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Beagle Kanal

Reiseberichte Antarktis

Die Antarktis (#075)

28. Januar 2024

– Was ein faszinierender Kontinent –

Ja, wir wagen es! Lange haben wir aus ökologischen und aus Kostengründen mit uns gehadert, ob wir den Trip in die Antarktis wirklich machen sollen. Wir haben uns nun kurzfristig dafür entschieden…wir wollen den kältesten, windigsten und tatsächlich auch trockensten Kontinent auf dieser wundervollen Erde kennenlernen. Wir möchten ein wenig hineinschnuppern in diese komplett andere Welt, ohne sie dabei zu stören und sind nun schon ganz gespannt auf dieses einmalige Erlebnis! Wir befinden uns noch immer im Süden Argentiniens, in Ushuaia, denn von hieraus legen die Schiffe in die Antarktis ab.

Am 1. Januar 2024 klingelt bereits früh am Morgen unser Wecker. Nach dem gar nicht mal so kurzen Silvesterabend mit unseren Freunden, klingt der Wecker nicht wirklich wie Musik in unseren Ohren. Kurz darauf packen wir die letzten Dinge in unsere Reisetaschen und geben diese letztendlich in einem Hostel, das als Abgabeort dient, ab. Sprinti parken wir auf dem Parkplatz des Reiseanbieters (Freestyle Adventure Travel), wo er die nächsten 12 Tage hoffentlich sicher stehen kann. Und wie man sieht, hat er dort beste Gesellschaft, denn auch das Fahrzeug von unseren Freunden Arthur und Judith (Yoda Travels), die sich bereits am 29. Dezember auf den Weg in die Antaktis gemacht haben, ist hier geparkt…daneben sieht Sprinti echt ganz schön klein aus.

Ein paar Stunden später ist es dann soweit…wir treffen am Hafen auf die anderen Passagiere und dürfen dann auf unser Schiff…die Polar Pioneer. Sie wurde 1982 in Finnland als eisverstärktes Forschungsschiff gebaut und verkehrte viele Jahre lang in den tückischen Gewässern der Nordküste der UdSSR. Im Gegensatz zu den großen Luxusdampfern, die hier unterwegs sind, ist die Polar Pioneer mit ihren nur maximal 54 Passagieren ein recht kleines Schiff (71,6 m lang, 12,8 m breit). Von Oktober bis März ist sie auf Expedition in der Antarktis unterwegs, bevor sie sich dann mitsamt der festen Crew und ohne Passagiere auf den Weg in den Norden macht (diese Überfahrt dauert je nach Wetterlage 37 Tage) und von Mai bis September als Expeditionsschiff in der Arktis eingesetzt ist.

Dann legen wir ab und verlassen den Hafen von Ushuaia. Vor uns liegt als erstes der Beagle Kanal, eine natürliche Wasserstraße (benannt nach dem Schiff, der HMS Beagle, dessen Nachbau wir in der letzten Woche besichtigt haben…siehe dazu Artikel „Von Alaska bis Feuerland…wir haben es geschafft! #074“), die in die Drake Passage mündet. Die Drake-Passage wird die Meeresstraße zwischen der Südspitze Südamerikas (Kap Hoorn) und der Nordspitze der Antarktischen Halbinsel bezeichnet. Sie verbindet den Atlantischen Ozean mit dem Pazifischen Ozean.

Nachdem wir unsere Kajüte bezogen haben, ist für uns und die anderen Passagiere ein erstes Treffen in der Lounge angesagt. Dort lernen wir unsere Guides kennen und werden mit allen Sicherheitsmaßnahmen vertraut gemacht.

Dann ist Abendessenszeit und soviel sei vorweggenommen, wir werden die ganzen 12 Tage vom Allerfeinsten verpflegt und es ist mir so manches Mal schleierhaft, wie die Küchencrew das bei all dem Geschaukel hinbekommt. Es stellt sich heraus, dass wir tatsächlich eine sehr bunt gemischte Gruppe sind, so haben wir mit 47 Passagieren und 27 Crew-Mitgliedern ganze 15 Nationen an Bord, was es umso spannender für uns macht. Spätestens beim Abendessen werden die ersten Kontakte geknüpft und wir fühlen uns auf der Polar Pioneer direkt pudelwohl.

