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Ecuador

Reiseberichte Ecuador

Herzlich Willkommen auf 5100 Metern (#063)

1. Oktober 2023

– Cotopaxi, Chimborazo & Co. –

Heute erwartet Euch ein etwas längerer Bericht, denn wir haben einfach so viel erlebt. Also viel Spaß beim Lesen und „Miterleben“! 🙂

Wir verlassen die Hauptstadt Quito und fahren weiter Richtung Süden zum Cotopaxi Nationalpark. Der Cotopaxi ist mit 5897 m der zweithöchste Berg Ecuadors und einer der höchsten aktiven Vulkane der Erde. Obwohl er aktiv ist, ist er der am häufigsten bestiegene Berg des Landes und einer der meistbesuchten Gipfel Südamerikas. Schon aus der Ferne ist der Cotopaxi mit seiner vollen Pracht zu bewundern. Wir befinden uns bereits auf einer Höhe von 3900 m und entscheiden uns an diesem Tag für einen recht einfachen Wanderweg, um uns erstmal weiter zu akklimatisieren. Und so wandern wir entlang der „Laguna de Limpiopungo“ und schauen den Wildpferden beim Grasen zu. Einfach traumhaft!

Unweit des Wanderweges befindet sich auch unser Stellplatz (La Rinconada) für die Nacht. Und auch der kann sich sehen lassen. Mit wundervollem Blick auf den Cotopaxi stehen wir ganz alleine an diesem Ort…hach, was fein!

Wir verbringen gleich zwei Nächte dort und nutzen den „freien“ Tag dazu, um für Euch zu schreiben, die Reise weiter zu planen und zu recherchieren. Langweilig wird uns also noch lange nicht! Nachts wird es dann um die 2 Grad, also holen wir unsere dicke Bettdecke wieder aus der Versenkung und kuscheln uns in unser gemütliches Bettchen.

Ach ja, da war ja auch noch was mit dem „Akklimatisieren“

Was genau bedeutet das eigentlich?

Unter einer Akklimatisation oder auch Akklimatisierung versteht man die individuelle physiologische Anpassung eines Organismus innerhalb seiner genetischen Vorgaben an sich verändernde Umweltfaktoren, wobei diese Anpassung selbst reversibel (umkehrbar) ist. Soweit die Theorie!

Genauer gesagt bedeutet das, dass sich der Körper erstmal an die Höhenlagen gewöhnen muss, da es durch den geringeren Sauerstoffgehalt in der Atemluft anderen Gegebenheiten wir normal unterliegt. Legt man zu schnell zu viele Höhenmeter zurück, droht die Höhenkrankheit. Leitsymptom der Höhenkrankheit sind Kopfschmerzen, dazu kommen häufig Appetitverlust, Übelkeit, Erbrechen, Müdigkeit, Schwäche, Atemnot, Schwindel, Tachykardie, Benommenheit bis zur Apathie, Koma, Tinnitus und Schlafstörungen. Die Höhenkrankheit kann zudem in ein akutes und lebensbedrohliches Höhenhirnödem übergehen, oder auch kann sich ein ebenfalls lebensgefährliches Höhenlungenödem bilden. Die Höhe beim Auftreten erster Symptome ist individuell verschieden und stark konstitutionsabhängig, sehr selten kann eine Höhenkrankheit bereits zwischen 2000 und 2500 m auftreten. Neben der erreichten Höhe sind weitere starke Risikofaktoren für das Auftreten einer Höhenkrankheit ein Aufstieg von mehr als 625 Meter pro Tag ab 2000 Meter und eine fehlende vorherige Akklimatisation mit weniger als fünf Tagen über 3000 Meter in den vorausgegangenen zwei Monaten. Frauen sind häufiger betroffen, ebenso jüngere Menschen unter 46 Jahren sowie Menschen, die an Migräne leiden. Fehlende Fitness ist kein Risikofaktor für die Höhenkrankheit.

Um dies zu vermeiden, sind wir in den letzten Wochen langsam aber stetig höher gefahren und haben uns jeweils an die neue Höhenlage gewöhnen können. Dennoch sind wir aufgrund des geringeren Sauerstoffgehalts in der Atemluft bereits bei kleinen Anstrengungen wesentlich schneller außer Atem und haben in normalen Alltagssituationen immer wieder das Gefühl nicht genug Sauerstoff einzuatmen. Auch das Schlafen fällt uns schwerer. Besonders ich liege ab einer Höhe von ca. 3300 m nachts oft wach und habe das Gefühl von Atemnot. Also alles schööön laaangsaaam!

