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Pazifischer Ozean

Reiseberichte Kanada

Vancouver Island (#012)

24. Juli 2022

– Reif für die Insel –

Dann heißt es für uns auch schon wieder Abschied nehmen von Vancouver, denn es geht für uns weiter nach Vancouver Island. Die Insel liegt genau vor Vancouver und ist über 450 km lang und rund 100 km breit. Dabei umfasst sie eine Fläche von 31.285 km². Trotz ihrer Größe ist sie nur die elftgrößte Insel Kanadas. Wir müssen mit der Fähre übersetzen und schippern rund 1,5 Stunden vorbei an schönen, zum Teil auch einsamen, Inseln.

Auf Vancouver Island angekommen, fahren wir durch die Hauptstadt British Columbias, durch Victoria (da ist sie wieder „unsere Vicky“!) und treffen dann an unserem Campingplatz ein. In den folgenden Tagen haben wir nicht immer Glück mit dem Wetter, nutzen aber jede trockene Phase, um die Insel zu Fuß oder mit dem Auto zu erkunden. Wie wandern einige Male durch den Regenwald und staunen über die unglaublichsten Baumkreationen und welch unfassbare Größe und Durchmesser sie zum Teil haben. Vor ein paar Jahren haben wir in den USA schon Mammutbäume gesehen, die so groß und dick waren, dass wir mit dem Auto durch sie hindurchfahren konnten. Sooo groß sind diese hier nicht, aber sie sind auf dem besten Wege dorthin. Wir treffen auf über 800 Jahre alte Exemplare, die schon über 300 Jahre lang existierten, als Christopher Columbus Amerika entdeckt hat. Auch zu sehen, wie das Ökosystem in diesen Wäldern aufeinander abgestimmt ist, ist schon bewundernswert. Wenn man sieht, wie bereits vor 500 Jahren umgekippte Bäume noch immer mit dicken Stämmen existieren und Nährboden für neue Bäume und eine unendliche Anzahl von Tieren bieten, ist das echt beeindruckend. Was Natur alles kann…wenn man sie lässt!

Allerdings sehen wir auch, dass Forstwirtschaft auf dieser Insel eine Rolle spielt.

Vancouver Island ist nur zum Teil richtig erschlossen und so kann man gerade im Westen nicht entlang der Küste fahren. Daher legen wir einen ziemlichen Zick-Zack-Weg zurück (siehe hier unsere Route), um alles Sehenswerte zu erkunden. Manchmal kommen wir allerdings, was die Straßenverhältnisse anbelangt (auf den Bildern handelt es sich um eine arg ramponierte Brücke), an unsere und Sprintis Grenzen…

… und dann heißt es auch schon mal…Kehrtwende!

Als wir nach einem langen Tag in einer hippen Surfergegend landen, in der man mit hohen Strafen rechnen muss, wenn man mit dem Wohnmobil frei steht, haben wir Glück, dass wir nach ausgebuchten oder absolut überteuerten Campingplätzen (bis zu 180 CAD pro Nacht…HALLO?!) noch einen Platz ergattern, der noch so einigermaßen preislich in Ordnung geht. Wir müssen allerdings schmunzeln, als wir sehen was wir dafür bekommen: Einen Stellplatz ohne jegliche Anschlüsse (Strom, Wasser, Abwasser), am ganzen Campingplatz gibt es weder Frischwasser noch die Möglichkeit sein Grauwasser loszuwerden. Wir haben Zugang zu lediglich einer Dusche und einer Toilette. Unsere Parzelle ist zwar passend groß, aber sie besitzt weder Bank noch Tisch…was sonst in Kanada Standard ist. Auch quasi Standard ist eine Feuerstelle, ein sogenanntes „Fire-Pit“, meist bestehend aus einem großen Eisenring, einem Steinkreis oder zur Not auch mal einer LKW-Felge, so dass man ein Feuer machen kann ohne dass man gleich den ganzen Wald in Brand setzt. Auf unserem Platz befindet sich auch ein Fire-Pit, dieses Mal in Form einer Felge, allerdings nicht von einem LKW, sondern von einem PKW…eine absolute Mini-Felge…mit einem Holzscheit ist das Ding tatsächlich voll!