Die ersten zwei Tage sind wir auf der Drake Passage und damit auf dem offenen Meer unterwegs. Da sich hier der Atlantik und der Pazifik treffen und die kalte Luft aus der Antarktis die Winde ordentlich beschleunigt, ist dies der stürmischte Ort der Welt. Es ist also Standard, dass Tabletten gegen Seekrankheit eingenommen werden sollten und dass der Körper das nicht ganz so einfach wegsteckt. Also laufen die ersten zwei Tage inhaltlich etwas ruhiger ab, während draußen die See tobt. Das Tolle auf der Polar Pioneer ist, dass wir Tag und Nacht jederzeit auf die Brücke dürfen und die Captains uns absolut jede Frage beantworten.

Und dann ist es soweit, wir sehen unseren ersten großen Eisberg! Geradezu majestätisch bäumt er sich vor uns auf und seine Größe ist absolut beeindruckend. Peter und ich müssen uns kneifen…wir sind tatsächlich auf dem Weg in die Antarktis!

Da es sich bei der Polar Pioneer um ein Expeditionsschiff handelt, besteht unsere Crew unter anderem aus Meeresbiologen oder Geographen mit dem Schwerpunkt Antarktis. Auch mehrere Naturfilmer sind dabei, die z.B. schon für National Geographic, BBC oder Peter Attenborough gearbeitet haben. So werden täglich Informationsveranstaltungen angeboten, bei denen wir total interessante Dinge über die Geschichte und die Entdecker der Antarktis, über den verheerenden Walfang in der Vergangenheit, über die Tierwelt und die Geologie der Antarktis erfahren.

Folgende Regionen fahren wir auf unserer Reise an:

Nach zwei Tagen erreichen wir zum ersten Mal Land…wir sind in der Antarktis! Glücklicherweise sind wir von unserem Reiseveranstalter und der Crew bestens ausgestattet worden, mit Schneeanzug und gefütterten Gummistiefeln. Zwar sind es im jetzigen Sommer in der Antarktis durchschnittlich sogar 0 Grad Celsius, allerdings kann das Wetter im Minutentakt umschlagen und so sind Schneestürme keine Seltenheit. Wir sind also bestens ausgestattet! Unsere Tage sind von nun an eng getaktet, so stehen meist zwei Landgänge oder ein Landgang und eine Tour mit dem Zodiac (sehr stabiles motorisiertes Schlauchboot) an, bei denen wir diesen siebten Kontinent entdecken können. Einfach der absolute Wahnsinn sag ich Euch! Aber seht selbst…

Da es derzeit immer wieder Fälle von Vogelgrippe in der Antarktis gibt und wir natürlich auch keine weiteren Keime auf diesem Kontinent verteilen möchten, passieren wir, wenn wir das Schiff verlassen und wieder betreten, eine sogenannte Reinigungsschleuse, bei der Schuhe und Hose abgespritzt werden. Zudem dürfen wir an Land nur mit unseren Schuhen den Boden berühren, d.h. kein Hinsetzen oder Hinknien und kein Abstellen jeglicher Utensilien, wie Rucksack etc. An Land haben unsere Guides zudem den Weg abgesteckt, den wir laufen dürfen, so dass wir weder die Tiere noch uns in Gefahr bringen.

Apropos Tiere…wir sind wieder einmal absolut fasziniert davon, was wir hier zu Gesicht bekommen…z.B. Seeelefanten, Buckelwale, Zwergwale, Pilotwale, Delfine, Adelie-Pinguine, Zügelpinguine, Eselspinguine, Weddelrobben, Krabbenfresserrobben, große Raubmöwen (Skua), Antarktik-Kormorane, Weißgesicht-Scheidenschnabel, Antarktisseeschwalben, Riesensturmvögel, Buntfuß-Sturmschwalben, Kapsturmvögel, Taubensturmvögel, Schwarzbrauenalbatrosse, Graumantelalbatrosse…alles dabei! Und besonders, wenn wir sehen, wie Wale an uns vorbeiziehen, ist es jedes Mal ein ganz besonderes Gefühl.

Und was schmeckt dann abends besser als ein frisch gemixter Drink an Bord? Ganz einfach…ein frisch gemixter Drink an Bord mit Eis aus der Antarktis…was wir dazu noch selbst aus dem Wasser gefischt haben. Und so genehmigen wir uns ausnahmsweise an diesem Abend auch mal ein Glas. „Ausnahmsweise“ deshalb, weil Alkohol bei eventuellen Stürmen nicht die beste Idee ist.

Wenn man sich überlegt, dass wir während unserer gesamten Panamericana-Reise noch nie so weit von zu Hause (ca. 14.800 km) weg waren, so ist es schon paradox, dass wir derzeit „nur“ einen Zeitunterschied von 4 Stunden zu Deutschland haben, während wir z.B. in Kalifornien noch 9 Stunden Unterschied hatten. Zeitlich gesehen, liegt Deutschland also näher an Ushuaia oder der Antarktis als der Westen der USA.

