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Regenwald

Reiseberichte Mexiko

Im Regenwald (#042)

26. März 2023

– Von Veracruz bis Campeche –

Wie im letzten Artikel („Eine Woche voller Aufs und Abs #041“) erwähnt, haben wir nach einigen Abenteuern nun den tropischen Regenwald erreicht. Nach einer langen Autofahrt, bei der Sprinti zum Glück gut mitgemacht hat, landen wir in „San Juan Bautista Tuxtepec“. In der App „IOverlander“ (absolute Empfehlung übrigens wenn man diesen Kontinent bereist!) haben wir herausgefunden, dass man hier an einem „Balneario“ übernachten kann. Genau übersetzt bedeutet dies „Spa“ bzw. „Heilbad“, auch wenn es meilenweit davon entfernt ist das zu sein, was man darunter verstehen könnte. Nennen wir es also in diesem Fall lieber „Freibad“! Die recht kleinen Schwimmbecken sind noch ordentlich gefüllt, als wir ankommen und viele Eltern sitzten am Beckenrand und schauen ihren Kindern beim Planschen zu. Bereits nach wenigen Sekunden fragen wir uns, wie sie das aushalten, sind wir doch nach kürzester Zeit komplett zerstochen von diversem Stechgetier als wir nur ein paar Schritte zum Betreiber gehen, um die Stellgebühr für die Nacht zu bezahlen. Peters „Ausbeute“ 20 Stiche (ja, dieses Mal hat es auch ihn erwischt), meine „Ausbeute“ 25 Stiche (nur an einem Unterschenkel wohlbemerkt). Ja gut, wir sind hier halt im Regenwald! Demnach müssen wir auf unserer Reise allerdings schon einige Male im Regenwald gewesen sein! Egal, das ist Meckern auf hohem Niveau! Wir verleben eine zwar sehr schwüle (Luftfeuchtigkeit von über 70%), aber dennoch recht ruhige Nacht auf unserem Stellplatz, den außer uns niemand nutzt.

Am nächsten Morgen sind wir früh auf den Beinen, schließlich wollen wir heute „ordentlich Strecke machen“. Der Plan ist, nach der verschwitzten Nacht nur noch schnell unter die Dusche zu springen, Butterbrote zu schmieren und los kann es gehen. Wir haben ja bei Weitem nicht jeden Tag die Möglichkeit zu duschen (abgesehen von unserer Dusche in Sprinti, die wir aber nur in Ausnahmefällen nutzen), aber wenn es sich anbietet, nehmen wir das natürlich gerne mit. So früh morgens schläft das Drumherum noch und nur ein paar Poolboys kommen im Balneario ihrer Arbeit nach. Nur mit einem Handtuch umgeschwungen stapfen wir also zu den dazugehörigen Duschen und können uns nur kurze Zeit später das Lachen kaum verkneifen. „Die“ Duschen sind eigentlich nur „eine“ Dusche und zwar im Vorraum der Damen-Toiletten. Der gesamte Bereich (inkl. der Toiletten) ist hingegen nur mit einem (ja genau, EINEM) Duschvorhang abgetrennt. An der Wand prankt ein Duschkopf, etwas darunter, da wo man einen Duschknauf vermuten könnte, befindet sich lediglich ein „Nippel“ in der Wand (ja mehr ist es wirklich nicht). So stehen wir da und überlegen uns, wie wir unsere stählernen Körper denn nun gereinigt bekommen sollen, als plötzlich einer der Poolboys ankommt und uns eine Zange durch den Vorhang reicht…ah ja, ist klar! Mit der Zange bekommen wir den Nippel gedreht und einem kalten (mittlerweile sind wir da recht schmerzfrei) „Duschvorgang“ steht nichts mehr im Wege. Viva Mexico!

Ja, der Tag beginnt doch schon einmal mit der richtigen Portion Humor und so erleben wir während der Fahrt an diesen beiden Tagen jede Menge Dinge, die uns ein Lächeln ins Gesicht zaubern und uns manches Mal aber auch verdutzt zurücklassen. So kommen wir vorbei an unzähligen Zuckerrohrfeldern und den dazugehörigen LKWs, die ihre Ernte voll beladen und ungesichert transportieren und uns somit immer zum schnellen Überholen zwingen, da der herunterfliegende Zuckerrohr auch gerne mal Scheiben und Außenspiegel demoliert (wir hatten da mal in Australien so ein Erlebnis). Neben dem Zuckerrohr sind hier auch jede Menge Palmöl- und Bananenplantagen anzutreffen. Die werden gerne mit Hilfe von herüberfliegenden Propellermaschinen gespritzt, allerdings nehmen die Piloten es mit dem „Spritz-Start“ und „Spritz-Ende“ nicht so genau und so wird Sämtliches im Dorf und der Umgebung durchaus mal mitgespritzt. Wir können von Glück reden, dass wir mit Sprinti knapp davonkommen als das Flugzeug so manches Mal die Straße kreuzt.

Auch wird auf der Straße mal wieder transportiert, was das Zeug hält…und Brückengeländer werden übrigens absolut „überbewertet“. Wer braucht schon Brückengeländer?!

An diesem Tag passieren wir die Bundesstaaten Veracruz und Tabasco und erreichen letztendlich im Staat Chiapas den Ort Palenque (s. dazu unsere Route). Dort steuern wir das etwas abseits gelegene Restaurant „La Chiapaneca“ an, das umgeben von einem großen Garten (an den Bäumen wachsen reihenweise Jackfruits) auch ein paar Wohnmobil-Stellplätze beherbergt. Zusätzlich gibt es einen Pool und eine Dusche und wir können bei Außentemperaturen von fast 40 Grad dringend ein wenig Abkühlung gebrauchen. Apropos Dusche…auch diese Variante hat es wieder in sich! Sagen wir mal so, mit Privatsphäre ist auch hier nicht so viel am Start…dieser Duschvorhang macht aufgrund seiner Breite tatsächlich mal gar keinen Sinn!

