Reiseberichte Mexiko

Auf den Spuren von John Wayne (#035)

5. Februar 2023

– Durango –

Wir verlassen El Fuerte und machen uns auf Richtung Süden. Dabei passieren wir das erste Mal in Mexiko Mautstraßen. Zum Glück geht Sprinti als „Auto“ durch, da er hinten keine Zwillingsbereifung hat. So kostet uns die Maut oft nur bis zu 5 EUR, was sich aber durchaus läppert, wenn alle paar Kilometer eine neue Mautstation auf uns wartet. Unsere kürzeste Distanz zwischen zwei Stationen war bisher lediglich die Länge einer Ausfahrt, d.h. wir wurden am Anfang der Ausfahrt und ein paar Meter weiter am Ende der Ausfahrt erneut abkassiert. Nun ja! Da die Mautstraßen oft „besser“ ausgebaut, schneller und sicherer sind, haben wir uns in diesem Fall dafür entschieden. Denn wir kommen auch an Culiacán vorbei, der Hauptstadt Sinaloas, in der es bis vor kurzem noch Krawalle gegeben hat (s. dazu Artikel „Wir erreichen das mexikanische Festland #033“). Glücklicherweise klappt alles reibungslos und wir erreichen Mazatlan, bzw. einen Campingplatz kurz vor Mazatlan, der von amerikanischen Dauercampern in Beschlag genommen worden ist. Wir sind auf dem ganzen Stellplatz tatsächlich die einzigen Europäer und gefühlt auch die einzigen, die sich hier kürzer als drei Monate aufhalten. Der Platz ist direkt am Meer und umgeben von Bettenhochburgen, wie wir es sonst nur aus europäischen Touristenorten kennen. Auch wenn der Strand eigentlich ganz schön ist, unser Fall ist es nicht so mit all den Hochhäusern. Wir ergattern noch einen Platz für Sprinti, stehen allerdings wie viele andere auch, unter Kokospalmen und so manche Kokosnuss hat auch schon den Weg Richtung Boden hinter sich. Hauptsache uns knallt hier nichts auf unsere Dachluken oder aufs Solarpanel! Wie war das noch…es sterben jährlich mehr Menschen durch herabfallende Kokosnüsse als durch Haiangriffe? Wir können gerade beides nicht gebrauchen, ehrlich gesagt! Erst Recht nicht nach meinem Sturz mit dem Motorroller in der letzten Woche (s. dazu Artikel „Das nennt man dann wohl Glück im Unglück #034“). Mein gestauchtes Handgelenk macht übrigens gute Fortschritte und schwillt langsam ab, meine geprellte Rippe zwickt und zwackt im Alltag noch ordentlich, aber hier heißt es wohl…Geduld, Geduld! Jetzt müssen wir also nur noch eine Lösung für mein kaputtes Handy finden!

Wir bleiben eine Nacht auf diesem besagten Campingplatz, die Kokosnüsse bleiben glücklicherweise am Baum und am nächsten Morgen starten wir unseren Tag mit einer kalten Dusche, bei der das Wasser aus einem simplen Rohr herausplätschert (immerhin „plätschert“ es) und die Toilette nebendran verstopft ist…auf so einer Reise härtet man ab, sage ich Euch! Aber besser als nichts!

