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Reiseberichte Peru

Lima, ein wackeliger Flug und die älteste Siedlung Amerikas (#066)

29. Oktober 2023

– Und dazu ein paar Pisco Sour –

Unser Weg führt uns weiter Richtung Süden in die Stadt Huaraz und auf unserem Campingplatz (Marian Wahi) treffen wir erneut bekannte Gesichter…das ist mittlerweile echt an der Tagesordnung. Da wir dringend neue SIM-Karten benötigen, machen wir uns mit dem Colectivo auf in die Stadt. Ein Colectivo ist hier eine Mischung aus kleinem Bus und großem Taxi, die hier zu hauf umherfahren und Leute einsammeln. Diese Colectivos sind wirklich ein Fall für sich…meist pfeiffen die Autos selbst aus dem letzten Loch, sie halten wenn sie halten…es gibt nicht immer eine Haltestelle (manchmal reicht es auch einfach am Straßenrand die Hand zu heben) und neben dem Fahrer arbeitet meist eine weitere Person im Fahrzeug, die die Schiebetür schon aufreißt, wenn der Wagen noch nicht steht, das Geld einsammelt und alles im Griff zu haben scheint. In den Colectivos sitzt man meist dicht gedrängt, so wie auch wir an diesem Nachmittag, dafür zahlen wir aber auch nur wenige Soles und sind innerhalb kürzester Zeit an unserem Ziel.

Allerdings ist unser SIM-Karten-Kauf an diesem Tag wenig erfolgreich…schickt man uns doch bei sieben Geschäften des Handyanbieters wieder weg, weil man dort nur SIM-Karten auflädt, nicht aber neue verkauft…so lernt man südamerikanische Geduld…zugegebenermaßen ist meine Lernkurve da noch ausbaufähig.

Dann machen wir einen Abstecher durch die Markthallen, die immer ein reges Treiben versprechen. Auch hier gibt es wieder alles…von Lebensmitteln bis hin zu Damen an ihren Nähmaschinen, die einem textiltechnisch alles reparieren können. Wir werden hier tatsächlich fündig für neue Nähnadeln, die wir seit geraumer Zeit nicht in normalen Geschäften gefunden haben. Wenn schon keine SIM-Karte, dann wenigstens Nadeln! Es ist mal wieder interessant zu sehen, wie hier das Leben so abläuft. Wie die Frauen in ihrer traditionellen Kleidung mit den hohen Hüten alles in bunt verzierten Tüchern auf dem Rücken transportieren und wie die Menschen ihren Alltag gestalten. Die Hygienemaßnahmen auf diesen Märkten sind für uns meist ein wenig gewöhnungsbedürftig, wenn z.B. das Fleisch ungekühlt auf der Theke liegt oder Hunde das Tierblut vom Boden lecken. Wir entscheiden uns an diesem Tag lieber für einen Abstecher in ein Restaurant…in der Hoffnung, dass in deren Küche andere Gegebenheiten herrschen.

Am nächsten Tag geht es für uns auch schon weiter…wir fahren nach Caral, der ältesten bekannten Stadtsiedlung auf dem amerikanischen Kontinent. Wir fahren zurück aus den Bergen Richtung Küste und schon auf dem Weg verändert sich die Landschaft. So liegt Caral an der einen Seite umgeben von Sanddünen und an der anderen Seite schlängelt sich ein grünes Flußbett.

Die Siedlung Caral wird auf die Zeit 2500-2000 Jahre v. Chr. datiert und ist daher mit knapp 4500 Jahren nach Mesopotamien die erste Siedlung weltweit. Das schauen wir uns also mal genauer an! Gemeinsam mit unserem Guide laufen wir über die Anlage und bestaunen die alten Pyramiden. Im Jahr 1905 war der deutsche Archäologe Max Uhle der erste Forscher, der das Caral-Tal untersuchte und erst seit dem Jahr 1994 erforscht die peruanische Archäologin Ruth Shady Solís das Caral-Tal. Daher liegt noch so vieles aus der alten Geschichte im Verborgenen und gibt weiterhin Rätsel auf. Ruth Shady Solís vermutet, dass die Küstengebiete durch das Wetterphänomen El Niño regelmäßig von verheerenden Überschwemmungen heimgesucht und die Einwohner hierdurch in das Wüstengebiet getrieben wurden. Das gesamte Tal ist von Bewässerungskanälen durchzogen und ermöglichte so den Anbau von Kürbis, Bohnen und anderem Gemüse. Getreidesamen wurden bislang nicht ermittelt, dafür aber Baumwollsamen, die zur Herstellung von Fischernetzen benötigt wurden. Weil Caral nur ca. 25 km von der Küste entfernt lag, wurden als Nahrungsmittel Meeresfische verwendet. Wahrscheinlich tauschten die Bewohner von Caral die Fische gegen von ihnen hergestellte Netze aus Baumwolle ein. Bei den Ausgrabungen fanden sich auch Fischgräten, Schneckenhäuser und Muscheln von Tieren, die auch im Amazonasgebiet vorkommen. Auch Überreste des Annattostrauchs und Cocasamen wurden gefunden, daraus schloss Shady Solís auf weitverzweigte Handelsverbindungen Carals bis in den Andenraum. Die Einwohnerzahl von Caral war eher gering, sie wird auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung mit ungefähr 1.000 geschätzt und man vermutet, dass die Besiedlung der Stadt etwa um 1600 v. Chr. endete. Die genauen Gründe hierfür sind derzeit noch nicht bekannt.