Wir sind mittlerweile so richtig in den Anden angekommen. So leben hier in den Bergen quasi ausschließlich Menschen der indigenen Bevölkerung und ihre Lebensweise ist eher einfach und tradtionell gehalten. Wir sind überrascht mit welch einfachen Mitteln und bis zu welcher Höhe (teilweise auch an so richtig steilen Abhängen) hier auf den Bergen Landwirtschaft betrieben wird. Hier werden u.a. auch Lamas und Alpakas als Nutztiere gehalten und in der Natur begegnen uns mittlerweile tatsächlich auch freilaufende Exemplare dieser beiden Gattungen. Wir sind also gespannt, was uns hier in der Höhe noch so erwarten wird.

Dann geht es für uns weiter nach Quilotoa, denn auch hier gibt es eine wunderschöne Lagune zu bewundern. Auf dem Weg entdecken wir, dass der Wind, den auch wir letzte Nacht bemerkt haben, anscheinend etwas mehr als nur ein „Windchen“ war, als wir an vielen umgestürzten Bäumen vorbeikommen. Dann erreichen wir Quilotoa. An einem Hostal dürfen wir über Nacht parken und wenn wir dort zu Abend essen, ist Parkplatz samt Dusche auch kostenlos. Alles klar, wird gemacht! Zuvor gilt es aber noch die Lagune zu erkunden. Und wir werden nicht enttäuscht…

Anschließend kehren wir für eine kleine Stärkung in ein tradtionelles Familienrestaurant ein und probieren landestypische Empanadas…auch sehr lecker und ganz anders als die Empanadas in Mexiko!

Nach einer wiederum recht windigen Nacht mit wenig Schlaf (ja, diese Höhe!) geht es am nächsten Morgen weiter auf unserer Route…noch immer die Panamericana, wohlgemerkt. Es gehört schon fast zur Normalität, dass wir Unmengen an Straßenhunden begegnen, die u.a. nur darauf warten, dass Autofahrer etwas zu fressen aus dem Auto werfen. Auch mit vielen weiteren Tieren machen wir hier am Straßenrand Bekanntschaft, ob Esel, Schafe, Schweine, Hühner, Gänse, Pferde, Rinder, Ziegen, Lamas, Alpakas…alles dabei! Und Fußgänger sind auch immer reichlich unterwegs.

Nachdem wir mit dem Cotopaxi am zweithöchsten Berg Ecuadors waren, ist nun der Höchste dran…der Chimborazo! Der inaktive Vulkan Chimborazo ist mit 6263 m Höhe über dem Meeresspiegel der höchste Berg in Ecuador. Dadurch ist der Gipfel des Chimborazo wegen seiner Nähe zum Äquator der am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernte Punkt auf der Erdoberfläche. Zudem ist er der nördlichste Sechstausender Südamerikas und höher als alle nördlicheren Berge Amerikas. Also die Landschaft ist wieder einmal traumhaft und bereits von Weitem sehen wir diesen gewaltigen Vulkan emporragen. So was von schön, sage ich Euch! Wir erreichen wieder einen schönen Stellplatz, den „Volcano View Campground“, der seinem Namen alle Ehre macht.