Dann führt uns unser Weg weiter Richtung Durango, eine Stadt in den Bergen (Sierra Madre Occidental-Gebirge) des gleichnamigen Bundesstaates. Und diese Strecke hat es in sich. So führt sie hoch bis auf 2000 m und ein Tunnel folgt dem Nächsten, eine Brücke ist höher als die Andere. So überqueren wir auch die Puente Baluarte (die weiße Brücke, die auf den Fotos oben quasi schräg zusammenläuft), die mit 1142 m Länge und mit einer Höhe von 403 Metern (Höhenunterschied zwischen Talsohle und Fahrbahn), die höchste Schrägseilbrücke Amerikas ist und bis 2016 sogar die höchste Brücke weltweit war. Auch überqueren wir, wie schon auf der Baja California (s. dazu Artikel „Wir entdecken die Unterwasserwelt Mexikos #030“), erneut den nördlichen Wendekreis…was uns ehrlich gesagt aber nur auffällt, weil zwischen zwei Tunneln (die nur ca. 50 Meter auseinanderliegen) plötzlich ein kleines Schild mit der Aufschrift „Trópico de Cáncer“ (Wendekreis des Krebses) auftaucht. Auf unserer Route sehen wir zudem, wie Menschen am Straßenrand Chilis aufsammeln, die anscheinend von einem LKW gefallen sind oder wie sie mit bloßen Händen und einer Spitzhacke Steine aus Felsen meißeln, um sie für das Bauen von Gebäuden (womöglich ihrem Zuhause) nutzen zu können. Wie in Mexiko üblich verkaufen einige Straßenhändler ihre Waren und Speisen, entweder mit einem Stand am Straßenrand oder etwa voll bepackt mitten auf der Straße stehend. Auch finden sich immer wieder Fußgänger am Straßenrand der „Autobahn“, bei denen man sich fragt, woher sie kommen und wohin sie gehen. Überholverbote und durchgezogene Linien werden hier und anscheinend in ganz Mexiko übrigens nur bedingt beachtet bzw. eingehalten. So bedeutet es, wenn das Fahrzeug vor einem links blinkt, dass einem gerade niemand entgegenkommt und man überholen kann. Es wird also überholt was das Zeug hält, egal ob vor Kurven, in Tunneln (die teilweise keine Lichter haben) oder auch bei Gegenverkehr (der muss dann halt auf den Seitenstreifen ausweichen). Sehr lustig zu beobachten ist auch, dass viele Sprinti für ein öffentliches Verkehrsmittel halten, weil hier viele Busse weiße Sprinterfahrzeuge o.ä. sind. So haben wir uns anfangs gewundert, dass alle zum Straßenrand laufen, wenn wir angefahren kommen.

Dann erreichen wir Durango (eigentlich „Victoria de Durango“), die ca. 520.000 Einwohnern zählende Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates Durango sowie Sitz des Erzbistums. Durango liegt im waldreichen „Valle de Guadiana“ etwa 875 km nordwestlich von Mexiko-Stadt in einer Höhe von ca. 1880 m. Das Klima ist trocken und warm (Steppenklima) und Regen fällt nahezu ausschließlich im Sommerhalbjahr (ca. 465 mm/Jahr). Die Landwirtschaft (v. a. Maisanbau) und der Bergbau (Gold, Silber, Blei etc.) bilden die Lebensgrundlagen der Stadt, die aber auch von der Industrie und vom Handel lebt. Als wir in Durango ankommen, suchen wir als erstes einen Mobilfunk-Shop auf, um möglichst schnell eine Lösung für mein defektes Handy zu finden…leider ohne Erfolg. Aber man schickt uns zu einem Handy-Repair-Shop, der in den engen Gassen Durangos liegt. Zum Glück ist Sprinti nicht allzu breit, so dass wir gut dorthin gelangen. Besonders vorsichtig muss man allerdings bei dem Kabelgewirr sein, denn da in Mexiko sämtliche Kabel nicht unterirdisch verlegt werden, bleibt man oben auch gerne mal hängen…wir sprechen aus Erfahrung! Leider haben wir auch im Repair-Shop kein Glück, da das Bestellen eines neuen Displays mindestens zwei Wochen in Anspruch nehmen würde und die Zeit haben wir nicht. Also belassen wir es dabei und hoffen darauf, in Mexiko-Stadt erfolgreicher zu sein. Nächstes ToDo auf unserer Liste: Wir benötigen Frischwasser, das gibt es hier bei sogenannten „Agua Purificada-Läden“, die das Wasser so aufbereiten, dass es Trinkwasserqualität erhält. Leider haben alle drei Läden, die wir ansteuern, geschlossen…es ist Samstag! Also heißt es, die nächsten 1,5 Tage besonders sparsam mit unserem Wasser umzugehen und am Montag dann einen neuen Anlauf zu starten. Es ist mittlerweile spät und so wollen wir nur noch zu unserem Stellplatz für diese Nacht. Allerdings stellt sich heraus, der eigentlich anvisierte überwachte Parkplatz ist ebenfalls geschlossen und so entdecken wir letztendlich einen Stellplatz an einem gut besuchten Park, der einen sicheren Eindruck macht.