Am nächsten Morgen werden wir von Hahnengekrähe (willkommen in Mexiko!) und den Rufen eines anderen Tieres geweckt…Brüllaffen! Gar nicht weit von uns entfernt scheinen einige Exemplare in den Bäumen des Regenwaldes zu sitzen. Brüllaffen leben auf dem amerikanischen Kontinent vom südlichen Mexiko über das Amazonasbecken bis in das nördliche Argentinien. Sie haben ihren Namen aufgrund ihres lauten Gebrülls (ist ja auch naheliegend), das beide Geschlechter ausstoßen und das über mehrere Kilometer hinweg hörbar ist, womit sie weithin als die lautesten Landtiere überhaupt gelten. Laut des „Guinness-Buchs der Rekorde“ sind ihre Rufe sogar über eine Entfernung von 4,8 km deutlich zu hören. Das Gebrüll dient vor allem der Kommunikation verschiedener Gruppen untereinander. Alle Männchen der Gruppe stimmen ein, zusammen mit dem Antwortgebrüll anderer Tiere ergibt sich dadurch ein lautes Spektakel. Brüllaffen machen damit ihre Anwesenheit deutlich, um andere Gruppen vor ihrem Kernbereich zu warnen. Ein zweiter Grund für das Gebrüll kann darin liegen, dass Einzeltiere Anschluss an eine Gruppe suchen. Dazu kann ich sagen: „Es tut mit leid, liebe Affen, mit diesem Gebrüll können Peter und ich euch leider nicht in unsere Gruppe mitaufnehmen! Sorry!“ 

Also sind wir auch an diesem Tag früh auf den Beinen…was letztendlich aber eh so geplant war, denn wir wollen zu den nahegelegenen Ruinen, für die Palenque bekannt ist. Denn schließlich handelt es sich hierbei neben Chichén Itzá , Calakmul und Tikal um eine der wichtigsten Stätten der Maya-Kultur und gehört ebenfalls zum UNESCO-Weltkulturerbe. Und da ist es besonders sinnvoll, früh vor Ort zu sein, weil es dann noch nicht so voll und auch noch nicht so heiß ist. So gehören wir an diesem Morgen zu den ersten Besuchern auf diesem Areal, umgeben von Tempeln und Händlern, die dabei sind ihre Verkaufsstände für den Tag aufzubauen und liebevoll zu drapieren…und das alles inmitten des Regenwaldes.

Die ersten Spuren der Besiedelung hier in Palenque lassen sich im vierten Jahrhundert nach Christus nachweisen, also zu einer Zeit, in der der Aufstieg vieler wichtiger Zentren der Klassik im südlichen Tiefland begann. Über diese Frühzeit Palenques ist bislang nur wenig bekannt, da die archäologischen Erkenntnisse aus dieser Epoche äußerst spärlich sind und es praktisch keine authentischen zeitgenössischen Texte gibt. Im 6. Jahrhundert allerdings entwickelte sich Palenque dann zu einer lokalen Großmacht und erhielt enormen Einfluss auf einige Nachbarstädte. Die letzte bekannte kalendarische Inschrift in Palenque ist für das Jahr 799 auf einer Tonscherbe verzeichnet und berichtet von der Thronbesteigung von Janaab Pakal III.. Da es danach keine Anzeichen einer weiteren Besiedelung gibt und eine letzte mögliche Erwähnung des Reiches auf das Jahr 814 datiert ist, scheint die Stadt Palenque eines der ersten großen Zentren der klassischen Periode gewesen zu sein, das dem allgemeinen Kollaps der Maya im südlichen Tiefland zum Opfer fiel.

Während wir entlang der Ruinen schlendern, sind auch wieder einige Brüllaffen mit von der Partie. Allerdings lediglich akustisch, zu sehen bekommen wir sie leider nicht. Einen Abstecher in den Dschungel wollen wir allerdings dennoch machen und so wandern wir im Anschluss durch die Tiefen des Regenwaldes. Es sind um die 35 Grad bei einer Luftfeuchtigkeit von knapp 90% und auch wenn die Bäume uns ein wenig Schatten spenden, so läuft uns der Schweiß nur so am Körper herunter. Sich dagegen zu wehren…zwecklos! Dennoch genießen wir die Abgeschiedenheit des Urwaldes und die Natur mit all ihren exotischen Geräuschen (die Brüllaffen halten sich ein wenig zurück, so dass wir auch viele andere Tiere wahrnehmen können). Wir sind überrascht über die ein oder andere Ruine, die auch hier plötzlich zwischen all diesem Gestrüpp auftaucht und die der Regenwald fast zu verschlingen droht. So genießen wir unseren kleinen Ausflug an diesem Vormittag sehr!

Den restlichen Tag verbringen wir am Stellplatz und kühlen uns im Pool ab, bevor am Abend der Regen einsetzt, der tatsächlich auch die ganze Nacht anhält und uns temperaturmäßig eine weitere Abkühlung bescherrt. Am nächsten Morgen soll es für uns dann weitergehen und dank der Brüllaffen starten wir auch wieder recht früh in den Tag…zum Glück aber vor allen anderen Gästen, so dass wir auch bei diesen „diskreten“ Duschen hier keine Überraschungen erleben…lediglich die freilaufenden Enten und Hühner schauen uns bei der Körperreinigung zu.

