– Und warum tanken hier durchaus eine Herausforderung ist –
Wir erreichen die Grenze nach Bolivien. Es ist Sonntag Nachmittag und an diesem Grenzübergang sind wir tatsächlich gerade die Einzigen, die Peru verlassen und Bolivien betreten wollen. So plauschen wir ein wenig mit den Grenzbeamten und erleben mit ca. 30 Minuten für die Ein- und Ausreise unseren bisher schnellsten und reibungslosesten Grenzübertritt…nicht ahnend, dass uns dieser noch zum Verhängnis werden kann.
Jetzt also auf in ein neues Land…das mittlerweile 14. auf unserer Reise! Bolivien hat rund 12,1 Millionen Einwohner, wo von ca. 50% der indigenen Bevölkerung angehören. Trotz hoher wirtschaftlicher Wachstumsraten von durchschnittlich 4,5% zwischen 2006 und 2019 gilt Bolivien noch immer als eins der ärmsten Länder Lateinamerikas. Zwar ist Bolivien reich an Bodenschätzen, aber vieles davon ist privatisiert und sowohl Firmen als auch Privatperson drücken sich davor Steuern zu zahlen. Außerdem leiden immer mehr kleinbäuerliche Familien sowie die indigene Bevölkerung unter Armut und Mangelernährung, denn durch den illegalen Bergbau und die Abholzung des Regenwalds für den Palmen-, Avocado- und Soja-Anbau verlieren sie ihre Lebensgrundlage. Viele von ihnen ziehen in die Städte, wo sie dann allerdings keine Arbeit finden. Die Lebenserwartung der Einwohner Boliviens lag 2021 bei 63,6 Jahren (Frauen: 66,8, Männer: 60,9).
Unsere erste Nacht verbringen wir in der Nähe der Grenze auf einem Parkplatz vor einem Militärgelände, auf dem wir sicher und ruhig stehen können. Am nächsten Tag geht es dann weiter und so erhalten wir einen ersten Eindruck von diesem für uns neuen Land. Wir erleben ein recht armes Bolivien, in dem uns tatsächlich viel an Peru erinnert. Auch hier stapeln sich Müllberge am Straßenrand, viele Straßen sind in einem desaströsen Zustand und alles scheint ein wenig chaotisch zu sein. Vor uns fährt ein LKW, der mit Ziegelsteinen beladen ist…diese sind allerdings ungesichert und so fallen ihm regelmäßig Steine von der Ladefläche auf die Straße…und das genau vor uns! Ein durchaus gefährliches Unterfangen, was hier aber niemanden zu interessieren scheint.
Dann erreichen wir die Hauptstadt La Paz (nach La Paz in Mexiko nun schon die zweite Stadt in der wir uns aufhalten mit diesem Namen). Wenn man es genau nimmt, hat Bolivien sogar zwei Hauptstädte. Die offizielle Hauptstadt Boliviens ist Sucre, der Sitz der Regierung befindet sich jedoch in La Paz, dessen Stadtgebiet auf Höhen zwischen 3200 m und 4100 m liegt. Damit gilt La Paz als der höchstgelegene Regierungssitz der Erde. Wir sind also immer noch in der Höhe unterwegs…und das nicht zu knapp! Unser Campingplatz („Las Lomas“) liegt zudem noch über den Dächern der Stadt auf einem der unzähligen Hügel, die La Paz umgeben. Dieser besagte Campingplatz gehört Marcos und seiner Familie, der uns zum einen sehr freundlich empfängt und zum anderen auch Mechaniker ist und sich mit Autos auskennt. Für Reisende ist das seeehhr praktisch und so treffen wir hier auf viele andere Weltenbummler. Weil einige davon bereits am nächsten Tag weiterziehen, sitzen wir am ersten Abend gemeinsam am Lagerfeuer und riesige T-Bone Steaks werden gegrillt. So hören wir wieder spannende Geschichten aus der ganzen Welt und verleben einen schönen Abend.
Am nächsten Tag stehen dann Wäsche waschen, Artikel schreiben und einige Erledigungen auf dem Programm, bevor am Folgetag Sprinti einmal von Marcos und Peter unter die Lupe genommen wird. Wir wollen mal genauer wissen, ob Sprinti die schlechten Straßen Perus und vor allen Dingen den riesen „Wumms“ vor kurzem (s. dazu Artikel „Abenteuerliche Straßen, eine sehr heikle Brücke und ein ordentlicher „Wumms“ #065″) gut verkraftet hat. Glücklicherweise sieht alles soweit ganz gut aus…es wird nur mal Zeit für neue Bremsscheiben…alles klar Sprinti, die sollst Du haben!