Wir befinden uns gerade auf dem -65.17. Breitengrad, noch rund 100 Kilometer entfernt vom südlichen Polarkreis. In Kanada haben wir den nördlichen Polarkreis ja sogar überqueren können (s. dazu Artikel „Reifenpanne auf dem Dempster Highway #014“), hier ist das allerdings nicht so leicht möglich, da es schwierig und mühsam ist unter diesen Bedingungen ins „Landesinnere“ zu gelangen. Bis auf ein paar Forschungsstationen ist die Antarktis nicht bewohnt.

Und eben weil wir soweit südlich sind und derzeit Sommer ist, wird es nachts auch nie richtig dunkel. Eines Nachts, als ich plötzlich wach werde, weil unerwarteterweise die Motoren der Polar Pioneer angeworfen werden, ziehe ich mir kurzerhand eine Jacke über den Schlafanzug, schlüpfe in die Stiefel und gehe raus an Deck. Es ist nachts um 2.30 Uhr und noch immer ist es hell. Die Sonne wird auch in dieser Nacht nicht untergehen. Bis auch zwei Crew-Mitglieder, die die schweren Ankerketten mithilfe eines Motors hochziehen, bin ich ganz allein an Deck. Und so liegt sie vor mir, die Antarktis, in diesem speziellen Licht und das Meer absolut still…was ein besonderer Moment! Immer mehr Eis hat sich in den letzten Stunden um die Polar Pioneer angesammelt. Nun erfahre ich auch, warum wir diesen Ort spontan mitten in der Nacht verlassen müssen…ein Eisberg treibt immer weiter auf uns zu. Zwar ist die Polar Pioneer für diese Meere konzipiert und befindet sich eine Stufe unter einem Eisbrecher, aber sicher ist sicher.

Wenn die Antarktis für eins steht, dann für Pinguine! Zu Hunderttausenden treffen wir sie hier auf den Inseln an. In dieser Gegend sind es Adelie-Pinguine, Zügelpinguine und Eselspinguine, die sich zu dieser Jahreszeit an Land treffen, um sich fortzupflanzen und die Jungen großzuziehen. Jedes Jahr kehren sie dabei zum gleichen Platz zurück und suchen dort nach dem Partner aus dem Vorjahr…wenn die Fortpflanzung erfolgreich war. War sie es nicht, suchen sie sich neue Partner. Die Weibchen legen meist ein Ei und wenn die Voraussetzungen besonders gut sind, auch zwei. Anders als bei den Königspinguinen, wo die Eier auf den Füßen liegen, um warmgehalten zu werden, liegen sie hier auf dem Boden und werden warmgehalten, indem sich Mutter oder Vater darüberbeugen. Wir sehen zu, wie die Elterntiere mühsam und voller Hingabe ihre Nester bauen…Stein für Stein. Da die Pinguine sich beim Brüten abwechseln, ist der eine Elternteil beim Nest, während der Andere im Meer Fische jagt. Dadurch ist es auf den Inseln immer ein ganz schönes Gerenne und die Pinguine haben sich im Schnee schon richtige Spuren erlaufen…die sogenannten „Pinguin-Highways“. So ist es sehr lustig zu beobachten, wie sie hoch und runter watscheln oder auch mal auf dem Bauch den Berg herunterrutschen.

Diese Natur mit ihren gewaltigen Gletschern und wundervollen Eisbergen… absolut einmalig! Wir kommen aus dem Staunen einfach nicht mehr heraus.

Selbst die Schneeflocken hier sehen schön aus…

Was wäre ein Trip in die Antarktis, ohne dass wir dabei bei – 4 Grad ins Meer springen…der sogenannte „Polar Plunge“. Mit unserem Schiffsarzt Andres im Zodiac, dem Rettungsring im Wasser und einer Sicherheitsleine um die Hüften geschnallt, darf jeder, der möchte ins eiskalte Wasser springen. Das können Peter und ich uns nicht entgehenlassen…und ich kann Euch sagen: „Da friert einem einfach alles ab!“ Zurück an Bord gibt es von unserem Guide Cherese erstmal einen Vodka und viele huschen danach in die sich an Bord befindliche Sauna. Peter und ich springen fix unter die heiße Dusche und feuern dann schnell draußen die nächsten Springer an. Die Stimmung ist super!