Auch diese Nacht läuft schlaftechnisch eher wieder suboptimal ab, denn noch immer befinden wir uns auf einer Höhe von 3800 m. Aber davon lassen wir uns nicht abschrecken, denn heute wollen wir uns den Chimborazo mal aus der Nähe anschauen und das bedeutet, es geht noch weiter in die Höhe! Es gibt einen Parkplatz auf 4800 Metern. Da wollen wir mit Sprinti hin! Und wir hoffen, er schafft es! Denn es wird nicht nur für den Menschen die Luft hier oben dünn, sondern auch bei den Fahrzeugen macht sich das bermerkbar. Mit abnehmendem Luftdruck sinkt die Leistung, was dazu führen kann, dass das Auto in der Höhe einfach ausgeht oder auch nicht mehr anspringt. Bei einem Diesel-Fahrzeug soll dies noch gravierender sein als bei einem Benzin-Motor. Das war für uns auch ein triftiger Grund, warum Sprinti ein Benziner sein sollte. Und er schlägt sich tapfer! Der Himmel ist blau und berscherrt uns eine atemberaubene Sicht auf diesen riesigen Vulkan mit seiner schneebedeckten „Haube“…einfach toll! Die Landschaft hier oben wird immer karger, die Baumgrenze liegt schon lange hinter bzw. unter uns, die Straßen sind ebenfalls nicht mehr geteert und ein Schlagloch jagt das Nächste. Eine Herde Alpakas und ein Andenschakal säumen unseren Weg. Ansonsten herrscht hier Stille! Und wir schwitzen Blut und Wasser, ob wir ohne Zwischenfall oben ankommen. Dann ist es geschafft! Ganz souverän meistert Sprinti die 4800 Meter und hat damit quasi die Spitze des Mont Blancs erreicht. Meeega, Sprinti!

Nachdem Sprinti nun sein Soll erfüllt hat, sind nun Peter und ich an der Reihe! Wir wollen hoch auf 5000 m…und wenn es gut läuft schaffen wir vielleicht auch die 5100 m. Aber schon jetzt merken wir wie die dünne Luft uns zu schaffen macht, hat sie doch nur noch einen Sauerstoffgehalt von rund 50%. Langsam, Schritt für Schritt, machen wir uns auf. Und so handhabt es an diesem Tag jeder der anderen Wanderer, anders hat man auch keine Chance. Einige entscheiden sich sogar dafür den Weg hoch zu Ross zurückzulegen. Abgesehen davon, dass wir den Pferden auch nicht zu viel mit uns beiden zumuten wollen, Peters Beine würden bei den kleinen Andenpferden hier womöglich über den Boden schleifen, wollen wir das Ziel wie immer selbst und zu Fuß erreichen. Mit jedem Meter merken wir, wie der Druck im Kopf steigt. Wir legen viele Pausen ein, trinken viel Wasser und verschnaufen ein wenig. Dann haben wir unser erstes Etappenziel erreicht…die 5000 Meter! Wer allerdings nicht mitspielt, ist der Chimborazo, der sich mittlerweile hinter einer dicken Wolkendecke versteckt…hey Chimbo, was ist denn da los?!

Nun hat uns der Ehrgeiz gepackt! Auf 5100 Metern soll es eine schöne Lagune geben…also los, das schaffen wir jetzt auch noch! Gesagt, getan! Wir erreichen an diesem Tag ziemlich aus der Puste und mit müden Beinen tatsächlich die 5100 Meter und sind damit so weit vom Erdmittelpunkt entfernt wie noch nie. Dafür nehmen wir doch einfach mal sämtliche Schnappatmung in Kauf! Hat nicht jemand etwas von einer Langune hier oben erzählt?! Ja Pustekuchen, nicht an diesem Tag! Heute herrscht hier absolute Dürre…hey Chimbo, was ist denn da los?! Aber die Aussicht ist trotzdem der Knaller! Auch wenn weder Chimbo noch eine Lagune zu sehen sind. Wie heißt das so schön: „Egal, Carl!“ Wir genießen nichtsdestotrotz die mega Aussicht und freuen uns darüber, dass wir Chimbo bei der Fahrt hier hoch bei blauem Himmel bestaunen konnten. Ecuador, Du überrascht uns erneut mit Deiner atemberaubenen Landschaft!

Der Weg hinunter ist dann eine recht schnelle Geschichte und wir freuen uns atemtechnisch sehr über jeden Höhenmeter weniger. Unten an der Hütte schmeckt der heiße Kakao nach „getaner Arbeit“ besonders gut.

Wir fahren weiter…und plötzlich ruft Peter: „Guck mal!“ Und da sind wir wieder…an der ältesten Kirche Ecuadors! Genau hier hatten wir bereits im Juni einen Zwischenstopp eingelegt, als wir mit Peters Familie einen kleinen Roadtrip durch Teile Ecuadors gemacht haben (s. dazu Artikel „Ein Abstecher nach Ecuador… #053“). Und nun kreuzen sich genau hier unsere Wege. Und auch heute noch reiht sich hier eine Essensstand neben dem nächsten an dem Meerscheinchen gegrillt werden. Hier Tradiotion, unser Fall ist es allerdings nicht so…das lassen wir lieber!

