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Toronto

Kanada Reiseberichte

Ein Orkan, Toronto und wir lernen das kanadische Gesundheitssystem kennen (#005)

29. Mai 2022

Dieser Artikel war ursprünglich ganz anders geplant, aber unverhofft kommt bekanntlich oft.

Als wir am vergangenen Wochenende unseren letzten Artikel (Wir entdecken Kanada und seine Städte #004) vorbereitet haben, so dass Ihr ihn ab Sonntag Vormittag lesen konntet, brauchten wir wie immer dafür Internet und irgendwo im Nirgendwo hatten wir das natürlich nicht. Also benötigten wir einen Ort oder eine Stadt mit öffentlichem WLAN, d.h. große öffentliche Gebäude, große Supermärkte oder Fast Food-Ketten…bei dem ein oder anderen hat man manchmal Glück. So landeten wir in dem kleinen Ort Bancroft…viel anderes war drumherum auch nicht. Langsam fing es an zu regnen, die Wettervorhersage sagte in den nächsten 15 Minuten ein ordentliches Unwetter voraus, was erst in ca. 2 Stunden weiterziehen würde. Wir entschieden uns also in Bancroft nach einem passenden WLAN zu suchen und den Sturm hier abzuwarten. Mittlerweile schüttete es wie aus Eimern, der Scheibenwischer kam kaum dagegen an und die Straßen standen sofort unter Wasser…nirgends WLAN. Also checkten wir die Fast Food-Läden als letzte Option ab. Los zu McDonald’s…doch weder auf dem Parkplatz noch drinnen haben wir Glück (wir werden vom Auto zum “Restaurant” und zurück nur nass). Dafür erleben wir im McDonald’s etwas anderes, nämlich wie gleichzeitig alle Handys anfangen zu klingeln. Alle, auch wir, bekommen zeitgleich von der Regierung eine Katastrophenschutzwarnung (Cell Broadcast). Es scheint also wirklich noch einiges im Anmarsch zu sein. Aber wir suchen weiter nach Internet und landen bei dem nächsten Fast Food-Laden Tim Hortons (der Lieblingskette der Kanadier und ich weiß bis heute nicht warum). Dort auf dem Parkplatz verbringen wir 3 Stunden, weil das Internet nun auch nicht sooo schnell ist und es ewig dauert, bis wir die Fotos und den Artikel hochgeladen haben. In der Zwischenzeit schauen wir zu, wie ein Veteran dem anderen Veteranen ins Auto fährt und erst anhält, als ihm auffällt, dass er beobachtet wurde. Mittlerweile hat der Regen aufgehört und die Sonne zeigt sich wieder etwas. Also war es ja gar nicht so extrem, denken wir. 

ENDLICH haben wir es dann geschafft und fahren 20 Minuten weiter zu unserem Stellplatz an einem See (ja, auch hier sagen die Insekten gerne mal „hallo“).

Am nächsten Tag geht es dann weiter Richtung Toronto und was wir auf dieser Strecke erleben ist schon heftig. Über eine Stunde lang fahren wir nur durch Gebiete mit umgestürzten Bäumen und abgeknickten Strommasten, müssen sogar über Stromleitungen fahren. Man sieht, dass an einigen Stellen schon Ranger am Werk waren und Bäume abgesägt und die Straßen freigeräumt haben. In Ortschaften brennen keine Lichter und auch die Ampeln sind ausgeschaltet, weil es keinen Strom gibt. Vor den Tankstellen und den Fast Food-Ketten haben sich endlose Schlangen gebildet. Zum einen, weil es zu Hause für die Menschen keinen Strom gibt, um sich etwas zu kochen, zum anderen, um Benzin für die Notstromaggregate zu bekommen.

Wie sich herausstellte, hatte am Vortag ein ordentlicher Orkan mit einer Windgeschwindigkeit von 132km/h und einer Flächenbreite von 1000km hier durch Ontario und Quebec gefegt. 900.000 Menschen sind ohne Strom, 10 Menschen verloren ihr Leben. Wir sind also dem langsamen Internet und den Umständen, die uns an Bancroft für einige Stunden gefesselt haben, sehr dankbar. Denn sonst wären wir weitergefahren und wären womöglich nicht so unbeschadet davon gekommen.

Dann endlich erreichten wir Toronto. Toronto ist mit 2,96 Mio. Einwohnern (8,1 Mio. Einwohner in der Region) die größte Stadt Kanadas und die Hauptstadt der Provinz Ontario. Toronto ist seit den 1970er Jahren, nachdem Montreal zuvor über Jahrzehnte hinweg diese Rolle zugefallen war, Kanadas Wirtschaftszentrum und weltweit einer der führenden Finanzplätze.

