thomas, dass doch Partys im Gefängnis wahrscheinlich auch gut funktionieren würden. Kurzerhand wird auch diese Idee in die Tat umgesetzt und so feierten Touristen und Inhaftierte gemeinsam ausschweifende Partys innerhalb der Gefängnismauern. Aber Thomas war mit seinen Ideen noch nicht am Ende und eröffnete zusätzlich ein Hostel, ebenfalls für Touristen, die mal ganz stilecht im Gefängnis übernachten wollen. Irgendwann verließ Thomas, nachdem er seinen Aufenthalt freiwillig bereits verlängert hatte, das Gefängnis und damit endeten auch diese „speziellen Geschäftsideen“ hier hinter diesen Mauern. Als ein australischer Journalist auf seiner Südamerikareise von dieser Geschichte hört, fasst er den Entschluss, über diese „Lokalität“ ein Buch zu schreiben. Und wo geht das besser als vor Ort? Also bat er das Gefängnis freiwillig für eine gewisse Zeit dort leben zu dürfen. Auch diesem wurde stattgegeben und so existiert heute ein Buch über diesen Ort und auch ein Film ist in Produktion. Wir kommen aus dem Schmunzeln nicht mehr heraus, als Diana uns diese wahre Geschichte erzählt…ja, dieses Bolivien!

Als nächstes gelangen wir zum „The Witches Market“, dem sogenannten Hexenmarkt, eine Straße, die sich durch ihre bunten Farben auszeichnet und in der es jede Menge traditionelle Handwerkskunst und Textilien zu kaufen gibt. Allerdings nicht nur das…so gibt es auch einige Mittelchen für oder gegen alles und zudem sehen wir viele kleine Alpaka-Babys, die von der Decke hängen und in der Auslage drappiert sind. Sie sehen aus wie niedliche Kuscheltiere…beim genauen Betrachten, wird allerdings deutlich, dass es sich um echte, tote Alpaka-Babys handelt, die von den Einheimischen als Opfergabe gekauft werden. Wenn ein besonderes Ereingnis ansteht, man für Schutz oder Erfolg bittet, baut man einen Schrein mit allen Dingen auf, die man sich wünscht und als Opfergabe dient dann dieses Alpaka-Junge. Auch wenn es interessant ist, in fremde Kulturen einzutauchen und sie näher kennenzulernen, so fühlt sich diese Vorgehensweise für uns doch sehr befremdlich an.

Aus den geplanten 2,5 werden fast 6 Stunden mit Diana, weil wir uns verquatschen, gemeinsam etwas essen gehen und uns an der ein oder anderen Stelle etwas mehr Zeit lassen, um diese Stadt zu erkunden. Und so kehren wir ziemlich geschafft zum Campingplatz zurück…im Gepäck einen total interessanten Einblick von dieser auf den ersten Blick gar nicht so bunten Stadt. Vielen Dank dafür, liebe Diana! (Wer auch mal eine Tour bei Diana buchen möchte, hier findet Ihr die entsprechenden Kontaktdaten.)

Dann verlassen wir La Paz wieder. Unser Plan ist es, in die „zweite“ Hauptstadt Boliviens, nach Sucre zu fahren. Die Stadt soll wunderschön sein, allerdings bedeutet sie für uns auch einen Umweg von rund acht Stunden. Als wir dann wieder auf den schlechten Straßen Boliviens unterwegs sind, entscheiden wir uns spontan um, lassen Sucre aus und machen uns direkt auf den Weg Richtung Süden. Noch dazu kommt in diesem Land, dass sich die Benzinbeschaffung durchaus abenteuerlich gestaltet. Der Sprit wird nämlich vom Staat subventioniert…das natürlich nur für die Einheimischen und nicht für die Touristen. Die Touristen erhalten also einen separaten, viel höheren Preis (der allerdings immer noch niedriger ist als der Spritpreis in Deutschland). Viele Tankstellen haben allerdings keine Lust, das Benzin anders abzurechnen und verkaufen schlichtweg keinen Sprit an Touristen. So ist es nicht selten, dass man vier, fünf oder mehr Tankstellen anfahren muss, um fündig zu werden…wenn man überhaupt etwas bekommt. Bei der doch recht schlechten Infrastruktur im Land, ist das durchaus eine Herausforderung und man sollte definitiv nicht auf den letzten Drücker versuchen zu tanken! Da das Benzin zudem noch von sehr schlechter Qualität ist, haben wir uns nach unserer kleinen“Flugstunde“ mit Sprinti vor kurzem einen neuen Kanister besorgt und ihn mit peruanischen Sprit hinten im Auto. Damit kommen wir allerdings nur etwa 100 Kilometer weit und in Sachen Sicherheit ist das sicherlich auch nicht optimal, befindet sich der Kanister doch innerhalb unseres Wagens. Dann allerdings wird es auch bei uns Zeit…wir müssen tanken. Wir erreichen den etwas größeren Ort Oruro, der mehrere Tankstellen haben sollen…Google hilft hier übrigns nur bedingt weiter, weil es schlichtweg nicht gepflegt wird und somit stimmen oft weder Ortsangaben noch Öffnungszeiten. Die Straßen sind wie sehr oft ungeteert und alles ist staubig, so dass wir die Fenster nicht öffnen können und dennoch findet der Staub seinen Weg durch gefühlt jede Ritze. An den Tanstellen bilden sich lange Schlange, weil gerade der Diesel momentan knapp ist, jetzt brauchen wir mit Sprinti glücklicherweise Benzin, aber den gibt man uns nicht. Erst an der vierten Tankstelle haben wir Glück und erhalten zwar qualitativ sehr schlechten Sprit (sorry Sprinti!), aber immerhin wird unser Tank gefüllt, als wir „sin factura“ anbieten und sagen, wir würden es „zu schätzen“ wissen, was bedeutet, dass das ganze inoffiziell abgerechnet wird. Das wiederum heißt, dass wir bar bezahlen und unser Preis zwar niedriger ist als der Touristenpreis, aber dennoch höher als der für die Einheimischen. Die Differenz steckt sich der Tankwart ein…ja, dieses Bolivien!

Unser Weg führt uns weiter Richtung Süden. Wir fahren durch die Wüste und so manche Windhose peitscht Unmengen an Sand und Staub über die Straße. Dann ändert sich die Landschaft plötzlich erneut und wird ein wenig grüner. Kurz vor der Dämmerung erreichen wir schließlich einen Aussichtspunkt etwas abgelegen der Straße, an dem wir sicher und kostenfrei stehen können. Zwar pfeifft der Wind auch hier auf dieser Anhöhe ordentlich, aber dafür werden wir am nächsten Morgen von einer Herde Lamas begrüßt, die hier den Weg kreuzen. Und auch Vikunjas sind nicht weit.

An diesem Tag erreichen wir einen besonderen Ort…die Salar de Uyuni, die größte Salzwüste der Erde…

…aber davon erzähle ich Euch dann beim nächsten Mal mehr.

Wir senden die liebsten Grüße in die Heimat!

Reiseberichte Peru

Lima, ein wackeliger Flug und die älteste Siedlung Amerikas (#066)

29. Oktober 2023

– Und dazu ein paar Pisco Sour –

Unser Weg führt uns weiter Richtung Süden in die Stadt Huaraz und auf unserem Campingplatz (Marian Wahi) treffen wir erneut bekannte Gesichter…das ist mittlerweile echt an der Tagesordnung. Da wir dringend neue SIM-Karten benötigen, machen wir uns mit dem Colectivo auf in die Stadt. Ein Colectivo ist hier eine Mischung aus kleinem Bus und großem Taxi, die hier zu hauf umherfahren und Leute einsammeln. Diese Colectivos sind wirklich ein Fall für sich…meist pfeiffen die Autos selbst aus dem letzten Loch, sie halten wenn sie halten…es gibt nicht immer eine Haltestelle (manchmal reicht es auch einfach am Straßenrand die Hand zu heben) und neben dem Fahrer arbeitet meist eine weitere Person im Fahrzeug, die die Schiebetür schon aufreißt, wenn der Wagen noch nicht steht, das Geld einsammelt und alles im Griff zu haben scheint. In den Colectivos sitzt man meist dicht gedrängt, so wie auch wir an diesem Nachmittag, dafür zahlen wir aber auch nur wenige Soles und sind innerhalb kürzester Zeit an unserem Ziel.

Allerdings ist unser SIM-Karten-Kauf an diesem Tag wenig erfolgreich…schickt man uns doch bei sieben Geschäften des Handyanbieters wieder weg, weil man dort nur SIM-Karten auflädt, nicht aber neue verkauft…so lernt man südamerikanische Geduld…zugegebenermaßen ist meine Lernkurve da noch ausbaufähig.

Dann machen wir einen Abstecher durch die Markthallen, die immer ein reges Treiben versprechen. Auch hier gibt es wieder alles…von Lebensmitteln bis hin zu Damen an ihren Nähmaschinen, die einem textiltechnisch alles reparieren können. Wir werden hier tatsächlich fündig für neue Nähnadeln, die wir seit geraumer Zeit nicht in normalen Geschäften gefunden haben. Wenn schon keine SIM-Karte, dann wenigstens Nadeln! Es ist mal wieder interessant zu sehen, wie hier das Leben so abläuft. Wie die Frauen in ihrer traditionellen Kleidung mit den hohen Hüten alles in bunt verzierten Tüchern auf dem Rücken transportieren und wie die Menschen ihren Alltag gestalten. Die Hygienemaßnahmen auf diesen Märkten sind für uns meist ein wenig gewöhnungsbedürftig, wenn z.B. das Fleisch ungekühlt auf der Theke liegt oder Hunde das Tierblut vom Boden lecken. Wir entscheiden uns an diesem Tag lieber für einen Abstecher in ein Restaurant…in der Hoffnung, dass in deren Küche andere Gegebenheiten herrschen.

Am nächsten Tag geht es für uns auch schon weiter…wir fahren nach Caral, der ältesten bekannten Stadtsiedlung auf dem amerikanischen Kontinent. Wir fahren zurück aus den Bergen Richtung Küste und schon auf dem Weg verändert sich die Landschaft. So liegt Caral an der einen Seite umgeben von Sanddünen und an der anderen Seite schlängelt sich ein grünes Flußbett.