Unser Weg führt uns an diesem Tag in den Bundesstaat Campeche, besser gesagt in dessen Hauptstadt. Und wie mag die wohl heißen? Na klar…“Campeche“. Als wir die Grenze zum Bundesstaat erreichen, kommen wir durch eine Polizeikontrolle, von denen wir schon sämtliche Storys anderer Reisenden gehört haben. In den letzten fünf Monaten in Mexiko hatten wir bisher immer Glück und sind nicht von korrupten Polizisten gestoppt worden, die einem z.B. die Ausweispapiere nur gegen Bargeld wieder aushändigen. Sollte sich das nun ändern? Das Erste was sie von uns sehen wollen bzw. vom Fahrer (das ist in diesem Fall Peter) ist sein Ausweis. Ja super…innerhalb von Sekunden schrillen meine Alarmglocken und alle Warnungen und Ratschläge, die wir für solche Situationen erhalten haben, schnellen mir durch den Kopf. Jetzt bloß alles richtig machen! Schließlich sind die guten Herren auch noch bewaffnet bis in die Haarspitzen. Peter zeigt dem Polizisten lediglich eine Schwarz-Weiß-Kopie seines Reisepasses und als jenem das nicht ausreicht, eine einlaminierte Farbkopie (in Scheckkartengröße) des besagten Reisepasses, bei denen viele bisher gedacht haben, es handle sich um das Original. Doch auch das reicht dem Polizisten nicht…wir sollen rechts ranfahren. Bei Peter und mir steigt die Anspannung und ich merke, wie mir das Herz bis zum Hals pocht. Der Polizist wird ernster und bittet uns mit durchdringender Stimme erneut um den Ausweis. So lassen wir uns breitschlagen…ich hole also die Reisepässe aus dem Safe und Peter hält sie ihm bei geöffnetem Fenster mit so viel Abstand hin, dass der Polizist nicht danach greifen kann. Sofort hellt sich das Gesicht des Polizisten auf, er lächelt uns an und wir dürfen weiterfahren. Echt jetzt? Das war’s? Puh, Glück gehabt, das hätte auch anders laufen können!

Es ist immer noch ein verregneter bzw. bewölkter Tag als wir letztendlich die Stadt Campeche erreichen und so wirkt das Meer, als wir an ihm vorbeifahren, heute eher so wie die Ostsee als der Golf von Mexiko. Das letzte und einzige Mal, dass wir den Golf auf unserer Reise „gestreift“ haben, war tatsächlich Ende September in New Orleans. Dazwischen liegen nun ganze 6 Monate und rund 2890 km (auf direktem Weg!)…und gefühlt ist seitdem schon wieder so wahnsinnig viel passiert auf unserer Reise.

Für die Nacht bleiben wir in Campeche und steuern einen Campingplatz am Stadtrand an, zu dem auch ein paar Bungalows gehören. Gegenüber liegt ein Wasserpark, dessen Eintritt im Übernachtungspreis mitinbegriffen ist. Die Becken des Wasserparks sind allerdings leer, den vollen Preis für den Campingplatz bezahlen müssen wir dennoch. Um die Bungalows befindet sich eine Großbaustelle, hier wird anscheinend alles kernsaniert. Glücklicherweise ist heute Sonntag und somit ruhen die Arbeiten. Beschallung bekommen wir dennoch, denn der Platz liegt direkt an einer viel befahrenen Straße. Wir sind an diesem Tag die einzigen Gäste und können uns so unseren Platz frei aussuchen…sollte uns das vielleicht zu denken geben?! Vorne im kleinen Wachhäuschen sitzt ein junger Mexikaner, der sich vom Bett erhebt als wir ankommen und uns freundlich den Weg zur Rezeption zeigt. Diese befindet sich in einem weiteren, etwas zurückliegenden Häuschen und der Herr dort verrät uns, dass sich das Badezimmer im Raum nebenan befindet…ah ja, mit Duschen, haben wir in dieser Woche ja so unsere Erfahrungen gemacht…immerhin gibt es hier eine Tür zwischen Rezeption und Badezimmer! Am nächsten Morgen wollen wir das auch gleich in Anspruch nehmen, aber siehe da…Wachhäuschen leer, Rezeption leer und beides abgeschlossen. Wir befinden uns also ganz alleine auf diesem Campingplatz und alles ist dicht. Das Wasser, um unseren Tank aufzufüllen ist übrigens auch abgestellt. Dann wird uns klar, warum…es ist „mal wieder“ Feiertag…denn heute wird der Geburtstag des früheren mexikanischen Präsidenten Benito Juarez gefeiert. Nachdem wir eine ganze Zeit lang den Campingplatz abgesucht und die Baustelle inspiziert haben, taucht plötzlich aus dem Nichts ein Mexikaner auf, der uns kurzerhand die Rezeption aufschließt und danach wieder ins Nichts verschwindet. Auch diese Dusche lässt uns mal wieder Schmunzeln, setzt man doch mit ihr das gesamte Badezimmer und die halbe Rezeption unter Wasser. Aber wir sind froh, über die kalte Abkühlung am Morgen und starten somit frisch in den Tag.

Die Stadt Campeche soll ein schönes historisches Stadtzentrum besitzen, also schauen wir uns das mal näher an und schlendern ein wenig durch die Gassen. Und auch hier prägen der Kolonialstil und die vielen bunten Häuschen das Stadtbild, so dass es durch das Wetter (es ist noch immer bewölkt) gar nicht mehr so grau aussieht.

Dann verlassen wir Campeche und machen uns auf zu neuen Abenteuern…aber dazu dann in der nächsten Woche mehr!

Macht’s gut, Ihr Lieben!