Die ältesten Spuren menschlicher Besiedlung im Raum der heutigen Stadt Toronto sind 11.000 Jahre alt. Prä-indianische Völker zogen nach der letzten Eiszeit von Süden an das Nordufer des Ontario Sees. Die Wyandot nannten den Ort Tarantua, abgeleitet von tkaronto aus der Sprache der Mohawk, die zu den Irokesen gehören. Es bedeutet Ort, an dem Bäume am Wasser stehen und später Ort der Zusammenkünfte oder Treffpunkt.

Mit unseren Erfahrungen aus den letzten Städten im Gepäck, haben wir uns für Toronto wieder einen möglichst “stadtnahen” Campingplatz ausgesucht. Hier stellt sich nun wieder die Frage: Nah an welcher Stadt? Weil sich hier nämlich eine an die nächste reiht und man in Sachen „Camping“ so richtig nah gar nicht an Torontos Innenstadt herankommt. Unser Ziel ist es also möglichst nah an das U-Bahn-Netz Torontos heranzurücken…das ist ja schon mal wenigstens etwas! Allerdings haben viele Campingplätze noch geschlossen oder erlauben, aufgrund des anstehenden Feiertags, nur eine gewisse Mindestübernachtungsdauer. Also bleibt da nicht allzuviel übrig und so landen wir an einem Platz mit schlechter Bewertung, „ruhig“ gelegen direkt an Bahnschienen, an der Autobahn und am Flughafen…das muss man auch erstmal hinbekommen :)! Ich kann sagen, er hat seinen Zweck erfüllt und wir hatten so die Möglichkeit mit einem Uber und der Metro in die Stadt zu fahren, während wir Sprinti am Campingplatz stehen lassen konnten. Also alles gut!

Weil Toronto so groß ist und man unmöglich alles erlaufen kann, entscheiden wir uns für eine typisch touristische Hop-On-Hop-Off-Bustour, um so auch erstmal einen Eindruck zu gewinnen.

Toronto hat ganze 140 Stadtteile und ihr Wahrzeichen ist der 553m hohe CN Tower. Der Fernsehturm war von 1975 bis 2007, bis der Burj Khalifa in Dubai eine Höhe von 555,3m erreichte, das höchste freistehende und nicht abgespannte Bauwerk der Erde. Natürlich wollen wir da auch hoch und die Aussicht genießen (einen Orden an Elisha Graves Otis, der 1861 das Patent für Aufzüge angemeldet hat). Wir schauen uns weitere bekannte Sehenswürdigkeiten der Stadt wie z.B. das alte und das neue Rathaus am Nathan Phillips Square an, wandern hoch zum Schloss Casa Loma, in dem derzeit eine Lady Diana-Ausstellung stattfindet, schlendern durch die Straßen und entdecken wie bunt und vielfältig Toronto ist. Zum Abschluss eines langen Tages kehren wir ein in einen Pub, essen Fish&Chips (wir hatten seit dem Frühstück nichts mehr gegessen) und probieren das dort ansässige Bier.

Spätestens in diesem Pub merke ich, wie es mir immer schlechter geht…mein Kopf glüht und ich habe ziemliche Gliederschmerzen. Seit ein paar Tagen rannte ich schon mit einer Blasenentzündung rum, aber man denkt sich ja, das geht schon vorbei und ich habe mir ehrlich gesagt auch nicht die Zeit genommen einen Gang herunterzuschalten. Doof eigentlich, erst Recht, weil wir auf dieser Fahrt ja nun wirklich auch die Möglichkeiten dazu haben. Aber wir hatten ja einen Plan und das war nun mal Toronto und alles was noch folgen sollte.