Wir hatten zuvor gelesen, dass man auf dem Parkplatz der historischen Stätte kostenfrei übernachten kann, wenn man dem Wachposten Bescheid gibt. So bleiben wir als der Parkplatz sich leert und die Sonne hinter den Bergen verschwindet. Ein Wachposten taucht allerdings nicht auf. Und so übernachten wir hier mutterseelenallein vor den Toren der ältesten Siedlung Amerikas.

Die Nacht ist ruhig und frisch, aber wir sind gut ausgestattet, so dass uns die Kälte nichts anhaben kann. Und wenn am nächsten Morgen, die aus dem Kühlschrank kommende Butter einfach nicht weich werden möchte, muss man sich halt anders behelfen…

Unser Weg führt uns an diesem Tag weiter durch das Tal von Caral. Über eine Stunde lang fahren wir durch diese wüstenartige Hügellandschaft und das einzige, was zu sehen ist, ist eine riesengroße Hühnerfahrm, bei der sich hunderte Gebäude durch das gesamte Tal schlängeln.

Dann erreichen wir Lima, die Hauptstadt Perus. Lima ist mit Abstand die größte Stadt des Landes, in der ca. 8,5 Mio. Menschen leben (10,4 Mio. im Ballungsraum). Und diese Massen bekommen wir auch direkt zu spüren, läuft der Straßenverkehr doch ein wenig chaotisch ab…ohne eine funktionierende Hupe läuft hier mal wieder gar nichts!

Unser erster Weg führt uns zu einem deutschen Country Club, denn dort dürfen deutsche Camper ein paar Tage kostenfrei auf deren Mitgliederparkplatz übernachten. Dieser Country Club ist bereits als „Turnverein Germania“ im Jahre 1863 von Deutschen gegründet worden, um sich zu treffen, Kontakte zu knüpfen und gemeinsam Sport zu treiben. So gehört zu der gesamten Anlage unter anderem ein 50 Meter langes Schwimmbad, Fußball- und Tennisplätze, ein Fitnessraum, Kursangebote, eine Kita und sogar noch eine typisch deutsche Kegelbahn…und das alles mitten in der Stadt. Unser erster Anlaufpunkt ist Willi, ein Deutsch-Peruaner, der in Deutschland aufgewachsen und nun Vorstandsvorsitzender dieses Country Clubs ist. Schnell bittet uns Willi in sein Büro und wir kommen ins Gespräçh. Voller Leidenschaft erzählt er uns von der Geschichte des Clubs, von Peru, von Lima und seiner Familie und zieht uns damit voll in seinen Bann. Drei Stunden und einen Pisco (berühmter peruanischer Traubenschnaps) später, sind wir bestens informiert und haben richtig Lust Lima zu erkunden.

Am nächsten Morgen geht es dann los…mit im Gepäck Willis Liste mit den Sehenswürdigkeiten schlechthin samt den ältesen Bars und dem besten Pisco Sour der Stadt. Wir erkunden die historische Altstadt Limas, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört und uns mit ihren Gebäuden ein wenig an Mexiko City erinnert. Viele Häuser sind mit aufwendigen Balkonen verziert. Natürlich wollten die Menschen auch früher das Treiben auf den Straßen beobachten, aber nicht jeder durfte sehen, was im Gabäude vor sich ging. Je dichter also die Holzverkleidung und je weniger einsehbar der Balkon samt Haus war, desto geheimer waren die Dinge, die sich dort abgespielt haben. Aha, so ist das also! Wir besichtigen unter anderem auch den Hauptplatz Limas, der an diesem Tag aus irgendeinem politischen Grund abgesperrt ist und finden uns plötzlich in der Kathedrale in dem Saal wieder, in dem 1821 die Unabhängigkeit Perus von Spanien unterzeichnet wurde.