Reiseberichte Mexiko

Eine Woche voller Aufs und Abs (#041)

19. März 2023

– Es wird nicht langweilig –

Wie am Ende des letzten Artikels erwähnt („Mit Freunden in Oaxaca #040“) verlassen wir gemeinsam mit Michaela, Peter, Marcus und Julie unseren Campingplatz in Tule und wollen weiter Richtung Yucatan-Halbinsel fahren, denn schließlich warten nun die Tropen auf uns. Nach vier Kilometern steuern wir eine große und namhafte Tankstelle (Pemex) an, schließlich haben wir aus unseren Erfahrungen in den USA mit dem verunreinigten und schlechten Benzin gelernt (s. dazu Artikel „Das war anders geplant…#026“) und tanken seitdem nur noch Premium-Benzin großer Tankstellenketten, die hoffentlich einen großen Durchlauf haben. Allerdings darf man hier in Mexiko nicht selbst tanken, sondern es wird für einen getankt. Manchmal machen sie auch gleichzeitig unsere Windschutzscheibe sauber oder bieten an den Ölstand zu prüfen. Bei all dem Staub hier, sieht das Fahrzeug allerdings eh schnell wieder aus, als hätte es schon länger keine Wäsche mehr gesehen. Bei einem Tankvorgang sollte man darauf achten, dass die Zapfsäule auch wirklich auf „0“ steht, wenn die Mitarbeiter anfangen zu tanken, ansonsten wird gerne mal mehr abgerechnet. Zusätzlich sind viele Tankstutzen anscheinend nicht richtig eingestellt und stoppen häufig zu früh, so dass der Tank teilweise nur zu 90% gefüllt ist. Daher sagen wir den Mitarbeitern, dass sie noch etwas „nachdrücken“ sollen. An diesem Morgen meint es die Tankdame daraufhin besonders gut und tankt bis alles überläuft…ja super! Sie schließt den Tankdeckel und spritzt Sprinti (an dem das Benzin herunterläuft) mit etwas Wasser ab. Wir können ja nur froh sein, dass sie den Tankdeckel vorher geschlossen hat und nicht auch noch Wasser in den Tank gelaufen ist!

Dann fahren wir weiter, denn schließlich haben wir an diesem Tag noch einige Kilometer vor uns…dachten wir jedenfalls! Bereits einige Meter nach dem Tanken springt Sprintis Motorleuchte an, wir verlieren an Power (also Sprinti) und der Motor geht in den Notlauf, was bedeutet, dass wir langsamer werden und kaum noch beschleunigen können. Im Schneckentempo fahren wir also rechts ran und überlegen fieberhaft, was wir nun tun können. Unser erster Impuls ist, dass es mit dem „nicht ganz reibungslosen“ Tankvorgang gerade zu tun haben muss, allerdings wird sich hier herausstellen, dass dies nicht der Fall ist und es sich nur um eine Verkettung ungünstiger Zufälle handelt. Schnell ist klar, wir müssen umdrehen und zur Werkstatt. Schließlich liegt nur 10 km hinter uns eine Mercedes-Werkstatt, die nächste allerdings erst in rund 1700 Kilometern.

Bereits in Puebla zwei Wochen zuvor (s. dazu Artikel „Jetzt hat es uns auch erwischt #039“), hatten wir eine Mercedes-Werkstatt aufgesucht, um Fehlercodes bei Sprinti analysieren zu lassen. Diese Besuche gestalten sich gar nicht immer so einfach, kommt es doch bei den Gesprächen mit den Mechanikern auf genaue Beschreibungen und Details an. Das ist auf Englisch für uns kein Problem und na klar, auf Deutsch natürlich auch nicht…auf Spanisch ist das allerdings etwas anderes. Und was sprechen 99,9% der Werkstatt-Angestellten hier? Ausschließlich Spanisch…warum auch nicht?! Auch wenn wir der Sprache immer mehr Herr werden, von verhandlungssicher sind wir dann doch meilenweit entfernt. Erschwerend kommt hinzu, dass man hier keine Service-Untersuchungen am Auto kennt. Solange der Wagen läuft, ist doch alles ok. Wenn etwas kaputt ist, wird es geflickt. Ob er evtl. merkwürdige Geräusche macht oder vielleicht nicht ganz „rund“ läuft, spielt dabei keine Rolle. Der Wagen fährt doch, wo ist also das Problem? Diese Vorgehensweise hilft uns in unserer Situation nur leider nicht weiter. Dazu kommt auch, dass hier niemand einen Mercedes-Sprinter in der Benziner-Variante kennt und sich nicht selten eine Traube an Mechanikern um Sprinti bildet, sobald seine Motorhaube geöffnet ist. Alle wollen einmal diesen Motor sehen…und dass, obwohl es eigentlich ein Motor ist, der unter anderem auch in der C-Klasse verbaut wird. 

In Puebla gab es einen Angestellten, der zwar eigentlich für die Daimler-Schwesterfirma „Freightliner“ (Ansprechpartner für amerikanische Trucks und oft gemeinsam in einer Werkstatt mit Mercedes-Lieferfahrzeugen) zuständig war, aber für uns abgestellt wurde, weil er ganz gutes Englisch spricht und somit zwischen den Mechanikern und uns übersetzt hat…sein Name: Ramses! Wenn auch kein altägyptischer König, so ist er doch sehr bemüht…zumindest so lange wir vor Ort sind. Die Mühlen mahlen hier allerdings ein wenig langsamer…oder vielleicht auch nur anders? So verharren wir fünf Stunden in der Werkstatt bis die Fehler ausgelesen sind, um dann wiederum eine Woche auf den Bericht samt Fehlercodes zu warten, weil der dafür zuständige Mitarbeiter zwei Tage nicht zur Arbeit kommt und anschließend das entsprechende Gerät, das die Analyse durchgeführt hat, plötzlich einige Tage in einer anderen Werkstatt eingesetzt wird. Wir werden also immer wieder vertröstet. Glücklicherweise stehen wir parallel mit der Mercedes-Werkstatt Senger in Deutschland im Austausch und entscheiden uns dann vorerst weiterzufahren, weil Sprinti „eigentlich“ gut funktioniert hat…abgesehen von den Fehlercodes halt.