Wir verbringen noch zwei weitere Tag in La Paz, in denen wir uns die Stadt mal etwas genauer anschauen. Mit einem dieser kleinen Busse, die hier Colectivos heißen und zu Hauf unterwegs sind, fahren wir in die Innenstadt. Es wird mal wieder Zeit für neue SIM-Karten, die wir hier glücklicherweise recht unkompliziert bekommen und auch ein Geldautomat wartet auf uns, läuft doch hier in Bolivien das meiste noch mit Bargeld ab. Aber auch das ist schnell erledigt. In La Paz gibt es ein ganzes Seilbahn-System, das über die Dächer der Stadt führt und somit ein wenig den Straßenverkehr entlastet. Und so schauen wir uns La Paz erstmal von oben an.
Wir schlendern noch ein wenig durch diese große wuselige Stadt, bis uns irgendwann der Hunger packt. Aus hygienischen Gründen (unser europäischer Magen kann vielleicht nicht ganz so viel ab) verzichten wir hier auf Speisen von Straßenständen und suchen uns daher ein Restaurant. Bei dem ersten werden wir abgewiesen, weil denen sämtliche Zutaten ausgegangen sind, aber dann entdecken wir ein niedliches kleines Restaurant, in dem wir essenstechnisch fündig werden. Als wir so da sitzen werden wir plötzlich von einer netten jungen Dame in sehr gutem Englisch angesprochen und kommen ein wenig ins Plaudern. Es stellt sich irgendwann heraus, dass Diana auch deutsch spricht und sich gerade ein Business aufbaut, indem sie Touren in ihrer Heimatstadt anbietet. Wir verabreden uns also für den nächsten Tag, um mit ihr La Paz noch einmal von einer anderen Seite kennenzulernen.
Gesagt, getan! Mit Diana laufen wir durch die engen und vollen Straßen der Stadt, vorbei an unzähligen Märkten und Verkaufsständen. Wir kommen vorbei am kleinsten und am schmalsten Haus der Stadt, die sich zufällig genau nebeneinander befinden. Außerdem schlendern wir vorbei am Parlamentsgebäude und besuchen die Galerie von dem bolivianischen Künstler Roberto Mamani Mamani. Diana zeigt uns zudem, wie Händler Diebe warnen die Finger von ihrer Ware zu lassen. Wenn sie es doch tun, passiert mit ihnen das (s. erstes Bild)…
Es ist Ende Oktober und so steht auch hier steht das Fest der Allerheiligen bevor. Im letzten Jahr haben wir den „Dia de los Muertos“ noch in Mexiko verbracht (s. dazu Artikel „Endlich Strand und der „Dia de los Muertos“…#029“). Hier ist es zwar nicht so bunt und es handelt sich weniger um ein freudiges Fest, aber auch hier gedenkt man den verstorbenen der Familie. So zeigt uns eine Dame auf dem Markt einen Stand, der zum Gedenken aufgebaut wurde. Es sieht aus wie ein Opferaltar, bei dem jede Menge Gebäck und Obst drappiert wurde. Verspeist werden dürfen diese erst nach dem Feiertag, um Unglück abzuwenden.