Das Wetter ist an diesem Tag nicht das Allerbeste, scheint in Lima doch während der gesamten Regenzeit durchschnittlich nur an zwei Tagen die Sonne und so kommen unsere Zwischenstopps in den Bars gerade recht. So kehren wir ein im „Hotel Maury“, das die älteste Bar der Stadt beherbergt. Bereits das Ambiente versetzt uns in eine andere Zeit und wir können den Flair des 19. und frühen 20. Jahrhunderts spüren. Ein netter alter Herr, der zu Fuß nicht mehr ganz so gut unterwegs ist und wahrscheinlich auch so manch eine Geschichte aus dem Nähkästchen erzählen kann, bedient uns und glaubt mir…dieser Barkeeper versteht sein Handwerk! Wir testen uns durch den „Pisco Sour“, ein Cocktail aus dem Traubenschaps Pisco, Zitronen- oder Limettensaft, Zuckersirup und Eiklar und den „Algarrobina“, ebenfalls ein traditionell perunanischer Cocktail aus Pisco, Johannisbrot, Kondensmilch, Eigelb (optional) und Zimt. Letzterer hat einen schokoladigen Touch und schmeckt mir daher besonders gut.

Auch der zweiten Bar, die Willi uns empfohlen hat, statten wir einen Besuch ab, handelt es sich doch um das „Gran Hotel Bolivar“, das erste moderne Hotelgebäude der Stadt, eingeweiht 1924. In der dazugehörigen Bar saßen bereits Charles de Gaulle, Richard Nixon, Robert Kennedy, Ernest Hemingway oder Ava Gardner. Letztere tanzte barfuß und von zu viel Pisco Sour angeheitert auf der Theke und wurde letztendlich von einem angeblich nüchternen John Wayne zurück aufs Zimmer gebracht. Diesem Herren begegnen wir auf unserer Reise ja auch nicht zum ersten Mal… (s. dazu Artikel „Auf den Spuren von John Wayne #035“). Und auch hier testen wir uns weiter durch die „Pisco-Karte“, aber keine Angst, zum Tanz auf der Theke kam es an diesem Nachmittag von unserer Seite aus nicht! 🙂

Am nächsten Tag stehen für uns noch ein paar Erledigungen in Lima an, so machen wir einen Abstecher in eine Einkaufsmall und zum Baumarkt, füllen unseren Kühlschrank mal wieder auf, erhalten nach mehreren Systemabstürzen im Handyladen endlich unsere peruanischen SIM-Karten und decken uns mit dem Höhenmedikament „Dexametasona 4mg“ ein, das uns Willi empfohlen hat. Abends gehen wir noch einmal ganz traditionell peruanisch essen und verschätzen uns ein wenig bei der Größe der Portionen…

Dann verlassen wir Lima und machen uns weiter auf den Weg die Küste entlang Richtung Huacachina. Der Ort liegt in einer Oase, umgeben von unzähligen Sanddünen, die mit ihrer Höhe von ca. 100 Metern zu den höchsten des Landes zählen. Direkt an den Dünen finden wir einen kleinen Campingplatz („Ecocamp Huacachina“)…sehr praktisch! Da wir ja wieder an der Küste sind, ist es vorbei mit den kalten Temperaturen der Anden und so stapfen wir in der Sonne die Dünen hoch…und ja, es ist seeeeehhhrr anstrengend! Es werden hier auch typische Touristentouren angeboten, bei denen man mit Offroad-Fahrzeugen durch die Dünen heizt oder mit dem Sandboard die Dünen wieder herunterrutscht. „Nix“ für uns, wir stapfen hoch und so manches Mal frage ich mich mit trockener Kehle: „Warum eigentlich?“ Dann sind wir oben und genießen den Ausblick auf die Oase. So ist es dann doch schön 🙂 !

Herunter geht es dann natürlich wieder ganz fix, auch wenn der Sand in jeder Pore unseres Körpers steckt. Wie gut, dass es an unserem Campingplatz eine Dusche und einen Pool gibt. Letzeres mitsamt einer Bar, bei der man das Getränk gleich im Wasser verzehren kann. Das ist definitiv eine gute Belohnung für die Kraxelei!