Nachts wurde es dann immer schlimmer…das Fieber stieg auf 39,2 Grad, ich hatte Kopf- und Gliederschmerzen und auch meine Nieren taten ganz schön weh. Also am nächsten Tag zur Apotheke. Hier gibt es fast in jedem großen Supermarkt eine integrierte Apotheke. Für sehr viele Medikamente benötigt man kein Rezept und man sucht sie sich aus wie im Supermarkt die Lebensmittel im Regal, vieles ist frei zugänglich. Von einem Bekannten hatten wir den Tipp bekommen, dass man hier, wie auch an einigen anderen Stellen, kostenfreie Corona-Schnelltests bekommt. Also sind wir dann doch zur Apothekerin im Walmart und haben meine Beschwerden geschildert. Wir erhielten zwar eine Packung mit tatsächlich kostenfreien Corona-Tests (meiner war dann auch negativ), aber keine weiteren Medikamente, weil uns die Apothekerin direkt zum Arzt schickte, als sie von meinen Symptomen hörte. Also nicht unbedingt weil es Corona hätte sein können, sondern weil sie Panik wegen meiner Nierenschmerzen hatte. Also musste ich dann wohl doch zu einem Arzt, weil so ganz ohne Medizin…so leichtsinnig wollte ich dann doch nicht sein…auch wenn es mir ganz schön gegen den Strich ging. Zum Glück haben wir eine Auslandsreisekrankenversicherung. Es war vor unserer Reise gar nicht so einfach die Richtige für uns zu finden. Sie muss für Nord- und Südamerika und für diesen langen Zeitraum von mind. 1 Jahr gelten. Zusätzlich sind natürlich auch die inhaltlichen Parameter relevant, so sollte z.B. ein evtl. Rücktransport medizinisch vertretbar und nicht nur medizinisch notwendig sein. Auch die Möglichkeit im Notfall für einen Heimaturlaub nach Deutschland reisen zu können und dort krankenversichert zu sein (wir haben derzeit dort keine deutsche Krankenversicherung) war für uns ein wichtiger Punkt, bei der Wahl der richtigen Versicherung. Ein weiterer Aspekt ist neben der Leistung natürlich auch der Preis. Sobald man Kanada und die USA als Reiseland mit enthalten hat, treibt das den Preis ordentlich in die Höhe, d.h. selbst wenn man sich schon gar nicht mehr in diesen Ländern aufhält, zahlt man z.T. immer noch den erhöhten Preis. Letztendlich fiel unsere Entscheidung somit auf die “Young Travellers”-Versicherung (ja, auch wir waren erstaunt, dass wir noch “young traveller” sind) von der ERGO. Dort passten für uns alle Parameter. Ich hoffe, dass jetzt mit der Abwicklung auch alles reibungslos funktioniert.

Also ab zum Arzt. Da wir keinen festen Arzt vor Ort besaßen (wie denn auch?), konnten wir nur eine “Walk In-Clinic” aufsuchen, was ein wenig mit einem Ärztehaus gleichzusetzen ist. Ich musste meinen Reisepass vorzeigen, musste eine kanadische Adresse (die vom Campingplatz war in Ordnung) und meine Telefonnummer angeben. Wir hatten eine Wartezeit von drei Stunden, die wir aber nicht dort verbringen mussten. Also fuhren wir erstmal zum ca. 20km entfernten Campingplatz, weil man dort nur in einem bestimmten Zeitkorridor einchecken konnte.

Mir war an dem Tag einfach alles zu viel und so hat sich Peter um sämtliches gekümmert.

Nach drei Stunden waren wir dann pünktlich wieder beim Arzt bzw. bei einer “Practitioner Nurse”, einer Krankenschwester mit Zusatzausbildung, die auch Diagnosen stellen und Medikamente verschreiben kann. Wie hier sehr üblich stellte sie sich direkt mit ihrem Vornamen vor und auch zuvor war ich immer nur mit meinem Vornamen aufgerufen worden. Sie war sehr freundlich und kompetent und wollte unbedingt mehr über unsere Reise erfahren. Schnell war die Diagnose dann klar…Nierenbeckenentzündung und ich benötige ein Antibiotikum. Wenn damit nach 12 Stunden keine Besserung eintritt, dringend ins Krankenhaus. Mit dem Rezept dann nebenan in die Apotheke, die einem die Tabletten einzeln in einem Röhrchen abpacken. Kleine Info am Rande: Hier gibt es selbst in Apotheken Schokoriegel und Süßkram.

Dann hatten wir es geschafft und wir müssen sagen, wir fühlten uns gut aufgehoben. Alle waren wirklich sehr freundlich und herzlich. Innerhalb von kürzester Zeit lagen Laborergebnisse vor und dass wir die drei Stunden nicht vor Ort warten mussten, war auch sehr praktisch. Wir haben insgesamt 91,32€ (43,92€ Arzt, 24,33€ Labor, 23,07€ Apotheke) bezahlt, was wir nun bei der Auslandsreisekrankenversicherung einreichen werden.

Abschließend sei noch zu sagen, das Antibiotikum hat direkt angeschlagen and I’m back! 🙂

Euch eine schöne Woche und bleibt gesund!