Dann erreichen wir einen belebten Platz inmitten der Stadt, an den auch ein Gefängnis grenzt. Diana erzählt uns, dass in diesem Gefängnis eigentlich nur Platz für 700 Gefangene ist, in ihm leben aber 3000. Die Inhaftierten „wohnen“ hier gemeinsam mit ihren Familien und müssen für ihre „Räumlichkeiten“ Miete bezahlen, umgerechnet etwa 3000 Euro pro Monat. Jetzt mag man sich fragen, woher sie so viel Geld besitzen…es gibt ja einen Grund, warum sie sich im Gefängnis befinden und schließlich sind wir in einem Land, in dem das Drogengeschäft eine nicht all zu kleine Rolle spielt. Die Tage hier laufen so ab, dass die Kinder die Schule, außerhalb des Gefängnisgeländes und ebenfalls an den belebten Plaz angrenzend, besuchen und auch die Frauen verlassen morgens das Areal, um außerhalb zur Arbeit zu gehen. Die Insassen hingegen, dürfen das Gefängnis ebenfalls für einige Stunden verlassen, wenn sie einen „wichtigen Grund“ vorweisen können und dafür bezahlen. Alles in allem ist das Leben für die Inhaftierten und ihre Familien also gar nicht sooo schlecht innerhalb der Gefängnismauern und vor allem ist es sicher. Und so kommt es nicht selten vor, dass die Gefangenen diese Räumlichkeiten gar nicht mehr verlassen wollen und „länger bleiben“ als geplant. Diana erzählt uns auch von einem britischen Staatsbürger aus Afrika stammend, der nach Bolivien kam und zum Drogenschmuggel überredet wurde…sein Name Thomas McFadden. Nach seinem dritten Einsatz wird er geschnappt und landet in eben diesem Gefängnis, was innerhalb der Mauern übrigens auch keine Wärter hat. Thomas merkt schnell, dass dieses kein gewöhnliches Gefängnis ist und als „eingefleischter Businessman“ überlegt er sich, dass diese Lokalität auch Touristen anlocken könnte. So bietet er kurzerhand Touristen an, sie durch das Gefängnis zu führen (sicherlich war dies nur möglich, in dem auch Gelder in gewisse Hände geflossen sind). Der Touristenandrang ist so groß, dass sich draußen auf dem Platz lange Schlangen bildeten und die Menschen stundenlang anstanden, um sich das Gebäude von innen anzuschauen. Also überlegte sich Thomas, dass doch Partys im Gefängnis wahrscheinlich auch gut funktionieren würden. Kurzerhand wird auch diese Idee in die Tat umgesetzt und so feierten Touristen und Inhaftierte gemeinsam ausschweifende Partys innerhalb der Gefängnismauern. Aber Thomas war mit seinen Ideen noch nicht am Ende und eröffnete zusätzlich ein Hostel, ebenfalls für Touristen, die mal ganz stilecht im Gefängnis übernachten wollen. Irgendwann verließ Thomas, nachdem er seinen Aufenthalt freiwillig bereits verlängert hatte, das Gefängnis und damit endeten auch diese „speziellen Geschäftsideen“ hier hinter diesen Mauern. Als ein australischer Journalist auf seiner Südamerikareise von dieser Geschichte hört, fasst er den Entschluss, über diese „Lokalität“ ein Buch zu schreiben. Und wo geht das besser als vor Ort? Also bat er das Gefängnis freiwillig für eine gewisse Zeit dort leben zu dürfen. Auch diesem wurde stattgegeben und so existiert heute ein Buch über diesen Ort und auch ein Film ist in Produktion. Wir kommen aus dem Schmunzeln nicht mehr heraus, als Diana uns diese wahre Geschichte erzählt…ja, dieses Bolivien!
Als nächstes gelangen wir zum „The Witches Market“, dem sogenannten Hexenmarkt, eine Straße, die sich durch ihre bunten Farben auszeichnet und in der es jede Menge traditionelle Handwerkskunst und Textilien zu kaufen gibt. Allerdings nicht nur das…so gibt es auch einige Mittelchen für oder gegen alles und zudem sehen wir viele kleine Alpaka-Babys, die von der Decke hängen und in der Auslage drappiert sind. Sie sehen aus wie niedliche Kuscheltiere…beim genauen Betrachten, wird allerdings deutlich, dass es sich um echte, tote Alpaka-Babys handelt, die von den Einheimischen als Opfergabe gekauft werden. Wenn ein besonderes Ereingnis ansteht, man für Schutz oder Erfolg bittet, baut man einen Schrein mit allen Dingen auf, die man sich wünscht und als Opfergabe dient dann dieses Alpaka-Junge. Auch wenn es interessant ist, in fremde Kulturen einzutauchen und sie näher kennenzulernen, so fühlt sich diese Vorgehensweise für uns doch sehr befremdlich an.
Aus den geplanten 2,5 werden fast 6 Stunden mit Diana, weil wir uns verquatschen, gemeinsam etwas essen gehen und uns an der ein oder anderen Stelle etwas mehr Zeit lassen, um diese Stadt zu erkunden. Und so kehren wir ziemlich geschafft zum Campingplatz zurück…im Gepäck einen total interessanten Einblick von dieser auf den ersten Blick gar nicht so bunten Stadt. Vielen Dank dafür, liebe Diana! (Wer auch mal eine Tour bei Diana buchen möchte, hier findet Ihr die entsprechenden Kontaktdaten.)