Die Siedlung Caral wird auf die Zeit 2500-2000 Jahre v. Chr. datiert und ist daher mit knapp 4500 Jahren nach Mesopotamien die erste Siedlung weltweit. Das schauen wir uns also mal genauer an! Gemeinsam mit unserem Guide laufen wir über die Anlage und bestaunen die alten Pyramiden. Im Jahr 1905 war der deutsche Archäologe Max Uhle der erste Forscher, der das Caral-Tal untersuchte und erst seit dem Jahr 1994 erforscht die peruanische Archäologin Ruth Shady Solís das Caral-Tal. Daher liegt noch so vieles aus der alten Geschichte im Verborgenen und gibt weiterhin Rätsel auf. Ruth Shady Solís vermutet, dass die Küstengebiete durch das Wetterphänomen El Niño regelmäßig von verheerenden Überschwemmungen heimgesucht und die Einwohner hierdurch in das Wüstengebiet getrieben wurden. Das gesamte Tal ist von Bewässerungskanälen durchzogen und ermöglichte so den Anbau von Kürbis, Bohnen und anderem Gemüse. Getreidesamen wurden bislang nicht ermittelt, dafür aber Baumwollsamen, die zur Herstellung von Fischernetzen benötigt wurden. Weil Caral nur ca. 25 km von der Küste entfernt lag, wurden als Nahrungsmittel Meeresfische verwendet. Wahrscheinlich tauschten die Bewohner von Caral die Fische gegen von ihnen hergestellte Netze aus Baumwolle ein. Bei den Ausgrabungen fanden sich auch Fischgräten, Schneckenhäuser und Muscheln von Tieren, die auch im Amazonasgebiet vorkommen. Auch Überreste des Annattostrauchs und Cocasamen wurden gefunden, daraus schloss Shady Solís auf weitverzweigte Handelsverbindungen Carals bis in den Andenraum. Die Einwohnerzahl von Caral war eher gering, sie wird auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung mit ungefähr 1.000 geschätzt und man vermutet, dass die Besiedlung der Stadt etwa um 1600 v. Chr. endete. Die genauen Gründe hierfür sind derzeit noch nicht bekannt.

Wir hatten zuvor gelesen, dass man auf dem Parkplatz der historischen Stätte kostenfrei übernachten kann, wenn man dem Wachposten Bescheid gibt. So bleiben wir als der Parkplatz sich leert und die Sonne hinter den Bergen verschwindet. Ein Wachposten taucht allerdings nicht auf. Und so übernachten wir hier mutterseelenallein vor den Toren der ältesten Siedlung Amerikas.

Die Nacht ist ruhig und frisch, aber wir sind gut ausgestattet, so dass uns die Kälte nichts anhaben kann. Und wenn am nächsten Morgen, die aus dem Kühlschrank kommende Butter einfach nicht weich werden möchte, muss man sich halt anders behelfen…

Unser Weg führt uns an diesem Tag weiter durch das Tal von Caral. Über eine Stunde lang fahren wir durch diese wüstenartige Hügellandschaft und das einzige, was zu sehen ist, ist eine riesengroße Hühnerfahrm, bei der sich hunderte Gebäude durch das gesamte Tal schlängeln.

Dann erreichen wir Lima, die Hauptstadt Perus. Lima ist mit Abstand die größte Stadt des Landes, in der ca. 8,5 Mio. Menschen leben (10,4 Mio. im Ballungsraum). Und diese Massen bekommen wir auch direkt zu spüren, läuft der Straßenverkehr doch ein wenig chaotisch ab…ohne eine funktionierende Hupe läuft hier mal wieder gar nichts!

Unser erster Weg führt uns zu einem deutschen Country Club, denn dort dürfen deutsche Camper ein paar Tage kostenfrei auf deren Mitgliederparkplatz übernachten. Dieser Country Club ist bereits als „Turnverein Germania“ im Jahre 1863 von Deutschen gegründet worden, um sich zu treffen, Kontakte zu knüpfen und gemeinsam Sport zu treiben. So gehört zu der gesamten Anlage unter anderem ein 50 Meter langes Schwimmbad, Fußball- und Tennisplätze, ein Fitnessraum, Kursangebote, eine Kita und sogar noch eine typisch deutsche Kegelbahn…und das alles mitten in der Stadt. Unser erster Anlaufpunkt ist Willi, ein Deutsch-Peruaner, der in Deutschland aufgewachsen und nun Vorstandsvorsitzender dieses Country Clubs ist. Schnell bittet uns Willi in sein Büro und wir kommen ins Gespräçh. Voller Leidenschaft erzählt er uns von der Geschichte des Clubs, von Peru, von Lima und seiner Familie und zieht uns damit voll in seinen Bann. Drei Stunden und einen Pisco (berühmter peruanischer Traubenschnaps) später, sind wir bestens informiert und haben richtig Lust Lima zu erkunden.

Am nächsten Morgen geht es dann los…mit im Gepäck Willis Liste mit den Sehenswürdigkeiten schlechthin samt den ältesen Bars und dem besten Pisco Sour der Stadt. Wir erkunden die historische Altstadt Limas, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört und uns mit ihren Gebäuden ein wenig an Mexiko City erinnert. Viele Häuser sind mit aufwendigen Balkonen verziert. Natürlich wollten die Menschen auch früher das Treiben auf den Straßen beobachten, aber nicht jeder durfte sehen, was im Gabäude vor sich ging. Je dichter also die Holzverkleidung und je weniger einsehbar der Balkon samt Haus war, desto geheimer waren die Dinge, die sich dort abgespielt haben. Aha, so ist das also! Wir besichtigen unter anderem auch den Hauptplatz Limas, der an diesem Tag aus irgendeinem politischen Grund abgesperrt ist und finden uns plötzlich in der Kathedrale in dem Saal wieder, in dem 1821 die Unabhängigkeit Perus von Spanien unterzeichnet wurde.

Das Wetter ist an diesem Tag nicht das Allerbeste, scheint in Lima doch während der gesamten Regenzeit durchschnittlich nur an zwei Tagen die Sonne und so kommen unsere Zwischenstopps in den Bars gerade recht. So kehren wir ein im „Hotel Maury“, das die älteste Bar der Stadt beherbergt. Bereits das Ambiente versetzt uns in eine andere Zeit und wir können den Flair des 19. und frühen 20. Jahrhunderts spüren. Ein netter alter Herr, der zu Fuß nicht mehr ganz so gut unterwegs ist und wahrscheinlich auch so manch eine Geschichte aus dem Nähkästchen erzählen kann, bedient uns und glaubt mir…dieser Barkeeper versteht sein Handwerk! Wir testen uns durch den „Pisco Sour“, ein Cocktail aus dem Traubenschaps Pisco, Zitronen- oder Limettensaft, Zuckersirup und Eiklar und den „Algarrobina“, ebenfalls ein traditionell perunanischer Cocktail aus Pisco, Johannisbrot, Kondensmilch, Eigelb (optional) und Zimt. Letzterer hat einen schokoladigen Touch und schmeckt mir daher besonders gut.

Auch der zweiten Bar, die Willi uns empfohlen hat, statten wir einen Besuch ab, handelt es sich doch um das „Gran Hotel Bolivar“, das erste moderne Hotelgebäude der Stadt, eingeweiht 1924. In der dazugehörigen Bar saßen bereits Charles de Gaulle, Richard Nixon, Robert Kennedy, Ernest Hemingway oder Ava Gardner. Letztere tanzte barfuß und von zu viel Pisco Sour angeheitert auf der Theke und wurde letztendlich von einem angeblich nüchternen John Wayne zurück aufs Zimmer gebracht. Diesem Herren begegnen wir auf unserer Reise ja auch nicht zum ersten Mal… (s. dazu Artikel „Auf den Spuren von John Wayne #035“). Und auch hier testen wir uns weiter durch die „Pisco-Karte“, aber keine Angst, zum Tanz auf der Theke kam es an diesem Nachmittag von unserer Seite aus nicht! 🙂

Am nächsten Tag stehen für uns noch ein paar Erledigungen in Lima an, so machen wir einen Abstecher in eine Einkaufsmall und zum Baumarkt, füllen unseren Kühlschrank mal wieder auf, erhalten nach mehreren Systemabstürzen im Handyladen endlich unsere peruanischen SIM-Karten und decken uns mit dem Höhenmedikament „Dexametasona 4mg“ ein, das uns Willi empfohlen hat. Abends gehen wir noch einmal ganz traditionell peruanisch essen und verschätzen uns ein wenig bei der Größe der Portionen…

Dann verlassen wir Lima und machen uns weiter auf den Weg die Küste entlang Richtung Huacachina. Der Ort liegt in einer Oase, umgeben von unzähligen Sanddünen, die mit ihrer Höhe von ca. 100 Metern zu den höchsten des Landes zählen. Direkt an den Dünen finden wir einen kleinen Campingplatz („Ecocamp Huacachina“)…sehr praktisch! Da wir ja wieder an der Küste sind, ist es vorbei mit den kalten Temperaturen der Anden und so stapfen wir in der Sonne die Dünen hoch…und ja, es ist seeeeehhhrr anstrengend! Es werden hier auch typische Touristentouren angeboten, bei denen man mit Offroad-Fahrzeugen durch die Dünen heizt oder mit dem Sandboard die Dünen wieder herunterrutscht. „Nix“ für uns, wir stapfen hoch und so manches Mal frage ich mich mit trockener Kehle: „Warum eigentlich?“ Dann sind wir oben und genießen den Ausblick auf die Oase. So ist es dann doch schön 🙂 !

Herunter geht es dann natürlich wieder ganz fix, auch wenn der Sand in jeder Pore unseres Körpers steckt. Wie gut, dass es an unserem Campingplatz eine Dusche und einen Pool gibt. Letzeres mitsamt einer Bar, bei der man das Getränk gleich im Wasser verzehren kann. Das ist definitiv eine gute Belohnung für die Kraxelei!

Auch am nächsten Tag machen wir uns wieder auf den Weg, es geht nach Nazca…ein Ort bzw. eine Umgebung, die für ihre sogenannten „Nazca-Linen“ bekannt ist. Dies sind über 1500 riesige, nur aus der Luft und von umliegenden Hügeln aus erkennbare Bodenlinen, sogenannte Geoglyphen, bennant nach der unweit der Ebene liegenden Stadt Nazca. Als Urheber der Linien gelten die Paracas-Kultur und die Nazca-Kultur in der Zeit von 800-200 v. Chr. Die Nazca-Ebene zeigt auf einer Fläche von 500 km² schnurgerade, bis zu 20 km lange Linien, Dreiecke und trapezförmige Flächen sowie Figuren mit einer Größe von etwa zehn bis mehreren hundert Metern, z. B. Abbilder von Menschen, Affen, Vögeln und Walen. Oft sind die figurbildenden Linien nur wenige Zentimeter tief. Durch die enorme Größe sind sie nur aus großer Entfernung zu erkennen, von den Hügeln in der Umgebung oder aus Flugzeugen. Alles klar, das schauen wir uns doch einmal an! Direkt an der Straße liegt ein hoher Turm, von dem aus man schon die ersten Figuren ganz gut erkennen kann.