So landeten wir letztendlich da, wo wir hinwollten…nämlich in Tule bzw. Oaxaca und das ohne irgendwelche Probleme…gut gemacht, Sprinti! Aber um die Fehlercodes müssen wir uns langfristig dann doch kümmern, denn zum einen haben sie ja eine Ursache und zum anderen verlassen wir bald Mexiko und dann wird es in den folgenden Ländern und auch in Südamerika schwieriger mit der Mercedes-Infrastruktur…sowohl was Werkstätten als auch was Ersatzteile anbelangt. Also versuchen wir uns in Tule mit Hilfe von Marcus und Peter, Senger in Deutschland und dem unendlichen Wissen des Internets ein wenig selber zu helfen. Und auch Rob (Out of Ipswich) aus New Hampshire, der mit seiner Frau Mandy und Hund Loki (dem der Schatten unter Sprinti übrigens sehr gut gefällt) ebenfalls in einem Sprinter unterwegs ist, tüftelt mit Peter einige Stunden an den Ursachen für die Fehlercodes. So können wir das ein oder andere säubern oder reparieren, aber zu einer Werkstatt muss Sprinti dann doch…und es muss dann auch wohl eine von Mercedes sein, weil uns Uziel, der Mechaniker, von dem wir die neuen Stoßdämpfer bekommen haben, auch nicht weiterhelfen kann. Alles klar, also dann nochmal zu Mercedes…dieses Mal in Oaxaca. So landen wir bei unserem Ansprechpartner Manuel und unserer “Dolmetscherin” Olivia. Wieder wird für einige Stunden Fehleranalyse betrieben und anfangs sieht es so aus, als sei die Lambdasonde (die hinter dem Katalysator) oder der Kabelbaum Schuld. Diese Ersatzteile zu bestellen dauert bei Mercedes in Mexiko meist über einen Monat, da sie aus Deutschland geliefert werden. So überlegen wir, uns die Teile selber schicken zu lassen. Das ist nicht ganz preisgünstig und kann unter Umständen auch einige Zeit beim Zoll verharren. Also alles nicht so optimal!

Zusätzlich plagt uns die Unruhe und das Gefühl immer mehr Zeit auf unserer Reise zu verlieren…sei es durch unsere Werkstatt-Besuche in den USA, bei denen wir viele Tage zurückgeworfen wurden und immer wieder warten mussten oder unsere Corona-Erkrankung vor ein paar Wochen, die Warterei auf Ramses in Puebla und nun in Oaxaca. Aber das gehört wohl auch zum Reisen dazu und uns war auch vorher schon bewusst, dass eben solche Dinge auf so einer langen Strecke einfach passieren! Man kann planen so viel man will, es kommt immer anders als man denkt! Wie sagte uns eine Reisende aus Berlin: „Man verliert keine Zeit, man gewinnt Inhalt!“ In diesem Sinne…weiter geht’s mit Inhalt!

Tags darauf können wir Sprinti erneut in die Werkstatt bringen, wo man dann der ganzen Sache genauer auf den Grund gehen möchte. Das Ganze soll zwei Tage dauern, also buchen wir uns für genau diesen Zeitraum ein Hotel in Oaxaca, weil wir nicht im Wagen übernachten dürfen, so lange er auf dem Werkstattgelände steht. Das ist zwar auch wieder mit Geld und Aufwand verbunden, aber eine andere Möglichkeit haben wir nicht und so versuchen wir das Beste daraus zu machen. So entscheiden wir uns für das Hotel „Casa las Mercedes“, in der Hoffnung, dass das ein gutes Omen für Sprinti ist. Wir schlendern also noch einmal durch die historische Altstadt Oaxacas, haben dieses Mal aber Glück, dass die Kathedrale geöffnet ist und wir einen Blick in das prunkvolle Innere werfen können. Wir werden Zeuge einer Polizei- und Militärpatrouille (die hier gar nicht so selten vorkommt), besuchen erneut die gute Bäckerei Boulenc und lassen uns in dem dazugehörigen Restaurant verwöhnen. Beides befindet sich in einem von außen recht heruntergekommenen blauen Gebäude, von innen allerdings ist es wie ein versteckter Schatz mit den leckersten Speisen von dazu noch sehr guter Qualität…so lässt es sich aushalten!

Abends bekommen wir Bescheid von Olivia, dass man den Fehler anscheinend doch schon gefunden hat und die Fehlermeldungen durch eine korrodierte Leitung und einem damit verbundenen Kurzschluss zustandegekommen sind. So ganz trauen wir dem Braten zwar noch nicht, verabreden uns aber für den nächsten Mittag in der Werkstatt. Also heißt es nach einer Übernachtung doch schon wieder Tasche packen (das Geld für die zweite Übernachtung bekommen wir leider nicht erstattet, aber wer weiß, ob wir die nicht doch noch in Anspruch nehmen müssen?!). Zurück in der Werkstatt versuchen wir genau herauszubekommen, was die wirkliche Ursache war und wie sehr wahrscheinlich es ist, dass so etwas in Kürze noch einmal auftritt, denn schließlich müssen wir uns auf Sprinti verlassen können. Aus unserer Sicht bekommen wir daraufhin unterschiedliche und nicht ganz logische Antworten (vielleicht typisch mexikanisch?) und ich glaube, wir gehen denen ganz schön auf den Keks, als wir immer wieder nachhaken (sicherlich typisch deutsch) und so prallen da auch mal wieder zwei Welten aufeinander. Aber gut, so ist das in anderen Ländern! Schließlich haben wir die Weisheit ja auch nicht mit Löffeln gegessen. Nachdem Peter mit dem Mechaniker eine Probefahrt gemacht hat und alles soweit in Ordnung zu sein scheint, verlassen wir die Werkstatt mit Sprinti, fahren noch schnell etwas einkaufen und dann zurück zum Campingplatz in Tule, denn der Tag neigt sich bereits wieder dem Ende entgegen.