Unser Fotograf an Bord Jean-Paul (jpdelaharpe) hat uns ein Video mit allen Eindrücken dieser Fahrt zusammengestellt und das möchten wir Euch nicht vorenthalten. Es vermittelt glaube ich ganz gut, was wir Tolles hier erleben. Ihr erkennt uns daran, dass ich eine recht leuchtend blaue Skihose trage und Peter meist nicht weit weg (ganz in schwarz gekleidet) und wie immer der Größte. Und vielleicht entdeckt Ihr uns ja auch beim Polar Plunge 🙂 !

Nach 10 Tagen ist es an der Zeit, dass wir uns auf den Rückweg machen…schweren Herzens, ehrlichgesagt! Die Wettervorhersage für die Drake Passage ist „nicht optimal“…ein ordentlicher Sturm ist unterwegs! Also sammeln wir von einer Vorschungsstation noch eben zwei deutsche Wissenschaftler ein, die die letzten Wochen hier verbracht haben und versuchen dann noch schnell vor dem Sturm nach Ushuaia zurückzukommen. Aber „schnell“ funktioniert auf einem Schiff ja nur bedingt und so erwischen uns die ersten Anzeichen des Sturms dann doch. Die zwei Tage auf der Drake Passage bescheren uns also 6 Meter hohe Wellen (was hier nichts besonderes zu sein scheint) und eine Schräglage von teilweise 40 Grad. Ohne Tabletten gegen Seekrankheit kommt also niemand aus und unsere Essenslounge war selten so leer wie in diesen zwei Tagen. Wir schaukeln nicht nur nach vorne und hinten, sondern auch von links nach rechts. Da Peter und mein Einzelbett in unterschiedliche Richtungen zeigen, bedeutet das, dass ich nachts regelmäßig komplett ans Fußende rutsche, nur um kurze Zeit später mir fast den Kopf am Kopfende anzuschlagen. Für Peter heißt dieses Geschaukel, dass er von links nach rechts rutscht und trotz Kante fast aus dem Bett fällt. Auch der ein oder andere Schrank in unserer Kajüte schlägt trotz Sicherung auf, Sachen fallen heraus, der Stuhl kippt immer wieder um, ebenso der Mülleimer, der sämtlichen Inhalt auf dem Boden verteilt und auch die Schreibtischschublade findet immer wieder Gefallen daran sich samt Ladung herabzustürzen. Was ein Abenteuer, sage ich Euch!

Als die Drake Passage und Kap Hoorn überwunden sind, fahren wir wieder in den Beagle Kanal ein…und sofort wird es wieder ruhiger…

Dann erreichen wir wieder Ushuaia…

Nach dem Frühstück heißt es also Abschied zu nehmen…

…Abschied von der Crew, die sich immer bestens um uns gekümmert hat, egal wie herausfordernd die Umstände teilweise auch waren!

…Abschied von den Guides, die uns mit Rat und Tat zur Seite gestanden und uns mit ihrer Faszination für diesen Kontinent angesteckt haben!

…Abschied von den anderen Reisenden, mit denen wir dieses Abenteuer gemeinsam erlebt haben. All das hat uns schnell zu einer eingefleischten Truppe werden lassen, ganz egal welchen Alters oder welcher Nationalität!

…Abschied von der Polar Pioneer, „unser kleiner, aber mutiger Dampfer“, der uns heil und sicher über das stürmischte Meer der Welt und in die Antarktis gebracht hat!

Wir sind unendlich dankbar, diesen wunderbaren Kontinent haben kennenlernen zu dürfen. Welch wunderschöne Welt sich dort unten doch auftut…einfach einmalig und unbezahlbar dieses Erlebnis!

In Ushuaia laufen wir als erstes zum Touristenzentrum, was direkt am Hafen liegt und holen uns einen Stempel für unseren Reisepass. Nichts offizielles, aber trotzdem eine schöne Erinnerung 🙂 !

Dann holen wir Sprinti ab, der zum Glück wohlbehalten auf dem Parkplatz steht. Auch heute stehen Erledigungen wie einkaufen, Wäsche waschen, Filter wechseln, Wasser auffüllen etc. an. Als das alles erledigt ist, fahren wir zum Parkplatz mit Blick auf den Hafen. Hier wollen wir heute (dieses Mal hoffentlich ohne laute Motorradgeräusche) übernachten und so sehen wir, wie die Polar Pioneer gegen Abend wieder den Hafen verlässt…jetzt mit neuen Gästen…wieder auf dem Weg in die Antarktis!

Und während die Polar Pioneer am Horizont verschwindet, schlafen Peter und ich glückselig ein.

„Danke Antarktis, dass wir bei Dir zu Gast sein durften! Es war einfach wunderbar!“