Dann geht es zum nahegelegenen Campingplatz („Nazca Lodge“), bei dem wir auch zufällig Manfred und Susanne aus Deutschland wiedertreffen, die wir bei unserem ersten peruanischen Stellplatz am Strand kennengelernt haben. Auch an diesem Platz hier lässt es sich sehr gut aushalten und der Besitzer Enrique und seine Familie empfangen uns mit offenen Armen. Beim Thema Nazca-Linien ist Enrique zudem voll in seinem Element und so vermittelt er uns eine Tour mit einem Propeller-Flugzeug für den nächsten Tag, um die Linien aus der Luft noch besser bewundern zu können. Gesagt, getan! Am nächsten Morgen sind wir schon früh auf den Beinen und erhalten erstmal eine private einstündige Info-Veranstaltung von Enrique, der uns mit voller Leidenschaft von seiner Heimat und den Linien erzählt. Es ist tatsächlich bewunderswert, wie diese Linien und Bilder fast 2800 Jahre, trotz aller der Witterungsverhältnisse, überdauern konnten und erst in den 1920er Jahren entdeckt wurden. Wie die Menschen damals diese komplexen und symetrischen Figuren in dieser Größenordnung mit denen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln kreieren und herstellen konnten, ist tatsächlich enorm. Nachdem uns ein Shuttle (der Fahrer hat übrigens einen sehr besonderen Fahrstil) vom Campingplatz abgeholt hat, erreichen wir einen kleinen Flughafen, der anscheinend nur dazu dient, Touristen über die Linien zu fliegen.

Mit zwei Piloten und drei weiteren Touristen besteigen wir die Maschine…dann heben wir ab und ich muss sagen, dieses wackelige Gefühl ist durchaus gewöhnungsbedürftig. Normalerweise machen Peter und mir weder eine unruhige See noch ein paar Luftlöcher magentechnisch etwas aus, an diesem Morgen allerdings haben wir beide ganz schön viel damit zu tun, uns abzulenken, wenn unser Frühstück sich die Nazca-Linien nicht auch aus der Nähe anschauen soll. Dadurch, dass jeder Passagier die Figuren gut erkennen können soll, fliegen wir so manche extra Schleife. Hinter mir sitzt eine junge Touristen, die zuvor noch fleißig vor der Propeller-Maschine für Fotos gepost hat und jetzt aber hinter ihrem Sitz nicht mehr hervorkommt, weil ihr so schlecht ist. Ok, wir konzentrieren uns mal auf die Linien! Wir fliegen hinweg über eine wirklich schöne Landschaft und können die Linien von oben gut erkennen, was dieses geschichtliche Ereignis noch unglaublicher macht. Auch sehen wir von oben den Turm, auf dem wir am Vortag gestanden und die ersten Figuren erblickt haben. Nach rund 40 Minuten haben wir dann wieder festen Boden unter den Füßen und Peter und ich sind durchaus froh darüber…die Dame im Sitz hinter mir, glaub ich auch! Zu guter Letzt können wir ein weiteres Zertifikat zu unserer Sammlung hinzufügen (s. dazu Artikel „Wir sind im Goldrausch #015“). 🙂

Zurück am Campingplatz brauchen wir erstmal eine Weile, um uns magentechnisch wieder zu akklimatisieren. Dann irgendwann können wir Pool, etwas zu essen und den ein oder anderen Pisco-Cocktail wieder genießen!

Und auch am nächsten Tag geht es wieder für uns weiter.

Wohin?

Seid gespannt!

Reiseberichte Ecuador

Von Wachspalmen, Kaffeeplantagen und einem zu tiefen Graben (#061)

10. September 2023

– Weitere Abenteuer aus Kolumbien –

Nachdem wir die Stadt Medellin verlassen haben, fahren wir weiter Richtung Süden. Nach ca. 134 Kilometern, was hier in Kolumbien gleich um die vier Stunden Fahrt bedeutet, erreichen wir das kleine Bergstädtchen Jardin. Jardin hat etwa 15.000 Einwohner und ist nur wenig touristisch. Alles wirkt sehr ursprünglich und traditionell. Von der Bauweise der Häuser erinnert es uns ein wenig an den Ort Barichara, den wir hier vor kurzer Zeit besucht haben (mehr dazu findest Du unter „Kolumbien…was ein schönes Land #059“) und was mittlerweile ca. 620 Kilometer (direkter Weg) hinter uns liegt.

Gemeinsam mit Zach, Rhuta und Shelly fahren wir zu unserem herausgesuchten Campingplatz, um dann schnell festzustellen, dass die Einfahrt für uns schlichtweg zu klein ist. Kurzerhand überlegen wir uns auf einem Parkplatz vor einer Lagerhalle, was zu tun ist, als wir an der Halle das Schild „Nespresso“ entdecken. Ja, mittlerweile befinden wir uns in DER Kaffeeregion Kolumbiens!

Kolumbien ist eines der traditionsreichsten und größten Kaffeeanbauländer weltweit. 1723 wurde Arabica-Kaffee von den Jesuiten nach Kolumbien gebracht und bis heute wird aufgrund der guten Anbaubedingung auch ausschließlich Arabica-Kaffee angepflanzt. Momentan liegt Kolumbien bei der Kaffeeproduktion weltweit an dritter Stelle (nach Brasilien und Vietnam), was daran liegt, dass die Produktion in Kolumbien von 2008 bis 2012 rückläufig war. Grund für den Rückgang war einerseits die Kaffeerost-Krankheit und andererseits die generell sinkende Produktivität, was vermutlich an den Folgen der Klimaerwärmung liegt. Seit 2013 steigen die Exporte allerdings wieder merkbar an. Es wird geschätzt, dass Kaffee derzeit die Haupteinnahmequelle für 500.000 Menschen in Kolumbien darstellt. Das Spannende an Kolumbien ist, dass die Landschaft und die Klimazonen, aufgrund der hohen Berge und den Ausläufern der Anden, sehr unterschiedlich ist, so dass es viele Kaffeeernte-Zonen mit ganz unterschiedlichen Geschmacksprofilen gibt. Und jetzt stehen wir tatsächlich hier in Kolumbien vor einem Nespresso-Lager, wo man doch sonst nur den fertig abgepackten Kaffee im Laden kennt.

Aber ich schweife ab. Wo waren wir stehengeblieben? Ach ja, wir brauchen einen Stellplatz für die Nacht! Wir bekommen einen Tipp für einen weiteren Campingplatz (ecoaventurax) am anderen Ende des Ortes…und der ist tatsächlich perfekt! Wir stehen auf einer großen Wiese mit Blick auf die Berge und Kaffeeplantagen und auch die sanitären Anlagen sind sauber und gepflegt. Noch dazu sind wir die einzigen Gäste, was ebenfalls sehr angenehm ist. Hier lässt es sich also aushalten!

In den letzten Tagen ist uns aufgefallen, dass der Druck unserer Wasserpumpe im Wagen immer weiter abnimmt…mittlerweile tröpfelt es nur noch. Alle bisher getätigten Maßnahmen waren nicht erfolgreich, also nutzen wir hier die Zeit und bauen eine neue Wasserpumpe ein. Glücklicherweise haben wir bei unserem Heimaturlaub im Mai (s. dazu Artikel „Heimaturlaub #052“) eine Neue aus Deutschland mitgebracht. Eingebaut haben wir die alte Pumpe damals vor gut drei Jahren. Wenn man überlegt, dass so eine Pumpe im „normalen“ Betrieb, bei dem man vielleicht vier Wochen im Jahr mit dem Fahrzeug im Urlaub unterwegs ist, gut 10 Jahre hält, so hat sie bei unserem tagtäglichen Betrieb die 10 Jahre quasi schon lange überschritten. Da wir unser Wasser nicht nur zum Spülen und Waschen, sondern auch zum Trinken (dank dreier Wasserfilter) nutzen, sind wir ohne funktionierende Wassserpumpe natürlich aufgeschmissen. Peter, der schlaue Fuchs, hat also gut mitgedacht und vorsorglich eine Ersatzpumpe aus Deutschland mitgebracht. Und was kann ich sagen? „Läuft!“ 🙂

Am nächsten Tag machen Peter und ich uns auf, das Städtchen und die Umgebung zu erkunden. Wir laufen in den niedlichen Ortskern und treffen dort zufällig die beiden Holländer Emmy und Anton wieder, die sich ihre Reise mit Freiwilligenarbeit finanzieren und die zuletzt auf unserem Campingplatz Guaimaro in Barichara gearbeitet haben. Mittlerweile treffen wir echt überall uns bekannte Menschen wieder. Hatte ich bereits erwähnt, dass die Reisewelt wirklich klein ist?!

Nachdem wir Jardin erkundet haben, machen wir uns auf und wandern in die umliegenden Berge. Wir befinden uns mittlerweile eh auf einer Höhe von ca. 1750 m über dem Meeresspiegel, da wird die Luft schon ein wenig dünner, was sich beim recht steilen Aufstieg durchaus bemerkbar macht. Aber wir genießen die Natur und die Ruhe und laufen inmitten von Bananen- und Kaffeeplantagen, vorbei an Limetten- und Mandarinenbäumen. Dabei erhalten wir eine immer bessere Aussicht auf das Tal und das Städtchen Jardin. Jardin bedeutet übrigens Garten…was passender nicht sein könnte! Auch kommen wir vorbei an kleinen Wasserfällen und bekommen Gesellschaft von einem freilaufenden Pferd…immer mal was Neues!

Dann erreichen wir ein kleines Häuschen, bei dem Getränke angeboten werden. Wir legen einen Zwischenstopp ein und entdecken dann, welch fantastische Aussicht man von hier oben hat. Umgeben von Schmetterlingen und umherfliegenden Kolibris sitzen wir auf der Terrasse und schauen bei unserem Kaltgetränk ins wunderschöne Tal und auf die dahinterliegenden Berge. Einfach toll! Kolumbien, was bist Du doch für ein schönes Fleckchen Erde!

Am folgenden Tag ziehen wir mit unserem „Colombian Convoy“, bestehend aus Zach und Rhuta in ihrem Toyota Tacoma, Shelly mit ihrem Hund Franklin in ihrem Ford Ranger und wir mit unserem Sprinti, weiter. Es kommt uns vor als ob wir an diesem Tag die ganze Welt bereisen, kommen wir doch an Orten wie Armenien, Montenegro, Sevilla, Verdun, Andalusien und Florida vorbei.

Dann aber erreichen wir das Cocora Tal, was für seine Wachspalmen bekannt ist. Die Quindio-Wachspalme wurde 1801 von Alexander von Humboldt entdeckt und ist in Kolumbien heimisch. Sie gilt als höchste Palmenart der Welt, denn die Stämme erreichen Wuchshöhen von 15 bis 50 Metern mit einem Durchmesser von 20 bis 40 Zentimetern. Die Quindio-Wachspalme hat ein sehr langsames Wachstum und kann mehrere hundert Jahre alt werden. Seit 1985 ist sie übringes der Nationalbaum Kolumbiens.

Ja und genau da wollen wir hin!