Dann verlassen wir La Paz wieder. Unser Plan ist es, in die „zweite“ Hauptstadt Boliviens, nach Sucre zu fahren. Die Stadt soll wunderschön sein, allerdings bedeutet sie für uns auch einen Umweg von rund acht Stunden. Als wir dann wieder auf den schlechten Straßen Boliviens unterwegs sind, entscheiden wir uns spontan um, lassen Sucre aus und machen uns direkt auf den Weg Richtung Süden. Noch dazu kommt in diesem Land, dass sich die Benzinbeschaffung durchaus abenteuerlich gestaltet. Der Sprit wird nämlich vom Staat subventioniert…das natürlich nur für die Einheimischen und nicht für die Touristen. Die Touristen erhalten also einen separaten, viel höheren Preis (der allerdings immer noch niedriger ist als der Spritpreis in Deutschland). Viele Tankstellen haben allerdings keine Lust, das Benzin anders abzurechnen und verkaufen schlichtweg keinen Sprit an Touristen. So ist es nicht selten, dass man vier, fünf oder mehr Tankstellen anfahren muss, um fündig zu werden…wenn man überhaupt etwas bekommt. Bei der doch recht schlechten Infrastruktur im Land, ist das durchaus eine Herausforderung und man sollte definitiv nicht auf den letzten Drücker versuchen zu tanken! Da das Benzin zudem noch von sehr schlechter Qualität ist, haben wir uns nach unserer kleinen“Flugstunde“ mit Sprinti vor kurzem einen neuen Kanister besorgt und ihn mit peruanischen Sprit hinten im Auto. Damit kommen wir allerdings nur etwa 100 Kilometer weit und in Sachen Sicherheit ist das sicherlich auch nicht optimal, befindet sich der Kanister doch innerhalb unseres Wagens. Dann allerdings wird es auch bei uns Zeit…wir müssen tanken. Wir erreichen den etwas größeren Ort Oruro, der mehrere Tankstellen haben sollen…Google hilft hier übrigns nur bedingt weiter, weil es schlichtweg nicht gepflegt wird und somit stimmen oft weder Ortsangaben noch Öffnungszeiten. Die Straßen sind wie sehr oft ungeteert und alles ist staubig, so dass wir die Fenster nicht öffnen können und dennoch findet der Staub seinen Weg durch gefühlt jede Ritze. An den Tanstellen bilden sich lange Schlange, weil gerade der Diesel momentan knapp ist, jetzt brauchen wir mit Sprinti glücklicherweise Benzin, aber den gibt man uns nicht. Erst an der vierten Tankstelle haben wir Glück und erhalten zwar qualitativ sehr schlechten Sprit (sorry Sprinti!), aber immerhin wird unser Tank gefüllt, als wir „sin factura“ anbieten und sagen, wir würden es „zu schätzen“ wissen, was bedeutet, dass das ganze inoffiziell abgerechnet wird. Das wiederum heißt, dass wir bar bezahlen und unser Preis zwar niedriger ist als der Touristenpreis, aber dennoch höher als der für die Einheimischen. Die Differenz steckt sich der Tankwart ein…ja, dieses Bolivien!
Unser Weg führt uns weiter Richtung Süden. Wir fahren durch die Wüste und so manche Windhose peitscht Unmengen an Sand und Staub über die Straße. Dann ändert sich die Landschaft plötzlich erneut und wird ein wenig grüner. Kurz vor der Dämmerung erreichen wir schließlich einen Aussichtspunkt etwas abgelegen der Straße, an dem wir sicher und kostenfrei stehen können. Zwar pfeifft der Wind auch hier auf dieser Anhöhe ordentlich, aber dafür werden wir am nächsten Morgen von einer Herde Lamas begrüßt, die hier den Weg kreuzen. Und auch Vikunjas sind nicht weit.
An diesem Tag erreichen wir einen besonderen Ort…die Salar de Uyuni, die größte Salzwüste der Erde…
…aber davon erzähle ich Euch dann beim nächsten Mal mehr.
Wir senden die liebsten Grüße in die Heimat!