An diesem Tag erreichen wir noch die Stadt „Alausi“, wo wir einen netten Platz am „Killa Wasi Hostel“ bekommen. Hatte ich erwähnt, dass es bereits seit Kolumbien wahnsinnig viele deutsche Schäferhunde gibt? Auch an diesem Platz sind zwei zu Hause…und ein Schaf mit Schlappohren gibt es auch. Wir befinden uns mittlerweile wieder auf 2300 m, was sich um einiges besser anfühlt und eine geruhsame Nacht verspricht. Yippieh!

Am nächsten Tag machen wir uns auf in den Ort, denn es ist Markttag und das meist bunte Treiben wollen wir uns mal genauer anschauen. Es ist Sonntag und das bedeutet für die Menschen hier, dass sie, nachdem sie die ganze Woche auf dem Feld gearbeitet haben, nun aus den Bergen hier in die Stadt kommen, um für ein paar Dollar ihre Waren zu verkaufen. Da dort Autos, die viel transportieren können rar gesäht sind, werden die Menschen mit sogenannten „Truck-Taxen“ abgeholt oder sitzen selbst gar auf der Ladefläche kleiner LKWs.

Wir sind weit und breit die einzigen Touristen und das, obwohl der Ort Alausi eigentlich für den Tourismus bekannt ist. Bekannt ist auch der historische Zug, der durch Alausi fährt, doch der ist gerade außer Betrieb. Der ganze Ort wirkt irgendwie traurig. Ist Covid der Grund? Wir kraxeln hoch auf einen Hügel mit einer großen Jesus-Statue und haben von oben einen weiten Blick über die Stadt. Und dann sehen wir den Grund für die gefühlte Traurigkeit…am Berg gegenüber hat es einen ziemlichen Erdrutsch gegeben. Wir finden heraus, dass es, aufgrund starker Regenfälle, bereits im März tatsächlich zu einem heftigen Erdrutsch gekommen ist. Dabei war ein riesiger Teil des Berges auf ein Wohnviertel der 45.000-Einwohner Stadt gestürzt. Die Schlammmassen erfassten mehr als 160 Häuser und nach Angaben der Katastropenschutzbehörde waren insgesamt 850 Menschen von dem Unglück betroffen. Die Bergungsarbeiten gestalteten sich äußerst schwierig. Unterstützt von Suchhunden durchsuchten Anwohner und Rettungskräfte die Trümmer. Dabei gruben sie teils mit bloßen Händen in den Schlammmassen. Bei dem Unglück kamen 27 Menschen ums Leben und viele werden auch heute noch vermisst.

Dann führt uns unser Weg weiter Richtung Süden und wieder fahren wir durch eine wunderschöne Berglandschaft. Das äußerst steile Auf und Ab fordert alles von Sprinti und wir sind uns sicher, diese Steigungen hätten in Deutschland keine TÜV-Prüfung bestanden. Glücklicherweise macht Sprinti das bisher super mit!

Dann erreichen wir die Stadt Cuenca, die mit rund 330.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Ecuadors. Wir dürfen recht zentral auf einem Campingplatz, der eigentlich eher einer Einfahrt eines Hauses gleicht, parken und dürfen die Gästedusche nutzen. Wie offensichtlich zu erkennen ist, scheint der Besitzer zu der Kategorie „Sammler“ zu gehören. Auch hier werden wir wieder von einer ganz bestimmten Hunderasse begrüßt…dieses Mal sogar drei an der Zahl.

Ehrlich gesagt sind wir aber dieses Mal ein wenig unmotiviert eine große Tour durch die Stadt zu machen. Vielleicht liegt es daran, dass wir momentan mit neuen Eindrücken gefühlt einfach überladen werden. Also gibt es eine sehr abgespeckte Sightseeing-Variante. Wir fahren mit dem Taxi in die Stadt und erkunden die Hauptattraktionen. Dabei entdecken wir viele kleine schöne Innenhöfe und auch eine „Chocolateria“…für mich ja wie das Paradies 🙂 . Es fängt an zu regnen, für uns das Zeichen, wir sollten irgendwo einkehren…und das tun wir dann auch…und zwar in einer kleinen Brauerei mit Restaurant…na klar, in einem Innenhof!