Auch am nächsten Tag machen wir uns wieder auf den Weg, es geht nach Nazca…ein Ort bzw. eine Umgebung, die für ihre sogenannten „Nazca-Linen“ bekannt ist. Dies sind über 1500 riesige, nur aus der Luft und von umliegenden Hügeln aus erkennbare Bodenlinen, sogenannte Geoglyphen, bennant nach der unweit der Ebene liegenden Stadt Nazca. Als Urheber der Linien gelten die Paracas-Kultur und die Nazca-Kultur in der Zeit von 800-200 v. Chr. Die Nazca-Ebene zeigt auf einer Fläche von 500 km² schnurgerade, bis zu 20 km lange Linien, Dreiecke und trapezförmige Flächen sowie Figuren mit einer Größe von etwa zehn bis mehreren hundert Metern, z. B. Abbilder von Menschen, Affen, Vögeln und Walen. Oft sind die figurbildenden Linien nur wenige Zentimeter tief. Durch die enorme Größe sind sie nur aus großer Entfernung zu erkennen, von den Hügeln in der Umgebung oder aus Flugzeugen. Alles klar, das schauen wir uns doch einmal an! Direkt an der Straße liegt ein hoher Turm, von dem aus man schon die ersten Figuren ganz gut erkennen kann.

Dann geht es zum nahegelegenen Campingplatz („Nazca Lodge“), bei dem wir auch zufällig Manfred und Susanne aus Deutschland wiedertreffen, die wir bei unserem ersten peruanischen Stellplatz am Strand kennengelernt haben. Auch an diesem Platz hier lässt es sich sehr gut aushalten und der Besitzer Enrique und seine Familie empfangen uns mit offenen Armen. Beim Thema Nazca-Linien ist Enrique zudem voll in seinem Element und so vermittelt er uns eine Tour mit einem Propeller-Flugzeug für den nächsten Tag, um die Linien aus der Luft noch besser bewundern zu können. Gesagt, getan! Am nächsten Morgen sind wir schon früh auf den Beinen und erhalten erstmal eine private einstündige Info-Veranstaltung von Enrique, der uns mit voller Leidenschaft von seiner Heimat und den Linien erzählt. Es ist tatsächlich bewunderswert, wie diese Linien und Bilder fast 2800 Jahre, trotz aller der Witterungsverhältnisse, überdauern konnten und erst in den 1920er Jahren entdeckt wurden. Wie die Menschen damals diese komplexen und symetrischen Figuren in dieser Größenordnung mit denen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln kreieren und herstellen konnten, ist tatsächlich enorm. Nachdem uns ein Shuttle (der Fahrer hat übrigens einen sehr besonderen Fahrstil) vom Campingplatz abgeholt hat, erreichen wir einen kleinen Flughafen, der anscheinend nur dazu dient, Touristen über die Linien zu fliegen.

Mit zwei Piloten und drei weiteren Touristen besteigen wir die Maschine…dann heben wir ab und ich muss sagen, dieses wackelige Gefühl ist durchaus gewöhnungsbedürftig. Normalerweise machen Peter und mir weder eine unruhige See noch ein paar Luftlöcher magentechnisch etwas aus, an diesem Morgen allerdings haben wir beide ganz schön viel damit zu tun, uns abzulenken, wenn unser Frühstück sich die Nazca-Linien nicht auch aus der Nähe anschauen soll. Dadurch, dass jeder Passagier die Figuren gut erkennen können soll, fliegen wir so manche extra Schleife. Hinter mir sitzt eine junge Touristen, die zuvor noch fleißig vor der Propeller-Maschine für Fotos gepost hat und jetzt aber hinter ihrem Sitz nicht mehr hervorkommt, weil ihr so schlecht ist. Ok, wir konzentrieren uns mal auf die Linien! Wir fliegen hinweg über eine wirklich schöne Landschaft und können die Linien von oben gut erkennen, was dieses geschichtliche Ereignis noch unglaublicher macht. Auch sehen wir von oben den Turm, auf dem wir am Vortag gestanden und die ersten Figuren erblickt haben. Nach rund 40 Minuten haben wir dann wieder festen Boden unter den Füßen und Peter und ich sind durchaus froh darüber…die Dame im Sitz hinter mir, glaub ich auch! Zu guter Letzt können wir ein weiteres Zertifikat zu unserer Sammlung hinzufügen (s. dazu Artikel „Wir sind im Goldrausch #015“). 🙂

Zurück am Campingplatz brauchen wir erstmal eine Weile, um uns magentechnisch wieder zu akklimatisieren. Dann irgendwann können wir Pool, etwas zu essen und den ein oder anderen Pisco-Cocktail wieder genießen!

Und auch am nächsten Tag geht es wieder für uns weiter.

Wohin?

Seid gespannt!