Wir erwischen einen zu einem Restaurant (das an diesem Tag im Übrigen keinen Strom hat) gehörenden Campingplatz (Donde Juan B Bosques de Cocora) inmitten von Wachpalmen und sind erneut die einzigen Campinggäste. Die Aussicht ist mal wieder herrlich!

Peter und ich machen uns am nächsten Tag auf, uns diese Wachspalmen mal genauer anzuschauen. Also rauf auf die Berge! Mittlerweile befinden wir uns auf einer Höhe von ca. 2500 m über dem Meeresspiegel, was körperliche Anstrengungen nicht unbedingt einfacher macht. Dann galoppiert plötzlich auch noch wie aus dem Nichts eine Herde Wildpferde an uns vorbei…alles klar, lasst Euch von uns nicht aufhalten! An verschiedenen Aussichtspunkten, an denen wir definitv nicht die Einzigen sind, die ein Foto von der spektakulären Aussicht erhaschen wollen, machen wir Halt. Als wir an einem gerade einen Zwischenstopp einlegen, um ein wenig Luft zu schnappen, kreist plötzlich ein riesiger Kondor über uns.

Kondore, genauer gesagt „Andenkondore“, sind mit bis zu 15 Kilogramm die schwersten Greifvögel und zählen zu den wenigen Vögeln, deren Spannweite über 300 Zentimeter betragen kann. Die Art ist in der Andenregion Südamerikas von Venezuela bis Feuerland verbreitet. Im Norden dieses großen, sich in Nord-Süd-Richtung über 8000 Kilometer erstreckenden Gebietes sind die Vorkommen gering, regional auch völlig erloschen, nach Süden hin wird die Art häufiger. Die IUCN schätzt den Gesamtbestand auf etwa 6.700 erwachsene Vögel und listet die Art als gefährdet. Vor allem durch intensive Bejagung seit der spanischen Conquista hat der Bestand der Art stark abgenommen. Insbesondere in den nördlichen Andenstaaten ist der Andenkondor weitgehend verschwunden oder nur mehr in kleinen, voneinander isolierten Restbeständen existent. Wie wir erfahren, gibt es in ganz Kolumbien nur noch 70 Exemplare dieser Art. Und einer davon kreist nun über uns, wobei das Kreisen eher einem majestätischen durch die Luft gleiten ähnelt.

Das rundet unseren Trip doch schön ab! Als wir von unserer Wanderung zurückkehren, gibt es erstmal einen heißen Kakao und ein Stückchen Kuchen in unserem Restaurant am Campingplatz (yippieh, der Strom dort ist auch wieder da!). Das haben wir uns jetzt auch verdient 🙂 ! Irgendwann fängt es an zu regnen und so ziehen wir uns in Sprinti zurück, gucken Serie und lassen den Tag dann noch ganz gemütlich ausklingen.

Dann geht es für uns weiter Richtung Süden (Kolumbien ist aber auch einfach ein riesiges Land!). Die Landschaft ändert sich ein wenig…es wird trockener und nun werden Unmengen an Zuckerrohr angebaut.

Kurz vor der Stadt Popayan haben wir uns einen kleinen Campingplatz herausgesucht. Als wir dort ankommen, sagt man uns allerdings harsch, dass wir nicht bleiben dürfen und drei knurrende und laut bellende Hunde machen erst kurz vor uns halt. Das hat uns nun gerade noch gefehlt! Nach einem langen Fahrtag mit schlechten Straßen, viel Verkehr und wieder einmal viel zu vielen neuen Eindrücken, wollen wir eigentlich nur noch ankommen und unser Lager aufschlagen. Also heißt es nun weiterfahren! Dann erhaschen wir in der IOverlander-App doch noch einen Platz (Villa Lolita) nicht all zu weit entfernt. Wir haben Glück, dort dürfen wir bleiben! Wenn auch gleich der Platz ein wenig anders ist, als wir uns das vorgestellt haben. Wir stehen mit unseren Fahrzeugen bei einer Familie schlichtweg im Garten. Links davon befindet sich ein kleines Toilettenhäuschen samt Dusche…kalt natürlich, aber mittlerweile sind wir abgehärtet. Wir werden von der Familie feundlich begrüßt und mit offenen Armen empfangen.

Am nächsten Morgen werden wir von Hundegebell (es gibt hier in Kolumbien übrigens unwahrscheinlich viele deutsche Schäferhunde) und Hahnengekrähe geweckt, aber auch das ist seit Mexiko Standard. Nach einer kalten Dusche sind wir topfit um weiterzufahren als Olga mit einem vollen Tablett selbstgemachter kolumbianischer Kekse und frischgepresstem Mangosaft aus dem Haus kommt und uns freudestrahlend einen guten Morgen wünscht. Sie bittet uns in ihr Gästebuch zu schreiben, denn Deutsche waren hier noch nie. Das machen wir doch gerne, liebe Olga!

Auch dieser Tag wird wieder ein langer Fahrtag…aber wir sind ja gestärkt von Olgas Verpflegung 🙂 ! Am späten Nachmittag sind wir allerdings froh, als wir unseren Stellplatz für diese Nacht erreichen. Leider befindet sich dieser direkt an einer viel befahrenen Straße und ist lediglich ein Parkplatz, der zu einem Hostal (Hostal Padua) gehört. Egal, wir machen es uns schön…holen unsere Lichterkette heraus, fahren unsere Markisen aus und machen uns mit Shelly, Zach und Rhuta unser eigenes kleines Camp an diesem Abend auf. Die Besitzer sind schon ganz nervös, soll doch am nächsten Tag der 80. Geburtstag der Oma hier stattfinden. Also wird bis in den späten Abend alles geschmückt und tonnenweise Luftballons werden aufgeblasen. Auch die steile Einfahrt ist mit Wimpeln geschmückt, die wir mit Sprinti fast abgerissen hätten, wäre der Besitzer beim Einfahren nicht zur Hilfe geeilt und hätte sie hochgehalten.

Um die Feierlichkeiten nicht zu stören, machen wir uns am nächsten Morgen früh wieder auf den Weg. Shelly ist mit Franklin eh schon früh auf den Beinen, hat sie doch einen Termin beim Tierarzt, um für Franklin alle erforderlichen Unterlagen ausgestellt zu bekommen…denn unsere nächste Grenze steht bereits unmittelbar bevor.

Ecuador wartet auf uns…oder vielleicht doch nicht?

Es ist der 19.08.2023 und am nächsten Tag sollen die Präsidentschaftwahlen in Ecuador stattfinden. Wenn man betrachtet, dass erst vor einigen Tagen ein Präsidentschaftskandidat, der den Kartellen im Land den Kampf angesagt hat, schlichtweg erschossen wurde, ein durchaus heikles Thema. Da wir nicht wissen, ob die Wahl also eventuell für weitere Eskalationen in Ecuador sorgen wird, entscheiden wir uns die Wahl abzuwarten und noch ein paar Tage länger in Kolumbien zu bleiben.

Daher ist es für uns heute nur ein sehr kurzer Fahrtag, hin zu einem Platz in der Nähe mit hoffentlich ein wenig mehr Ruhe. So legen wir nur einen Stopp am Supermarkt ein und freuen uns dann auf einen angenehmen Chill-Tag.

Wir sich Pläne manchmal doch innerhalb von kürzester Zeit ändern können! Gemeinsam mit Zach und Rhuta (Shelly ist mit Franklin noch beim Tierarzt), stehen wir vor einer sehr steilen ungepflasterten Auffahrt zu unserem nächsten Stellplatz (Villa Margarita). Per WhatsApp erfahren wir, dass die Besitzer Jose Fernando und Diana erst in einer Stunde zurück sind. Also warten wir mitsamt unserer Autos unten am seitlichen Rand der ebenfalls ungeteerten Straße. Dann endlich sind sie da und wir können die steile Auffahrt hochfahren. Wir setzen zurück…und dann passiert es! Das Auto von Zach und Rhuta rutscht seitlich in den kaum ersichtlichen, aber dennoch sehr tiefen Graben. Sie stecken fest! Es geht nichts mehr! Schnell holt Jose Fernando sein Auto (ein kleiner SUV) und versucht sie mit der Winsch (Schleppwinde) herauszuziehen. Doch Zachs Truck ist einfach zu schwer und rutscht weiter ab. Mittlerweile hängt der Wagen in einem ca. 20 Grad Winkel im Graben und liegt nur noch mit dem Differential unten auf dem Boden auf. Dies bohrt sich gefährlich in den harten Untergrund. Mit Sprinti haben wir ebenfalls keine Chance den Truck herauszuziehen. Für dieses Gewicht ist er definitiv nicht ausgelegt. Wir brauchen Shelly mit ihrem schweren Ford! Glücklicherweise ist sie 15 Minuten später da.

Mittlerweile kommen immer mehr Menschen an dieser, wie wir dachten, doch recht abgelegenen Straße vorbei und wollen helfen oder einfach nur die Straße passieren. Alle haben irgendwelche Ideen, die letztendlich nicht den gewünschten Erfolg bringen oder sich schlichtweg nicht umsetzen lassen. Die Stimmung ist zum zerbersten gespannt…besonders bei Zach und Rhuta, die schon befürchten, ihre Reise sei hier und jetzt beendet. Trägt das Differential derzeit doch das gesamte Gewicht des Wagens und wenn das zerstört wird, bewegt sich „Pete“, wie sie ihren Wagen nennen, danach keinen Zentimeter mehr. Dann war es das wohl mit der Weiterreise auf der Panamericana! Wir brauchen also ganz schnell eine Lösung! Wir haben die Hoffnung, dass Shelly den Wagen seitlich hochziehen kann, während Jose Fernando von vorne zieht. Aber vergebens! Das Differential gräbt sich immer weiter in den Boden ein, die Räder bekommen keinen Halt. Wir brauchen etwas, was den Wagen hochhebt…wir brauchen einen Kran! Plötzlich kennt jemand von den umherstehenden Einheimischen jemanden mit einem Kran. 30 Minuten später ist er da. Allerdings sieht dieser Kran hier ein wenig anders aus als erwartet…

Dann heißt es Schwerstarbeit für Kran und Fahrzeug…die Winsch qualmt, der Motor heult auf und der Wagen bewegt sich so sehr auf die Seite, dass ich Bedenken habe, der Kran liegt gleich neben Pete im Graben. Nach dem Hochheben kommt das nach hinten Herausziehen. Der Kran ist auch dabei so überfordert, dass bei seinem Wagen die beiden Vorderräder in der Luft stehen und es fühlt sich mal wieder wie bei der „Versteckten Kamera“ an. Das glaubt einem doch kein Mensch, was sich an diesem Nachmittag hier im Süden Kolumbiens so abspielt!