Aber es klappt…schließlich habe ich meinen eigenen ganz persönlichen „Fire-Pete“ immer dabei, der bekommt jedes Feuer an! Neuerdings haben wir übrigens auch eine Axt…Peters neueste Errungenschaft. Als wir abends so am Feuer sitzen und ich auf unsere Mini-Felge schaue, muss ich schmunzeln, als plötzlich folgenden Geschichte in meinem Kopf entsteht:

Die kleine Felge Tom
Es war einmal eine kleine Felge, die war über viele Jahre an einem VW Bulli in der Welt umher gereist und hatte jeden Kontinent besucht. Die Berge, das Meer, die Wüste, Wiesen und Felder…alles hatte sie gesehen. Sie war gefahren auf geteerten Straßen, auf Sand, durch Wasser und Pfützen, durch Matsch und auf Schotterstraßen…und sie hatte es geliebt so die Welt zu entdecken. Dann eines Tages gab der VW Bulli seinen Geist auf und seine Besitzer brachten ihn wohl oder übel auf den Schrottplatz… und mit ihm die kleine Felge Tom. Vorbei war das Abenteuer! Traurig sah Tom wie der Bulli sein Ende in der Schrottpresse fand. Einsam lag die kleine Felge da, umringt von einem Haufen alter Autoteile und Schrott. Es war kalt, nass und ungemütlich. So verging die Zeit und die kleine Felge wurde immer einsamer und trauriger. Doch dann irgendwann kamen ein paar Surfer vorbei, die die kleine Felge doch tatsächlich mitnahmen. Tom konnte es nicht fassen. Und so landete die kleine Felge auf dem Campingplatz auf Vancouver Island als Fire Pit und bekam nun mit, wie sich Menschen aus der ganzen Welt abends um sie scharrten und am Feuer wärmten. Die kleine Felge genoß es all ihre Geschichten zu hören und dachte sich so manches Mal mit einem Lächeln: „Da war ich auch schon mal!“

Als ich Peter meinen Gedankenschwall offenbare, schaut der mich an, als wolle er sagen: „Jetzt spinnt sie ganz!“ Und wahrscheinlich hat er damit gar nicht so unrecht…vielleicht tut mir die kanadische Luft ja auch einfach nicht gut :).

Dann zieht es uns weiter an den nordwestlichsten Zipfel der Insel, nach San Josef Bay. Eine Gegend, die man nur über 70 km Schotterpiste erreicht…herzlich willkommen Schlaglöcher, sag ich nur! Neben Schlaglöchern sehen wir auf dem Weg allerdings auch wieder einen Schwarzbären und etliche Maultier-Hirsche.
Am Parkplatz angekommen, wandern wir durch einen Regenwald Richtung San Josef Bay. Es ist schwül und der Wald ist dicht. Wir sehen wieder eine atemberaubende Pflanzenwelt. Dann irgendwann gelangen wir an eine „Lichtung“ und vor uns liegt tatsächlich nicht mehr der Wald, sondern nichts als Strand und der Pazifik…wunderschön!

Auch einem Schwarzbären (den haben wir leider nicht aufs Bild bekommen) und zwei Weißkopfseeadlern gefällt es dort. Wir „schlendern“ in unseren dicken Wanderschuhen (wir sind gefühlt die einzigen am Strand, die mehr als zwei Kleidungsstücke anhaben) eine ganze Zeit lang dort umher und genießen die Sonnenstrahlen und das Meer (vergessen sind die 8 Grad!). Dann machen wir uns auf, um noch eine Fahretappe einzulegen, denn wir wollen noch die Fähre zurück aufs Festland erwischen.