Am nächsten Morgen soll es dann weiter gehen…neuer Versuch – neues Glück! Ursprünglich wollten wir Richtung Südosten weiterfahren, doch wir erfahren von Michaela und Peter, dass es dort Straßensperrungen gibt, weil “Demonstranten” eine Regionsbürgermeisterin absetzen wollen und somit einfach mal ein paar Tage die Straßen blockieren, so dass kein Durchkommen mehr ist. Also ändern wir spontan unsere Pläne (darin sind wir mittlerweile ja geübt) und schlagen besser eine andere Richtung ein. So fahren wir erst einige Kilometer in der Nähe der Stadt umher und überprüfen mit unserem OBD2-Stecker Sprintis Daten…keine Fehlercodes zu erkennen…yippieh! Dennoch sind wir vorsichtig und hören (oder meinen zu hören) teilweise Geräusche aus dem Motorraum, die wir sonst nicht vernommen haben. Da aber alle Daten normal zu sein scheinen, wagen wir es und verlassen die Stadt Richtung Norden…nur um dann nach sieben Kilometern wieder gestoppt zu werden. Dieses Mal allerdings (und glücklicherweise) nicht durch Sprinti, sondern durch eine Straßensperre (hier nicht wegen der Bürgermeisterin), sondern weil vor uns eine Brücke gebaut wird. Es ist weder eine Umleitung ausgewiesen noch ist klar, wie lange das dauern wird. Nach ca. 30 Minuten erfahren wir von einem anderen Wartenden, dass es wohl noch zwei Stunden dauern könnte, bis die Straße wieder frei ist. Das hat uns nun auch noch gefehlt! Es gibt laut Google eine kleinere Straße, die wir nehmen könnten, allerdings geht es für uns als nächstes durch die Berge und wenn doch noch mal was mit Sprinti sein sollte, wäre eine kleinere und verlassenere Straße äußerst unglücklich. Alternativ gibt es eine Strecke zurück, die aber einen Umweg von 1,5 Stunden bedeuten würde. Als plötzlich mehrere Fahrzeuge in der Schlange umdrehen, machen auch wir kehrt und als wir dann entdecken, dass selbst LKWs und auch andere PKWs in einen kleinen sandigen und huckeligen Weg abbiegen, fahren wir einfach hinterher und hoffen, dass wir mit Sprinti überall durchkommen. Es klappt! Nach ca. 15 Minuten Buckelpiste haben wir die Baustelle tatsächlich umfahren und erreichen wieder die geteerte Straße. Beim Blick nach links allerdings sehen wir plötzlich eine freie Straße, da der Baustellen-LKW soeben den Weg geräumt hat. Ja das läuft ja super gerade…es scheint unsere Woche zu sein! Egal, wir sind da, wo wir hinwollen und das ohne einen riesigen Umweg, also alles fein!

Was als nächstes folgt, ist eine 5-stündige Autofahrt durch die Berge, bei der wir mehrere Pässe auf einer Höhe von bis zu 3000 m und eine Länge von insgesamt 220 km bewältigen…und Sprinti macht gut mit (s. dazu unsere Route)! Schließich landen wir nach Wochen das erste Mal wieder auf einer Höhe von „nur noch“ 100 m über Null (was sich nach der langen Zeit in der Höhe richtig gut anfühlt) und merken auch, wie sich die Vegetation ändert…wir erreichen den Regenwald! Die Flussbetten enthalten plötzlich wieder Wasser, die Lianen hängen knapp über der Straße, alles ist dicht und grün bewachsen, wir fahren nun vorbei an Mangobäumen und Bananenstauden. Draußen riecht es nicht mehr nach Abgasen, sondern nach Bäumen und Blumen…da atmen wir doch mal tief durch! Auch die Temperatur und Luftfeuchtigkeit ändern sich…hatten wir doch zuletzt um die 20-25 Grad und eine sehr trockene Luft, liegen wir nun bei 30-40 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von bis zu 95%…ohne jegliche Abkühlung in der Nacht. Aber es ist lange nicht mehr so staubig wie in den letzten Monaten und das gefällt uns schon mal sehr gut!

Und nun, am Abend dieses aufregenden Tages und nach den nervenaufreibenden Tagen zuvor, sitze ich nun hier im Sprinter und schreibe diese Zeilen für Euch, während mir der Schweiß von der Stirn läuft und die Musik der benachbarten Bar zu uns herüberschallt. Warum wir nicht draußen sitzen, fragt Ihr Euch? Die Antwort lautet: Kleine schwarze Viecher, die nur halb so groß sind wie Mücken und beißen als wären sie doppelt so groß. Unabhängig von der Temperatur (von den 8 Grad sind wir gerade wirklich meilenweit entfernt!) haben Mexiko und Kanada also auch ihre Gemeinsamkeiten.

Morgen geht es dann für uns weiter…also drückt uns und Sprinti die Daumen, dass weiterhin alles reibungslos läuft!

Habt eine schöne Woche!

Reiseberichte Kanada

Vancouver Island (#012)

24. Juli 2022

– Reif für die Insel –

Dann heißt es für uns auch schon wieder Abschied nehmen von Vancouver, denn es geht für uns weiter nach Vancouver Island. Die Insel liegt genau vor Vancouver und ist über 450 km lang und rund 100 km breit. Dabei umfasst sie eine Fläche von 31.285 km². Trotz ihrer Größe ist sie nur die elftgrößte Insel Kanadas. Wir müssen mit der Fähre übersetzen und schippern rund 1,5 Stunden vorbei an schönen, zum Teil auch einsamen, Inseln.