Am nächsten Tag machen wir uns dann auf Durango zu erkunden. Wir laufen durch den Park, an dessen Parkplatz wir übernachtet haben und der anscheinend an jedem Wochenende zu einer Art Freizeitpark mutiert. So kann man auf einem See Tretboot fahren und es sind jede Menge Fahrgeschäfte für Kinder und unzählige Buden aufgebaut. Nicht jedes Fahrgeschäft sieht funktionstüchtig aus und die, die in Betrieb sind, quietschen auch ordentlich, aber das wird einfach von der lauten Musik übertönt. Die Kinder sind happy! Wir laufen weiter Richtung Zentrum. Durango ist ein wirklich schönes Städtchen mit vielen alten Gebäuden und Kirchen, die ein besonderes Flair versprühen. So schlendern wir bei Sonnenschein durch die Gassen der Stadt und beobachten die mexikanischen Familien, die überall gemeinsam den freien Sonntag verbringen. Auf den Plätzen gibt es wieder unzählige Buden mit mexikanischen Speisen, man kann sich an nostalgischen Ständen nach alter Manier die Schuhe putzen lassen, es rennen Kinder umher, die die Tauben verjagen und viele genießen einfach auf den Parkbänken sitzend die Sonne und das Beisammensein.

Tags darauf wartet etwas außerhalb von Durango (s. dazu unsere Route) ein ganz besonderes Ziel auf uns…die „John Wayne-Ranch“ (im Original „La Joya-Ranch“), die so heißt, weil hier die Dreharbeiten zu vielen John Wayne-Filmen stattgefunden haben. John Wayne selbst war damals von der Gegend so angetan, dass er 1969 das Areal kaufte und die „Western-Stadt“ für seine Filme erbauen ließ. Diese steht noch immer und dient jeher als Kulisse sämtlicher Hollywood-Filme im Western-Style. Das Gründstück gehört mittlerweile dem mexikanischen Farmer Armando, der uns freudestrahlend begrüßt und uns stolz die Fotos von sich und dem Schauspieler Viggo Mortensen zeigt, als dieser bis Dezember letzten Jahres seinen neuen Film hier gedreht hat. Armando besitzt vier Hektar Land, auf dem Rinder, Pferde, Esel, Hühner und Schweine meist ohne Zäune umherrennen und wir müssen vorsichtig sein in keine der Hinterlassenschaften zu treten. Das Land ist sehr trocken und so sind die Tiere in der gesamten Gegend nicht gerade übergewichtig. Da werden die Gelder für die Dreharbeiten sehr willkommen sein. Armando strahlt uns an und zeigt uns stolz sein Land. Er selbst wohnt mit seiner Familie in einem alten Bahnhofsgebäude, dessen Fenster oben mit Holzbrettern abgedichtet sind. Wir sind an diesem Tag die einzigen Gäste und für 100 Pesos (5 EUR) dürfen wir auf seinem Land mit Sprinti für die Nacht stehen wo wir wollen. Zu allererst schauen wir uns in der Western-Stadt um und sehen auch, wie es wortwörtlich „hinter den Kulissen“ so aussieht. Während wir so durch die Katakomben des Sets laufen, erschrecken wir plötzlich als uns ein laut quiekendes Schwein entgegenrennt…sich aber zum Glück rechtzeitig vor uns wieder beruhigt und „abdackelt“. Also hier bei Armando laufen wirklich alle Tiere kreuz und quer…langweilig wird es hier definitiv nicht!