Aber es funktioniert…Zach und Rhutas Truck erhebt sich aus dem Graben und findet seinen Weg zurück auf die Straße. Das Differential bleibt heile, allerdings ist die Eisenhalterung für das Ersatzrad hinten am Fahrzeug komplett verbogen. Daran sieht man, welche Kräfte dort gewirkt haben.

Nach über drei Stunden ist es also geschafft und wir erreichen dann doch noch unseren Platz bei Diana und Jose Fernando. Es handelt sich überraschenderweise wieder um einen Garten eines Privathauses…nur dieses Mal ist es noch ein wenig enger…erst Recht, als tagsdrauf Anne und Christian (van.we.bike), zwei deutsche Reisende, die von Süd nach Nord unterwegs sind, eintreffen. Wir sitzen bei einem netten Grillabend zusammen und tauschen uns über unsere bisherigen Reiseerlebnisse aus. Besonders interessant ist es von Reisenden zu hören, die die Panamericana von der Gegenrichtung befahren. So wird das ein richtig schöner Abend und wir senden auf diesem Weg liebe Grüße an die Beiden!

Dann verabschieden wir uns kurzzeitig von Zach und Rhuta, die noch einen Tag länger bleiben, um die Halterung des Ersatzreifens wieder repariert zu bekommen…Jose Fernando kennt da wen. Gemeinsam mit Shelly und Franklin machen wir uns im „Zweier-Konvoy“ auf den Weg Richtung Grenze. Allerdings legen wir vorher noch einen Abstecher ein…Las Lajas (s. dazu auch unsere Route)! Hierbei handelt es sich um eine imposante Kirche, die mitten in eine Schlucht gebaut wurde. Wir halten an einem Parkplatz der Teleférico, zu deutsch „Seilbahn“, denn hier dürfen wir auch übernachten. Sehr praktisch!

Gemeinsam mit Shelly und Franklin steigen wir in die Seilbahn und fahren durch die Berge in das Tal. Wir kommen vorbei an einem Wasserfall und sehen wie die Menschen hier auf den Feldern per Hand das Gemüse ernten. Dann sehen wir aus der Ferne die Basilika. Das Gebäude ist echt atemberaubend, wie es da so aus der Schlucht emporsteigt. Das Santuario de Nuestra Señora de las Lajas ist eine römisch-katholische Pilgerstätte zu Ehren der Marienanrufung Nuestra Señora de las Lajas, einer auf einen Stein gemalten Rosenkranzmadonna. Dort angekommen, erkunden wir das Areal und bringen unsere Handykameras zum Glühen.

Zurück geht es dann ebenfalls per Seilbahn. Bei Sprinti und Dolly (so nennt Shelly ihr Fahrzeug) angekommen, ist auf dem Parkplatz kaum noch etwas los. Ein paar Schafe grasen noch dort, als plötzlich eine Fahranfängerin mit ihrem Freund um die Ecke kommt und anscheinend ihre Fahrkünste ein wenig verbessern möchte. Von „Fahrkünsten“ zu sprechen ist eventuell ein wenig zu hochgegriffen. Sagen wir mal so…der Nachbar bringt irgendwann seine Schafe in Sicherheit und wir haben bei so manchem Einparkmanöver auf dieser großen Wiese Angst um Dolly und Sprinti. Dazu sei gesagt, dass man bis vor wenigen Jahren in Kolumbien weder eine Theorie- noch eine Praxisprüfung benötigte, um seine Fahrerlaubnis zu erhalten, sondern sie lediglich gegen eine Bearbeitungsgebühr beim Amt kaufen konnte. Als die Dunkelheit eintritt, hat allerdings auch das Fahrtraining ein Ende und so lassen wir auch diesen Abend ganz ruhig ausklingen.

Denn am nächsten Morgen geht es schon früh weiter…wir erreichen Ecuador!

Reiseberichte Kolumbien

Medellin, die einst gefährlichste Stadt der Welt (#060)

3. September 2023

– Und warum das Drogengeschäft in Kolumbien immer noch eine große Rolle spielt –

Wir sind auf dem Weg nach Medellin (s. dazu auch unsere Route) und auf den Straßen begegnet uns mal wieder so einiges…von freilaufenden Pferden, die sich ganz doll lieb haben bis hin zu auf das Autodach geschnallte Schnittblumen…alles dabei!

Dann erreichen wir Medellin, die mit mehr als 2,6 Millionen Einwohnern (4,2 Mio. Einwohner in der Metropolregion) zweitgrößte Stadt Kolumbiens. Die Stadt ist aufgrund ihres ganzjährig sonnigen und warmen Klimas als „Stadt des ewigen Frühlings“ bekannt. Viele Jahre galt Medellin allerdings auch als gefährlichste Stadt der Welt. Die Statistik berichtet von mehr als 45.000 Tötungsdelikten im Zeitraum 1990–1999. Erst nachdem paramilitärische Milizen vertrieben und Ende 2003 auch entwaffnet wurden, sank die Zahl drastisch von 6.658 Fällen (1991) auf 778 Fälle (2004) und lag somit unter dem Durchschnitt anderer lateinamerikanischer Großstädte. Medellin erreichte seinen niedrigsten Stand an Morden im August 2007 und gilt heute tatsächlich als eine Vorzeigestadt Lateinamerikas. Gründe hierfür sind die erfolgreiche Integration der zuvor schwer zugänglichen städtischen Randbezirke, deren Anschluss an die Stadt mit preiswertem kommunalen Nahverkehr und Seilbahnen sichergestellt wurde, die Stärkung von Kunst, Kultur und Sport im öffentlichen Raum sowie breite Investitionen in Bildung und Hochschulen. 2012 wurde Medellin daher vom Wall Street Journal zur innovativsten Stadt der Welt ernannt.

Gemeinsam mit unseren amerikanischen Freunden Rhuta, Zach und Shelly fahren wir zu einem Campingplatz ein wenig außerhalb der Stadt. Hier werden wir von gleich acht Hunden begrüßt und die nächsten Tage stehen voll unter dem Motto: „Vorsicht, Tretminen!“ Nichtsdestotrotz können wir hier mal wieder Wäsche waschen, das ein oder andere erledigen und für Euch Artikel schreiben…Gesellschaft haben wir dabei immer!

Auf dem Platz treffen wir zufällig auch Franzi und Kay wieder, die wir zuletzt in Mexiko getroffen haben…ja, die Reisewelt ist klein! Abends wärmen wir uns am Lagerfeuer auf, denn es ist tatsächlich kalt geworden. Wir befinden uns noch immer in den Anden und mittlerweile auf einer Höhe von ca. 1600 m über dem Meeresspiegel. Da kommt so ein Feuerchen am Abend gerade recht!

Dann machen wir uns endlich auf auch die Stadt zu erkunden. Unweit unseres Campingplatzes startet eine Seilbahn, die uns bis mitten in die Innenstadt bringt…sehr praktisch und die Aussicht ist einfach der Hammer!

Nach der Seilbahn geht es noch kurz in die Metro und dann sind wir auch schon mittendrin im Geschehen. Als erstes erreichen wir den „Plaza Botero“, ein Platz mit 23 Skulpturen des Künstlers Fernando Botero. Wir finden, die ein oder andere ist ja ganz nett anzuschauen, der Rest ist dann wohl eher Geschmackssache. Wir schlendern weiter…durch diese bunte volle Stadt, die so voller Leben steckt und uns mit ihren vielen Eindrücken so manches Mal ein wenig überfordert.

Gemeinsam mit Shelly machen wir uns dann auf den Weg in den Stadtteil San Javier (Comuna 13). Über Jahre hinweg war die Comuna 13 Kriegsgebiet, in dem wechselnde Parteien um die Oberhand kämpften. Mit dem Terrorregime von Drogenkönig Pablo Escobar tobte in Medellin und ganz Kolumbien ein Bürgerkrieg zwischen Sicherheitskräften, rechten Paramilitärs und der linken Farc-Guerilla. Die Comuna 13 zählte mit rund 43,5 Einwohnern auf 1000 m² zu dem am dichtesten besiedelten Gebiet der Stadt Medellin. Die gesamte Anzahl der Bewohner in der Comuna liegt wahrscheinlich jedoch wesentlich höher, da nicht alle Personen amtlich gemeldet sind und registriert wurden. Auf einer Fläche von rund 7 km², die sich überwiegend an steilen Hängen befindet, lebten 2017, zum größten Teil in ärmlichen Verhältnissen, 161.000 Menschen. Heute zeichnet sich dieses Viertel durch seine Kunst und Kultur aus. Beeindruckende Graffitis zieren die Wände und kolumbianische Musik säumt die Straßen. Hier mal ein kleiner Eindruck…

Um in diesem Viertel die unterschiedlichen Höhenlagen einfach überwinden zu können, gibt es seit 2011 eine Riesen-Freiluftrolltreppe. Die Anlage mit einer gesamten Rolltreppenlänge von 348 Metern, die in sechs Abschnitte unterteilt ist, überwindet einen Höhenunterschied von umgerechnet rund 28 Stockwerken. Diese Rolltreppe nehmen wir doch dankend an und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Überall sind kleine Läden und Bars, hier wird tatsächlich jeder Quadratzentimeter genutzt und alles ist bunt, bunt und nochmals bunt.

Oben angekommen haben wir eine tolle Sicht über das Viertel und die gesamte Stadt. Der Wandel ist schon enorm, wenn man sich überlegt, wie viel Gewalt und welche Tragödien sich noch in den 90er-Jahren auf diesen Straßen abgespielt haben müssen und was für ein buntes und reges Treiben nun hier stattfindet. Wir legen einen Zwischenstopp in einer Bar ein, bei der wir über den Dächern der Stadt ein lokales Bierchen und die Aussicht genießen. Schnell kommen wir dabei auch mit Einheimischen ins Gespräch.

Nach einer schönen, aber auch recht wuseligen Zeit in Medellin geht es für uns weiter. Dabei kommen wir an den Häusern des Clans von Pablo Escobar, dem bekanntesten Drogenbaron der Welt, vorbei. Vielleicht ist dem ein oder anderen von Euch der Name ja ein Begriff. Pablo Emilio Escobar Gaviria (auch „El Doctor“, „El Patrón“ oder „Don Pablo“ genannt, * 1. Dezember 1949 in Rionegro; † 2. Dezember 1993 in Medellin) war ein kolumbianischer Drogenbaron, Drogenschmuggler und Terrorist. Durch groß angelegten und erstmals in der Kriminalgeschichte industrialisierten Drogenhandel, wurde er als Oberhaupt des sogenannten Medellín-Kartells zu einem der reichsten Menschen und auch der bisher mächtigsten und brutalsten Drogenbarone der Welt. Escobars Persönlichkeit und sein Verhalten zeichneten sich dabei stets durch Grausamkeit und Skrupellosigkeit aus, die ihn schnell an die Spitze des Medellín-Kartells brachten.