Auf Vancouver Island angekommen, fahren wir durch die Hauptstadt British Columbias, durch Victoria (da ist sie wieder „unsere Vicky“!) und treffen dann an unserem Campingplatz ein. In den folgenden Tagen haben wir nicht immer Glück mit dem Wetter, nutzen aber jede trockene Phase, um die Insel zu Fuß oder mit dem Auto zu erkunden. Wie wandern einige Male durch den Regenwald und staunen über die unglaublichsten Baumkreationen und welch unfassbare Größe und Durchmesser sie zum Teil haben. Vor ein paar Jahren haben wir in den USA schon Mammutbäume gesehen, die so groß und dick waren, dass wir mit dem Auto durch sie hindurchfahren konnten. Sooo groß sind diese hier nicht, aber sie sind auf dem besten Wege dorthin. Wir treffen auf über 800 Jahre alte Exemplare, die schon über 300 Jahre lang existierten, als Christopher Columbus Amerika entdeckt hat. Auch zu sehen, wie das Ökosystem in diesen Wäldern aufeinander abgestimmt ist, ist schon bewundernswert. Wenn man sieht, wie bereits vor 500 Jahren umgekippte Bäume noch immer mit dicken Stämmen existieren und Nährboden für neue Bäume und eine unendliche Anzahl von Tieren bieten, ist das echt beeindruckend. Was Natur alles kann…wenn man sie lässt!

Allerdings sehen wir auch, dass Forstwirtschaft auf dieser Insel eine Rolle spielt.

Vancouver Island ist nur zum Teil richtig erschlossen und so kann man gerade im Westen nicht entlang der Küste fahren. Daher legen wir einen ziemlichen Zick-Zack-Weg zurück (siehe hier unsere Route), um alles Sehenswerte zu erkunden. Manchmal kommen wir allerdings, was die Straßenverhältnisse anbelangt (auf den Bildern handelt es sich um eine arg ramponierte Brücke), an unsere und Sprintis Grenzen…

… und dann heißt es auch schon mal…Kehrtwende!

Als wir nach einem langen Tag in einer hippen Surfergegend landen, in der man mit hohen Strafen rechnen muss, wenn man mit dem Wohnmobil frei steht, haben wir Glück, dass wir nach ausgebuchten oder absolut überteuerten Campingplätzen (bis zu 180 CAD pro Nacht…HALLO?!) noch einen Platz ergattern, der noch so einigermaßen preislich in Ordnung geht. Wir müssen allerdings schmunzeln, als wir sehen was wir dafür bekommen: Einen Stellplatz ohne jegliche Anschlüsse (Strom, Wasser, Abwasser), am ganzen Campingplatz gibt es weder Frischwasser noch die Möglichkeit sein Grauwasser loszuwerden. Wir haben Zugang zu lediglich einer Dusche und einer Toilette. Unsere Parzelle ist zwar passend groß, aber sie besitzt weder Bank noch Tisch…was sonst in Kanada Standard ist. Auch quasi Standard ist eine Feuerstelle, ein sogenanntes „Fire-Pit“, meist bestehend aus einem großen Eisenring, einem Steinkreis oder zur Not auch mal einer LKW-Felge, so dass man ein Feuer machen kann ohne dass man gleich den ganzen Wald in Brand setzt. Auf unserem Platz befindet sich auch ein Fire-Pit, dieses Mal in Form einer Felge, allerdings nicht von einem LKW, sondern von einem PKW…eine absolute Mini-Felge…mit einem Holzscheit ist das Ding tatsächlich voll!

Aber es klappt…schließlich habe ich meinen eigenen ganz persönlichen „Fire-Pete“ immer dabei, der bekommt jedes Feuer an! Neuerdings haben wir übrigens auch eine Axt…Peters neueste Errungenschaft. Als wir abends so am Feuer sitzen und ich auf unsere Mini-Felge schaue, muss ich schmunzeln, als plötzlich folgenden Geschichte in meinem Kopf entsteht:

Die kleine Felge Tom
Es war einmal eine kleine Felge, die war über viele Jahre an einem VW Bulli in der Welt umher gereist und hatte jeden Kontinent besucht. Die Berge, das Meer, die Wüste, Wiesen und Felder…alles hatte sie gesehen. Sie war gefahren auf geteerten Straßen, auf Sand, durch Wasser und Pfützen, durch Matsch und auf Schotterstraßen…und sie hatte es geliebt so die Welt zu entdecken. Dann eines Tages gab der VW Bulli seinen Geist auf und seine Besitzer brachten ihn wohl oder übel auf den Schrottplatz… und mit ihm die kleine Felge Tom. Vorbei war das Abenteuer! Traurig sah Tom wie der Bulli sein Ende in der Schrottpresse fand. Einsam lag die kleine Felge da, umringt von einem Haufen alter Autoteile und Schrott. Es war kalt, nass und ungemütlich. So verging die Zeit und die kleine Felge wurde immer einsamer und trauriger. Doch dann irgendwann kamen ein paar Surfer vorbei, die die kleine Felge doch tatsächlich mitnahmen. Tom konnte es nicht fassen. Und so landete die kleine Felge auf dem Campingplatz auf Vancouver Island als Fire Pit und bekam nun mit, wie sich Menschen aus der ganzen Welt abends um sie scharrten und am Feuer wärmten. Die kleine Felge genoß es all ihre Geschichten zu hören und dachte sich so manches Mal mit einem Lächeln: „Da war ich auch schon mal!“

Als ich Peter meinen Gedankenschwall offenbare, schaut der mich an, als wolle er sagen: „Jetzt spinnt sie ganz!“ Und wahrscheinlich hat er damit gar nicht so unrecht…vielleicht tut mir die kanadische Luft ja auch einfach nicht gut :).

Dann zieht es uns weiter an den nordwestlichsten Zipfel der Insel, nach San Josef Bay. Eine Gegend, die man nur über 70 km Schotterpiste erreicht…herzlich willkommen Schlaglöcher, sag ich nur! Neben Schlaglöchern sehen wir auf dem Weg allerdings auch wieder einen Schwarzbären und etliche Maultier-Hirsche.
Am Parkplatz angekommen, wandern wir durch einen Regenwald Richtung San Josef Bay. Es ist schwül und der Wald ist dicht. Wir sehen wieder eine atemberaubende Pflanzenwelt. Dann irgendwann gelangen wir an eine „Lichtung“ und vor uns liegt tatsächlich nicht mehr der Wald, sondern nichts als Strand und der Pazifik…wunderschön!