Dann machen wir uns auf in den Canyon (ebenfalls auf Armandos Grundstück), denn dort wollen wir übernachten. Wir fahren also ein Stück raus und sind sofort umgeben von schöner Natur und totaler Stille…herrlich! Vor den „Bio-Tretminen“ müssen wir uns allerdings auch hier in Acht nehmen.

Am nächsten Morgen geht es für uns weiter und so fahren wir zurück zur John Wayne-Ranch, um uns von Armando zu verabschieden. Wir erwischen ihn, wie er gerade mit einigen Helfern dabei ist, seine Kühe und Rinder zu brandmarken bzw. deren Hörner zu stutzen. Wieder begrüßt er uns freudestrahlend und bittet uns näherzutreten. Und so stehen wir, ehe wir uns versehen, mittendrin und bekommen hautnah mit, wie ein Farm-Leben in Mexiko anscheinend so abläuft. Den Tieren gegenüber ist man wenig zimperlich und so werden sie in den viel zu engen Gittergang gepfercht, so dass sie der Reihe nach „behandelt“ werden können. Wir sehen, wie einige Tiere bereits bluten, während sich ihnen das Gitter in den Hals rammt, einge können sich schon gar nicht mehr bewegen. Als eine blutende Kuh hinfällt und nicht mehr aufstehen kann, wird sie zu erst mit Sporen getreten und erhält dann Elektroschocks bis sie sich letztendlich vor Schmerzen brüllend erhebt. Auch der kleine Junge, der ebenfalls stolz seinen Cowboy-Hut trägt, bekommt direkt beigebracht, wie der Umgang funktioniert. Die ganze Situation macht besonders mich sehr nachdenklich und auch später im Auto sprechen wir noch darüber. Es ist irgendwie paradox, dass wir und z.B. die Menschen auf dieser Ranch zu selben Zeit auf jener Erde leben und unser Alltag und Lebensinhalt doch so unterschiedlich ist. Während wir uns vielleicht fragen, wo der nächste Urlaub hingeht oder welchen Luxusartikel wir uns als nächstes kaufen möchten, geht es bei Armando, wie auch bei vielen anderen darum, wie Mensch und Tier ernährt werden können und ob die Regenzeit ausreicht, um das Land fruchtbar genug zu machen. Tut sie das nicht (und es gab auf den Feldern, auf denen Kühe und Pferde grasten nicht einen grünen Halm), bricht alles wie eine Kartenhaus zusammen. Natürlich werden auch Landwirte bei uns diese Problematik kennen, gerade in Zeiten des Klimawandels, aber hier wirkte es noch weit fragiler und dennoch waren die Menschen so glücklich und zufrieden auf dieser Ranch…allen voran Armando.

Und so verlassen wir zwar Armando und die Ranch, nehmen aber diese vielen Eindrücke und Gedanken mit.

2 Comments

  • Reply Karin 5. Februar 2023 at 12:19

    Die Menschen mögen wohl sehr freundlich und fröhlich sein, aber dass sie mit den Tieren so hart umgehen ist nicht in Ordnung. Auch wenn sie viele Sorgen haben, ist das keine Entschuldigung. Aber so wie du schon gesagt hast, ist die Lebensweise total verschieden im Vergleich zu unserer. Ich wünsche euch weiterhin eine schöne Zeit und keine Unfälle mehr. LG Karin

  • Reply Wolfgang Amend 5. Februar 2023 at 12:34

    Sehr beeindruckend ist schon der Ort, der sieht echt gut aus. Die gesamte Landschaft dort scheint aber wirklich sehr trocken zu sein; da ist alles staubig und – im Grunde – trostlos. schön ist auch, dass Ihr dort immer wieder auf freundliche Zeitgenossen trefft.
    Viel Glück bei der „Suche nach dem neuen Display“ und

    … bis bald

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