Mitte der 1970er-Jahre wurde der Marimba-Marihuanahandel durch die Modedroge Kokain abgelöst. Pioniere in diesem neuen Boom-Geschäft waren Escobar, die Ochoa-Brüder, Carlos Lehder und José Rodriguez Gacha. Der intelligente und geschäftstüchtige Escobar erkannte als einer der ersten allerdings das enorme wirtschaftliche Potential des Kokainhandels und begann damit, neuartige Vertriebsstrukturen aufzubauen, so daß diese Ware die Endabnehmer in den Vereinigten Staaten erreichen konnte.

Escobar nutzte diese ungeahnten Verdienstmöglichkeiten für seinen gesellschaftlichen Aufstieg und baute in den 1970er-Jahren ein riesiges Drogenimperium auf. Während seiner besten Jahre soll er bis zu 1,5 Millionen US-Dollar am Tag verdient haben und war als „der“ Drogenbaron Kolumbiens bekannt. Im Widerstand gegen ein von der kolumbianischen Regierung beabsichtigtes Gesetz zur Auslieferung von Drogenhändlern an die USA, führte Escobar an der Spitze der Los Extraditables („Die Auslieferbaren“) einen regelrechten Krieg gegen den Staat. Er ließ Hunderte von Polizisten, Richtern und Staatsanwälten ermorden und überzog die Hauptstadt Bogotá mit Bombenterror. Zahlreiche Entführungen von Angehörigen des öffentlichen Lebens in Kolumbien, häufig mit tödlichem Ausgang, gingen auf Escobars Konto.

Escobar war allerdings auch sozial engagiert. Er finanzierte Krankenhäuser, Sozialwohnungen und Schulen und genoss daher unter dem ärmsten Teil der Bevölkerung seiner Heimatstadt Medellin zum Teil sogar einen guten Ruf. Das Fußballstadion seines Heimatvereins in Envigado wurde mit seinen Geldern erbaut. Escobar gründete in Medellin Büro- und Apartmentkomplexe, Diskotheken und zahlreiche Restaurants, noch heute sind seine Spuren sichtbar.

Escobar starb, als eine US-amerikanisch-kolumbianische Elite-Einheit ihn 1993 bei einer Razzia in Medellin erschoss. Er hatte aus seinem Versteck heraus mit seinem Sohn telefoniert, wobei die Ermittler den Anruf zurückverfolgen konnten. An Escobars Beerdigung nahmen damals über 20.000 Menschen teil.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, was ist seitdem passiert? Gibt es in Kolumbien noch immer diesen immensen Drogenhandel, die Kartelle und unsagbare Gewalt? Die Antwort ist: „Ja, sicherlich!“ Haben wir als Touristen davon etwas mitbekommen? Nein!

Heutzutage werden 50-60% der gesamten Wirtschaftsleistung Kolumbiens tatsächlich durch den Drogenhandel erzielt. Auch große Unternehmen und Banken sind durch Geldwäsche etc. in diese Geschäfte verwickelt. Zwar wird jede/r Kolumbianer/in ab 18 Jahren mindestens einmal in seinem Leben von den Kartellen angesprochen, ob er/sie nicht für die Kartelle arbeiten möchte, aber dennoch ist ein wenig Frieden in den Alltag der Menschen hier eingekehrt. Ein Taxifahrer erklärt uns, dass man als „normaler“ Bürger ohne Angst und Schrecken leben kann, weil man von den Kartellen in Ruhe gelassen wird. Kolumbien ist seit den 90er-Jahren sicherer geworden und die Lebensqualität ist drastisch gestiegen.

Auch für uns als Tourist fühlt es sich so an. Wir erleben ein wunderschönes Kolumbien mit freundlichen Menschen, die sich, manchmal auch mit einfachen Mitteln, ihr Leben schön gestalten. Die Kolumbianer lieben es übrigens Billard zu spielen und Fahrrad oder Mountainbike zu fahren. Wir haben uns in diesem Land zu jedem Zeitpunkt sicher gefühlt ohne dabei leichtsinnig zu sein.

Immer mal wieder kommen wir auf der Straße auch an Polizeikontrollen vorbei (wie übrigens in den vorherigen Ländern auch), wurden in Kolumbien allerdings nie angehalten. Oft war das Fahrzeug vor oder hinter uns an der Reihe, wir glücklicherweise nicht. Vielleicht deshalb, weil man uns auch in Kolumbien oft für einen öffentlichen Bus hält, die ähnlich wie in Mittelamerika meist weiße Sprinter sind…sehr schön! Apropos Fahrzeug…hier in Kolumbien gibt es übrigens einige Mautstraßen. Wenn wir an den Stationen halten, schauen die Damen und Herren am Schalter gerne auf Sprintis „Hinterteil“. Wir sagen dann „sencilla“, was bedeutet, dass Sprinti hinten nur einfache Bereifung hat und wir somit nur Maut für einen PKW zahlen müssen. Viele der Sprinter-Busse haben nämlich Doppelbereifung und zahlen daher mehr. Ebenfalls sehr schön!

Wenn man all das nun mal zusammenfasst, können wir sagen, dass Kolumbien seine dunkelste Vergangenheit hinter sich gelassen hat, auch wenn es heute sicherlich noch Probleme im Land gibt. Allerdings läuft das Drogengeschäft auch nur so gut, weil es Abnehmer gibt und die sitzen vornehmlich in den USA und in Europa. Wir reden hier also nicht von einer kolumbianischen oder südamerikanischen Problematik, sondern von einer weltweiten. Und es beginnt bei uns vor der Tür…auch in Deutschland!

Wir können Kolumbien, dieses wunderschöne Land, als Urlaubsziel nur empfehlen und würden es jederzeit wieder bereisen.

In der nächsten Woche erfahrt Ihr dann wie unsere Reise weitergeht und was wir ansonsten noch so erleben…in Kolumbien!

Reiseberichte Kolumbien

Ein neues Kapitel beginnt…Südamerika! (#057)

6. August 2023

– Auch Sprinti erreicht den neuen Kontinent –

Da sind wir nun…in Südamerika…genauer gesagt in Kolumbien! Und damit beginnt ein neues Kapitel unserer Reise. Seit nunmehr 15 Monaten sind Peter und ich mit Sprinti unterwegs. Hinter uns liegen 53.695 Kilometer und 10 Länder. Wir haben den nordamerikanischen Kontinent nicht nur von Nord nach Süd, sondern auch von Ost nach West durchquert, haben unsere Füße ins Polarmeer gehalten, waren am Atlantik und am Golf von Mexiko, sind im Pazifik mit Walhaien geschnorchelt und in der Karibik mit Haien getaucht, sind bei 50 Knoten Wind über das offene Meer gesegelt, haben bei 8 Grad gefroren und bei fast 40 Grad geschwitzt. Jeden Tag galt es andere Herausforderungen zu meistern und sich auf neue Gegebenheiten einzustellen. Immer mit dabei…Sprinti! Unser 10 Jahre alter Mercedes Sprinter, der zwar überhaupt keine Lust auf das US-amerikanische Benzin hatte, sich aber ansonsten mehr als bewährt hat.

Vielen Dank auch an Euch „Mitreisende“, die jede Woche treu die neuesten Artikel lesen und jeden „“Pedena-Sonntag“ abfeiern. Wie toll, dass Ihr mit uns auf Reisen seid, wo auch immer in der Welt Ihr Euch gerade aufhaltet. Seitdem wir mit diesem Blog im Mai 2022 gestartet sind, gab es bereits rund 15.000 Aufrufe, was uns sehr freut und auch ein wenig stolz macht, war er doch als kleiner Blog für Familie und Freunde gestartet. Umso mehr Spaß macht es uns, all unsere Reiseerlebnisse auch weiterhin für Euch festzuhallten. Vielen lieben Dank also für Eure Treue und wir freuen uns, wenn Ihr auch weiter mit dabei seid…denn es gibt noch sooo viel zu erkunden!

Nun also ein neuer Kontinent! Südamerika ist der südliche Teil des amerikanischen Doppelkontinents, hat eine Bevölkerungszahl von über 441 Millionen Menschen und ist mit einer Fläche von 17.843.000 km² die viertgrößte kontinentale Landfläche der Erde. Diese gilt es nun für uns zu entdecken!

Nachdem Peter und ich mit dem Segelboot von Panama nach Kolumbien gereist sind (näheres zu unserer abenteuerlichen Fahrt findest Du unter „Ein Segelboot, ein Sturm und wir mittendrin #056“), warten wir nun auf Sprinti, der uns mit dem Containerschiff (auch das haben wir schriftlich unter „Wie kommen wir nach Südamerika? #055“ festgehalten) dicht auf den Fersen ist…hoffentlich!

Sprinti befindet sich in einem Container auf dem Schiff „Crystal A“

Zuerst gilt es aber noch auf die Ankunft Sprintis zu warten. Cartagena ist allerdings ein interessantes Städtchen, mit einer schönen Altstadt und so nutzen wir die Zeit, um schon mal einen ersten Eindruck von Kolumbien zu gewinnen. Wir wohnen in einem kleinen Hotel inmitten der Altstadt, bei dem Fenster und Türen durchaus ein gewisses Spaltmaß aufweisen, was dadurch aber auch seinen ganz eigenen Charme versprüht.

Am ersten Abend treffen wir uns mit unserer Segelcrew, da uns u.a. eins noch fehlt…unsere Reisepässe, denn um die Einreisestempel für Kolumbien hat sich unser Kapitän Yonatan gekümmert. So verleben wir einen schönen Abend zusammen und sind sofort positiv überrascht vom abendlichen Treiben in Cartagenas Altstadt. Es ist voll, es ist bunt und aus jeder Ecke ertönt Musik. Noch dazu ist es der Vorabend zu einem Feiertag…dem Unabhängigkeitstag Kolumbiens. Bei so vielen Farben und Motiven komme ich aus dem Fotografieren gar nicht mehr heraus…

In den folgenden Tagen erkunden wir weiter die Stadt. Cartagena hat ca. 1 Mio. Einwohner (1,4 Mio. in der Metropolregion) und ist benannt nach dem spanischen Cartagena. Die Stadt wurde im Zuge der Kolonialisierung Südamerikas am 1. Juni 1533 von Pedro de Heredia gegründet. Cartagena gilt in der Geschichte als eine der ersten spanischen Stadtgründungen im Norden Südamerikas und erlebte ein schnelles Wachstum als wichtiger Hafen für die Schifffahrt des Kontinents. Cartagena war somit auch eine wichtige Zwischenstation der spanischen Silberflotte, die zweimal jährlich von Sevilla (Spanien) hierher kam, um spanische Waren wie Waffen, Rüstungen, Werkzeuge, Textilien und Pferde zu vermarkten und um viele Schätze wie Gold, Silber, Perlen und Edelsteine aus Kolumbien mitzunehmen. Auch die niederländischen und englischen Sklavenschiffe, soweit sie überhaupt in spanische Häfen in Amerika einlaufen durften, mussten in Cartagena einen Stopp einlegen. Aus diesem Grund wurde die Stadt häufig von Piraten attackiert und geplündert.