Auch einem Schwarzbären (den haben wir leider nicht aufs Bild bekommen) und zwei Weißkopfseeadlern gefällt es dort. Wir „schlendern“ in unseren dicken Wanderschuhen (wir sind gefühlt die einzigen am Strand, die mehr als zwei Kleidungsstücke anhaben) eine ganze Zeit lang dort umher und genießen die Sonnenstrahlen und das Meer (vergessen sind die 8 Grad!). Dann machen wir uns auf, um noch eine Fahretappe einzulegen, denn wir wollen noch die Fähre zurück aufs Festland erwischen.

Doch dann legen wir kurzfristig doch noch einen Zwischenstopp ein und bleiben eine weitere Nacht auf der Insel. Es heißt, die Gegend um Vancouver Island gehört zu den Orten mit den meisten Wal-Beobachtungen…unter anderem auch von Orcas. Das lässt uns doch ein wenig hadern. Wir haben bereits auf Gran Canaria und zuletzt auch in Südafrika an Whale Watching-Touren teilgenommen und uns eigentlich geschworen, dass wir solche Touristen-Ausflüge auf Kosten der Tiere nicht mehr unterstützen wollen. Auf beiden Touren hatten wir bereits Buckelwale gesehen und auch in Australien waren wir ihnen einmal zufällig bei einem Segelturn begegnet. Musste es daher also wirklich sein, dass wir jetzt noch einmal so etwas machen? Eigentlich nein! Uneigentlich würde sich die Chance Orcas zu sehen, wohl nicht so schnell wieder ergeben. Ich durchforste das Internet und stoße auf eine Organisation, die solche Ausflüge unter einem sehr ökologischen Gesichtspunkt unternimmt…ist das überhaupt möglich? Erstmal macht das einen guten Eindruck und die Fahrt wird auch nur mit einer sehr kleinen Gruppe vorgenommen und nicht als riesen Touristenspektakel. Als für diesen Tag abends um 17 Uhr noch zwei Plätze frei sind, lassen wir uns breitschlagen und buchen den Trip…immer im Hinterkopf: „Das ist jetzt wirklich das letzte Mal!“ Als wir dort eintreffen, werden wir total freundlich und herzlich in Empfang genommen (das können sie einfach, die Kanadier! Und das meine ich gar nicht oberflächlich sondern ganz ehrlich). Schon bekommen wir einen Thermooverall zur Verfügung gestellt, der uns bei Temperaturen von bis zu 25 Grad an diesem Tag zwar stutzig macht, sich auf der Tour dann aber echt bewährt. Mit noch weiteren sechs anderen Gästen und zwei sehr netten und behutsamen Guides, die mit Leib und Seele Walbeobachter und Forscher sind und uns sehr viel erklären und erläutern, geht es auf ein kleines Boot, das jeder Wal wahrscheinlich mit links umkippen könnte. Die Sonne scheint, wir düsen aufs Meer, der Wind peitscht uns ins Gesicht…ebenso wie so manche Welle Salzwasser…der Thermooverall macht definitiv Sinn! So überqueren wir an diesem späten Nachmittag sogar auf dem Seeweg die Grenze zur USA.

Und dann schwimmen sie an uns vorbei…eine Buckelwalmutter mit ihrem Jungen. Sofort wird bei unserem Boot der Motor abgestellt und wir halten während der gesamten Zeit ausreichend Abstand, um die Tiere weder zu irritieren noch zu gefährden. Immer wieder tauchen sie auf…was jetzt nicht so leicht bildlich festzuhalten war. Das Wal-Weibchen ist den Guides seit vielen Jahren bekannt, weil sie jedes Jahr zurückkehrt, nachdem sie die Wintermonate in Mexiko verbracht hat (klingt verlockend). In den Norden kommen die Wale dann zurück, um sich wieder Reserven anzufressen, da es in den südlichen Gewässern kaum Nahrung gibt (doch nicht mehr so verlockend). Ihr Junges ist nun das erste Mal dabei und hat von der Walforschung dort vor Ort (Universität) noch keinen Namen erhalten. Daher werden wir nach Namensvorschlägen gefragt. Weil niemand etwas sagt und an diesem Tag, nur ein paar Stunden zuvor, unser Neffe geboren worden ist, schlage ich „Ludwig“ vor…zugegebenermaßen im englischsprachigen Raum etwas schwierig auszusprechen, aber eine abgewandte Form wie „Ludi“, „Ludo“ etc. wäre ja auch in Ordnung. Da alle Wale einen Namen mit Bedeutung erhalten, google ich schnell, was hinter Ludwig steckt: „berühmter Kämpfer“! Und damit sind alle, besonders unsere Guides überzeugt und der Name wird registriert…zumindest für diesen Tag…und vielleicht ja auch für die Zukunft?!

Neben unserer Buckelwalfamilie sehen wir auf unserer Tour noch Seehunde, Weißkopfseeadler und auf der Insel Spieden-Island (übrigens die Insel, auf der John Wayne immer jagen war) auch noch einige Herden Mufflon-Schafe aus Korsika, Damhirsche aus Europa und Sika-Hirsche aus Asien (ok, Schafe und Hirsche hat man bei einer Whale Watching-Tour nun nicht auf dem Schirm). Das Jagen auf dieser Insel wurde übrigens irgendwann untersagt, da immer wieder Querschläger auf der dichter besiedelten Nachbarinsel landeten.

Leider gelingt es uns an diesem Tag nicht mehr noch Orcas zu sehen, aber dann sollte es wohl nicht sein. So fahren wir mit unserem Bötchen in den Sonnenuntergang und wer weiß, vielleicht gibt es ja zukünftig den „kleinen“ Wal Ludwig, der durch den Pazifik schwimmt…

Ludwig, wir sehen uns in Mexiko!