Auch tagsüber versprüht Cartagena mit seinen alten Gebäuden, den vielen Straßenhändlern und bunten Wandmalereien seinen Charme. Allerdings ist es unsagbar heiß, so dass es im Freien kaum auszuhalten ist und schätzungsweise jedes Gebäude mit einer Klimaanlage ausgestattet ist.

Dann bekommen wir die Nachricht, dass das Containerschiff „Crystal A“ samt Sprinti (hoffentlich) in den Hafen von Cartagena eingelaufen ist. Die Abfahrt aus Panama City hatte sich nämlich ein wenig verzögert…womöglich ja auch aufgrund des Sturmes, den wir auf unserem Segeltrip ja voll mitgenommen haben. Ist ja vielleicht auch besser so, fallen doch jährlich um die 10.000 Container vom Schiff ins Meer. Das brauchen wir nun nicht unbedingt…dann also schon lieber so! Bevor wir Sprinti wiederbekommen, muss allerdings noch so einiges an Formalitäten für Zoll, Versicherung etc. geregelt werden und somit dürfen wir derzeit noch nicht aufs Hafengelände. Es ist Freitag und so hoffen wir, dass bereits am Montag dieser ganze Prozess starten kann.

Allerdings sind wir dann aber doch ein wenig neugierig und so machen wir uns auf den Weg zumindest in Richtung Hafen, um aus der Ferne vielleicht die Crystal A erspähen zu können…mit Erfolg! Zusätzlich entdecken wir, wie weitere Kriegsschiffe und große Segelyachten in den Hafen von Cartagena einlaufen, da an diesem Wochenende die Zweihundertjahrfeier der Marine stattfindet.

Wir nutzen die Tage des Wartens zudem, um uns mit unseren Reisefreunden Judith und Arthur (YODA travels) und unserem Container-Buddy Martin, die wir bereits alle aus Panama kennen und die nun ebenfalls auf ihr Fahrzeug warten, zu treffen und verleben einen sehr schönen Abend zusammen.

Und während wir so den Sonntag Abend mit Martin, Judith und Arthur genießen, erhalten wir plötzlich die Nachricht, dass es am Montag Morgen losgeht…der Container mit unseren beiden Fahrzeugen (von Martin und uns) wird geöffnet!

Also geht es am Montag Morgen für Peter und Martin auf zum Hafen. Ich halte währenddessen Stellung im Hotel, weil immer nur der Fahrzeughalter auf das Hafengelände darf. Im Hafen treffen sie auch auf Shelly und Zach, deren Fahrzeuge zeitgleich in Panama mit Sprinti in den Container verfrachtet wurden und die nun auch zur Öffnung ihres Containers kommen. Ausgestattet mit Warnweste, Helm und Zugangsausweis geht es ab aufs Hafengelände.

Nachdem die jeweiligen Plomben an den Containern geöffnet, die Spanngurte gelöst und die Blöcke entfernt sind, ist es an der Zeit Sprinti nach 12 Tagen aus dem Container zu „befreien“…

Allerdings dürfen wir Sprinti an diesem Tag noch nicht mitnehmen, weil erst noch weitere Formalitäten erledigt werden müssen. Aber wir können zumindest schon mal auf die Schnelle Sprintis Reifen wieder aufpumpen, die bei der Einfahrt ja bis auf 0,5 bar abgelassen wurden, damit der Wagen überhaupt in den Container passt. Dann wird Sprinti, wie die Fahrzeuge der Anderen auch, vor dem Container geparkt, wir müssen den Schlüssel an den Hafenmitarbeiter übergeben (der hoffentlich gut darauf aufpasst) und dann ist für diesen Tag am Hafen auch schon alles erledigt. Peter muss das Hafengelände vorerst also ohne Sprinti wieder verlassen.

Nachmittags geht es dann für Peter zum Zoll, wo die Dokumente unterschrieben und verglichen werden. Danach heißt es für uns „weiter warten“.

Zwei Tage später ist es dann endlich soweit! Wir checken früh am Morgen aus dem Hotel aus und fahren mit Sack und Pack zu Anas Büro (Cortes Rodriguez Asesores S.A.S.). Ana ist unsere Kontaktadresse hier in Kolumbien, die wir von der Overland Embassy in Panama erhalten haben. Sie hat sich hier um die gesamte Abwicklung samt neuer KFZ-Versicherung gekümmert und war uns daher eine große Hilfe. Danach geht es zum Hafen, wo wir Sprinti endlich und tatsächlich ausgehändigt bekommen…yippieh!

Nun sind wir wieder komplett…es kann also weitergehen!

Lasst uns den nächsten Kontinent erkunden!

Wir freuen uns drauf!

Reiseberichte Kolumbien Panama

Ein Segelboot, ein Sturm und wir mittendrin (#056)

30. Juli 2023

– Auf dem Weg nach Südamerika –

Nachdem wir Sprinti erfolgreich in den Container verfrachtet haben (s. dazu Artikel „Wie kommen wir nach Südamerika? #055“), bleiben uns noch drei Tage in Panama-Stadt. Also ziehen wir mit Sack und Pack ins Hotel, erledigen noch ein paar Besorgungen und erleben noch einmal live, was Regenzeit in Panama bedeutet als wir mitten in einen Starkregen geraten, der die Straßen innerhalb von Minuten überflutet und uns so mancher Weg plötzlich abgeschnitten wird.

Jetzt sind wir schon seit knapp zwei Monaten in Panama und was darf da natürlich auch nicht fehlen?! Genau, ein Besuch des Panamakanals! Und für Peter als Logistik-Ingenieur ist es erst Recht etwas ganz Besonderes. Schon oft hatten wir es vor, aber immer kam etwas dazwischen. Jetzt wird es also Zeit!

Der Panamakanal ist eine künstliche, rund 82 km lange Wasserstraße mit Schleusen, die die Landenge von Panama in Mittelamerika durchschneidet, den Atlantik mit dem Pazifik für die Schifffahrt verbindet und ihr damit die Fahrt um das Kap Hoorn oder durch die Magellanstraße an der Südspitze Südamerikas erspart. Der Kanal verläuft zwischen den Städten Colón an der Atlantikküste und Balboa, einem Vorort von Panama-Stadt an der Pazifikküste und wird von den Schiffen innerhalb von 10 Stunden durchquert. Die Arbeiten für den Panamakanal durch verschiedene Aktiengesellschaften und schließlich durch die Vereinigten Staaten begannen 1881 bzw. 1894. Der aufwendige Bau kostete rund 20.000 Menschen das Leben bis der Kanal schließlich 1914 eröffnet wurde. Allerdings wurde der Durchfahrt des ersten Schiffes kaum Aufmerksamkeit geschenkt, da es an dem Tag ein anderes Ereignis gab…der Beginn des ersten Weltkriegs. Durch einen weiteren Ausbau können seit 2016 auch die ganz großen Schiffe (13.000 Kontainer pro Schiff) den Kanal passieren. So werden jährlich über 300 Mio. Tonnen durch den Kanal transportiert, was ihn damit zu einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt macht. Das schauen wir uns doch jetzt einfach mal aus der Nähe an. Auch haben wir das Glück, live dabei zu sein als ein Schiff die Schleuse des Kanals passiert…

Dann ist es an der Zeit Panama und somit auch Nord- und Mittelamerika Lebewohl zu sagen. Da es zwischen Panama und Kolumbien keine Straßenverbindung gibt, muss Sprinti verschifft werden und wir steigen entweder ins Flugzeug oder ebenfalls auf ein Boot. Weil wir beide kleine Segler sind, entscheiden wir uns für den Segeltrip. Mit dem Boot durch die Karibik hat ja schließlich auch seinen Reiz! Schon früh am Morgen klingelt unser Wecker und bereits um 5 Uhr werden wir am Hotel von einem Fahrer abgeholt. Wir sammeln in der Stadt noch vier weitere Personen ein. Dabei passt all das Gepäck schon lange nicht mehr ins Auto und wird daher kurzerhand aufs Dach gebunden. Drei Stunden lang fahren wir über schlechte Straßen Richtung Nordosten und kommen dabei an merkwürdigen Kontrollen auf Feldwegen vorbei, an denen ernst dreinschauende Menschen unsere Pässe sehen wollen (wir machen also lieber keine Fotos). Andere Autos scheinen komplett beschlagnahmt zu werden und haben definitiv bessere Zeiten hinter sich. Dann erreichen wir die Gegend Barsukan (s. dazu auch unsere Route). Dort führt uns ein matschiger Feldweg zum „Hafen“, wobei das Wort Hafen eher etwas anderes vermuten lässt…reden wir doch hier eher von der Abbruchkante einer Uferböschung des Rio Grande de Carti („grande“ ist hier allerdings so gar nichts). Gemeinsam mit unseren zwei Mitseglern Jana aus Deutschland und Kieran aus England stehen wir nun mit Sack und Pack dort und werden von Mücken zerstochen.

Man hatte uns als Vorbereitung auf diesen Trip gesagt, dass wir unsere Kleidung in den Reisetaschen in Plastiktüten einpacken sollten, weil sie ansonsten bei der Überfahrt nass werden könnte. Als wir sehen, wie unsere Taschen ins Boot verfrachtet werden (bitte nicht fallenlassen!), hoffen wir das erste Mal, dass unsere Plastiktüten auch dicht sind. Dann springen auch wir galant (nicht wirklich) ins Boot und ich sehe mich schon im Rio Grande treiben. Unsere Boote sind übrigens auch ein Fall für sich und ihre Flaggen machen uns schon stutzig. Das was auf den ersten Blick an eine dunkle Zeit der deutschen Geschichte erinnern lässt, ist letztendlich das seit 1925 gebräuchliche Symbol dieser Gegend und der einheimischen Bewohner (Stamm der Kuna) und symbolisiert tatsächlich eine Krake (wer hätte das gedacht?!). Auch wenn es seit 2010 durch ein anderes Symbol abgelöst wurde, so ist das Alte noch immer sehr präsent. Dann geht es los mit unserem Bötchen, was tatsächlich unter die Kategorie „Speedboat“ fällt. Wir fahren den Fluß entlang bis wir auf das offene Meer gelangen. Allerdings scheint es dort einige Sandbänke zu geben…wir sitzen auf! Unsere zwei Bootsführer bringt allerdings gar nichts aus der Ruhe. Mit Stöckern und Brettern versuchen sie uns abzustoßen und irgendwann springt dann auch der Motor wieder an.

Auf dem Meer kommen wir an vielen kleinen Inseln vorbei, die von Angehörigen des Kuna Yala-Stammes bewohnt werden. Die Comarca Guna Yala (früherer Name: San Blas, danach Kuna Yala) ist ein Gebiet an der Nordküste Panamas am Atlantischen Ozean. Die Indigenen des Kuna-Stammes haben damals der Unterwerfung durch die Zentralregierung in blutigen Auseinandersetzungen getrotzt, die schließlich 1925 in einem Aufstand, der Dule-Revolution, gipfelte. Obwohl 1930 ein politischer Vergleich geschlossen wurde, mussten die Indigenen noch jahrzehntelang kämpfen bis schließlich das semiautonome Gebiet Kuna Yala etabliert war. Eine Kette aus etwa 365 Inseln (von denen nur etwa 50 dauerhaft bewohnt werden), die in der karibischen See vor der nördlichen Küste Panamas liegt und sich rund 180 km bis zur kolumbianischen Grenze erstreckt, bildet den Archipel San Blas. Wir erleben schnell, dass hier alles noch ein wenig anders abläuft als bei uns. Ein Einkauf z.B. geht so vonstatten, dass wir an verschiedenen Inseln kurz anlegen, man uns Eier in die Hand drückt, riesen Eisblöcke ins Boot geladen werden und die Tankstelle das Benzin einfach in Plastik-Saftflaschen zur Verfügung stellt. Dann geht es weiter zu unserem Treffpunkt mit unserem Segelboot, das uns in den nächsten Tagen nach Kolumbien bringen soll. Doch kein Segelboot ist bei unserer Ankunft in Sicht und so dümpeln wir eine ganze Zeit auf dem karibischen Meer umher. Auch unsere zwei Bootsführer schauen etwas ratlos aus der Wäsche. Wenn wir uns die letzten fünf Stunden mal Revue passieren lassen, so gebe es mindestens 10 Situationen, bei der jede einzelne eine abendfüllende Szene der Sendung „Die versteckter Kamera“ sein könnte. Alles ist so paradox, dass wir mal wieder nur darüber schmunzeln können.

Dann, am Horizont taucht endlich ein Mast auf…die Kontiki 3…unser Segelboot (eine Beneteau Oceanis 47.3)! Auf dem Boot empfängt uns unser Kapitän Yonatan (aus Kolumbien) mit seiner Crew Tiffany (aus Deutschland) und Lenny (ebenfalls aus Kolumbien). Dann nehmen die Kuriositäten weiter ihren Lauf. So müssen wir uns ja noch aus Panama ausklarieren, d.h. wir brauchen in unserem Pass einen Stempel, dass wir aus Panama ausgereist sind. Und wo macht man das hier? Auf einer kleinen Insel, auf der sich neben einer Landebahn nur drei Häuser befinden, eines davon ein Regierungsgebäude…auch stellt Ihr Euch wahrscheinlich etwas anderes unter einem Regierungsgebäude vor. Und wie macht man hier so einen Behördengang? Richtig, barfuß! Bereits auf dem Segelboot mussten wir unsere Schuhe abgeben und die bekommen wir bis Kolumbien auch nicht zurück. Hier „läuft“ wortwörtlich alles barfuß und so finden wir uns ohne Schuhe im Amt wieder…das ist ja was für mich! Nach einer halben Stunde ist der Vorgang erledigt und wir haben unsere Stempel. Aus Panama ausgereist, in Kolumbien noch nicht eingereist…die nächsten vier Tage befinden wir uns also irgendwie dazwischen.

Dann segeln wir weiter entlang der sogenannten San Blas-Inseln, bekommen von einigen Fischern „von Boot zu Boot“ frischen Hummer verkauft und ankern letztendlich zwischen zwei Inseln, die ein absolutes Karibik-Feeling versprühen. Den Nachmittag und Abend verbringen wir auf der größeren (etwa 3000 qm) Insel. Auf ihr lebt eine Familie in einer kleinen Hütte, die Bier verkauft. Wir treffen dort auch auf andere Segler, gehen schwimmen, spielen Volleyball, grillen und genießen die Atmosphäre…barfuß natürlich!

Nachts liegen Peter und ich in unserer Koje als wir von hellen Blitzen und starkem Donnern geweckt werden. Letzteres knallt in einer ohrenbetäubenen Lautstärke und lässt dabei das gesamte Boot vibrieren. Das Gewitter ist genau über uns und in diesem Ausmaß haben wir beide dieses Naturspektakel zuvor noch nicht erlebt. Im Sekundentakt wechseln sich Blitz und Donner ab und es ist beeindruckend zu spüren mit welcher Wucht die Natur zuschlägt, während wir hier machtlos in unserer kleinen Koje liegen. Dann irgendwann zieht das Gewitter glücklicherweise weiter und wir schlafen wieder ein.

Am nächsten Tag segeln wir ein Stück weiter und ankern erneut zwischen zwei der hunderten Insel…diese Mal allerdings andere als am Vortag. Hier befindet sich auch ein Riff, an dem man gut schnorcheln kann…so sagt man. In der Ferne kündigt sich bereits das nächste Gewitter an, aber Yonatan versichert uns, dass wir noch ausreichend Zeit haben und Lenny uns direkt zurück zum Boot bringt, sobald sich das Wetter verschlechtert. Alles klar! So fahren Lenny, Kieran, Jana, Peter und ich im Dingi (ein Schlauchboot, das übrigens Luft verliert und ständig nachgepumpt werden muss) zum Riff. Dann geht es mit Taucherbrille und Schnorchel gewappnet ins Wasser. Die Bedingungen sind allerdings wahrlich nicht die besten, zieht uns die Strömung doch immer wieder raus aufs Meer. Dann plötzlich schlägt das Wetter um…der Himmel ist dunkel, es stürmt, die Wellen schlagen hoch und es regnet in Strömen. Niemand außer uns ist im Wasser. Lenny versucht das Dingi zu erreichen. Als es ihm endlich gelingt und er uns schließlich einsammeln kann, springt der Motor nicht an. Der Sturm wird stärker. Dann klappt es und wir erreichen nach einiger Zeit wieder das Segelboot, wo Tiffany und Yonatan schon auf uns warten.

Im Laufe des Nachmittags beruhigt sich das Wetter wieder ein wenig, so dass wir bei Sonnenschein zu einer der beiden Inseln rüberfahren. Sie hat eine Größe, dass man sie innerhalb von 15 Minuten zu Fuß (auch barfuß natürlich) einmal umrundet hat und wieder beschleicht uns bei all den Palmen, dem weißen Sand und dem türkisfarbenen Meer das Karibik-Feeling. Hier lässt es sich definitiv aushalten!

Gegen Abend fahren wir rüber zur anderen Insel, treffen erneut andere Segler und schauen uns bei einem Bierchen und mit den Füßen im Meer den Sonnenuntergang an…der sich allerdings an diesem Abend ein wenig hinter den Wolken versteckt. Gut allerdings ist die Sicht auf ein riesiges Schiffswrack, was vor sechs Jahren auf dem Riff aufgelaufen ist und seitdem dort feststeckt. Weil es dem Besitzer zu teuer war es zu beseitigen, ist es dort geblieben…ja, so läuft das hier!

Am nächsten Tag segeln wir erneut ein Stück weiter und ankern an einer Stelle, die sich gut zum Schnorcheln eignet. Dieses Mal macht uns das Wetter auch keinen Strich durch die Rechnung und so können wir die Zeit unter der Wasseroberfläche schön genießen.

Für das Mittagessen steuern wir eine weitere der kleinen Inseln an, auf der sich eben nur dieses eine Restaurant befindet…und wir sind an diesem Mittag auch die einzigen Gäste.

Zurück auf dem Segelboot heißt es sich von den San Blas-Inseln zu verabschieden, denn nun steht die Überfahrt nach Kolumbien an. Je nach Wetterlage bedeutet das 30-50 Stunden auf dem offenen Meer, ohne Land in Sicht. Die Wettervorhersage lässt allerdings nichts Gutes erwarten, ist doch ein ordentlicher Sturm gemeldet. Schon draußen auf dem Meer merken wir schnell, dass hier wortwörtlich ein anderer Wind weht. Die Wellen werden höher, das Wasser unruhiger. Bei dieser Vorhersage hatte man uns empfohlen Tabletten gegen Seekrankheit einzunehmen. Gesagt, getan! Peter und ich besitzen beide einen Bootsführerschein und waren auch schon einige Male segeln. Glücklicherweise hat uns der Wellengang in der Magengegend noch nie etwas ausgemacht. Mal schauen, wie es bei diesen Wetterprognosen so aussehen wird?!

Gegen 2 Uhr in der Nacht werden wir wach, als wir im Bett hin und hergeschaukelt werden. Dinge fliegen umher und draußen peitscht der Wind. Unsere Luken werden zugeschlagen und wir hören, wie Yonatan, Lenny und Tiffany an Deck alle Hände voll zu tun haben, dass Boot unter Kontrolle zu bekommen. Wir fragen uns, was dort oben wohl abgehen mag, wir wissen aber, die Situation ist durchaus ernst. Da wir das Deck unter diesen Umständen nicht betreten dürfen, verharren wir in unserer Koje und sind dennoch mittendrin in diesem Geschehen, was erneut zeigt wie gewaltig die Natur sein kann und wie machtlos wir im Ernstfall sind.

Am nächsten Morgen, als der Sturm größtenteils abgeklungen ist, erfahren wir von Yonatan, dass dieser Sturm zu den drei schlimmsten in seiner 10-jährigen Karriere gehört. Die Messgeräte haben in der letzten Nacht 50 Knoten Wind angezeigt, das fällt unter die Kategorie „schwerer Sturm“, bildet auf der Beaufort-Skala eine 10 und bedeutet Windgeschwindigkeiten von 89-102 kmh. Auf offenem Meer ist das erst Recht kein Zuckerschlecken! Auf dem folgenden Bild seht Ihr unseren Streckenverlauf während des Sturms und wie unser Captain versucht hat, das Boot auf Kurs zu halten, aber vom Wind immer wieder deutlich versetzt wurde.

Auch am nächsten Tag sind Kieran und Jana magentechnisch noch ordentlich angeschlagen, Peter und mir geht es glücklicherweise noch immer gut. Wir verbringen den ganzen Tag mit der Überfahrt, noch immer ist kein Land in Sicht und nur selten zeigen sich andere Boote in weiter Ferne. Die nächste Nacht gestaltet sich ruhiger und langsam kommen wir unserem Ziel immer näher.

Um 2.15 Uhr werden Peter und ich von Yonatan geweckt und können so live miterleben, wie wir in die Bucht von Cartagena einlaufen. Alles ist still, die Lichter der Stadt leuchten und wir genießen einfach nur den Moment…da ist es…Kolumbien!

Ein neues Land…ein neuer Kontinent…ein neues Kapitel auf unserer Reise!

Jetzt fehlt nur noch Sprinti!