Doch dann legen wir kurzfristig doch noch einen Zwischenstopp ein und bleiben eine weitere Nacht auf der Insel. Es heißt, die Gegend um Vancouver Island gehört zu den Orten mit den meisten Wal-Beobachtungen…unter anderem auch von Orcas. Das lässt uns doch ein wenig hadern. Wir haben bereits auf Gran Canaria und zuletzt auch in Südafrika an Whale Watching-Touren teilgenommen und uns eigentlich geschworen, dass wir solche Touristen-Ausflüge auf Kosten der Tiere nicht mehr unterstützen wollen. Auf beiden Touren hatten wir bereits Buckelwale gesehen und auch in Australien waren wir ihnen einmal zufällig bei einem Segelturn begegnet. Musste es daher also wirklich sein, dass wir jetzt noch einmal so etwas machen? Eigentlich nein! Uneigentlich würde sich die Chance Orcas zu sehen, wohl nicht so schnell wieder ergeben. Ich durchforste das Internet und stoße auf eine Organisation, die solche Ausflüge unter einem sehr ökologischen Gesichtspunkt unternimmt…ist das überhaupt möglich? Erstmal macht das einen guten Eindruck und die Fahrt wird auch nur mit einer sehr kleinen Gruppe vorgenommen und nicht als riesen Touristenspektakel. Als für diesen Tag abends um 17 Uhr noch zwei Plätze frei sind, lassen wir uns breitschlagen und buchen den Trip…immer im Hinterkopf: „Das ist jetzt wirklich das letzte Mal!“ Als wir dort eintreffen, werden wir total freundlich und herzlich in Empfang genommen (das können sie einfach, die Kanadier! Und das meine ich gar nicht oberflächlich sondern ganz ehrlich). Schon bekommen wir einen Thermooverall zur Verfügung gestellt, der uns bei Temperaturen von bis zu 25 Grad an diesem Tag zwar stutzig macht, sich auf der Tour dann aber echt bewährt. Mit noch weiteren sechs anderen Gästen und zwei sehr netten und behutsamen Guides, die mit Leib und Seele Walbeobachter und Forscher sind und uns sehr viel erklären und erläutern, geht es auf ein kleines Boot, das jeder Wal wahrscheinlich mit links umkippen könnte. Die Sonne scheint, wir düsen aufs Meer, der Wind peitscht uns ins Gesicht…ebenso wie so manche Welle Salzwasser…der Thermooverall macht definitiv Sinn! So überqueren wir an diesem späten Nachmittag sogar auf dem Seeweg die Grenze zur USA.

Und dann schwimmen sie an uns vorbei…eine Buckelwalmutter mit ihrem Jungen. Sofort wird bei unserem Boot der Motor abgestellt und wir halten während der gesamten Zeit ausreichend Abstand, um die Tiere weder zu irritieren noch zu gefährden. Immer wieder tauchen sie auf…was jetzt nicht so leicht bildlich festzuhalten war. Das Wal-Weibchen ist den Guides seit vielen Jahren bekannt, weil sie jedes Jahr zurückkehrt, nachdem sie die Wintermonate in Mexiko verbracht hat (klingt verlockend). In den Norden kommen die Wale dann zurück, um sich wieder Reserven anzufressen, da es in den südlichen Gewässern kaum Nahrung gibt (doch nicht mehr so verlockend). Ihr Junges ist nun das erste Mal dabei und hat von der Walforschung dort vor Ort (Universität) noch keinen Namen erhalten. Daher werden wir nach Namensvorschlägen gefragt. Weil niemand etwas sagt und an diesem Tag, nur ein paar Stunden zuvor, unser Neffe geboren worden ist, schlage ich „Ludwig“ vor…zugegebenermaßen im englischsprachigen Raum etwas schwierig auszusprechen, aber eine abgewandte Form wie „Ludi“, „Ludo“ etc. wäre ja auch in Ordnung. Da alle Wale einen Namen mit Bedeutung erhalten, google ich schnell, was hinter Ludwig steckt: „berühmter Kämpfer“! Und damit sind alle, besonders unsere Guides überzeugt und der Name wird registriert…zumindest für diesen Tag…und vielleicht ja auch für die Zukunft?!

Neben unserer Buckelwalfamilie sehen wir auf unserer Tour noch Seehunde, Weißkopfseeadler und auf der Insel Spieden-Island (übrigens die Insel, auf der John Wayne immer jagen war) auch noch einige Herden Mufflon-Schafe aus Korsika, Damhirsche aus Europa und Sika-Hirsche aus Asien (ok, Schafe und Hirsche hat man bei einer Whale Watching-Tour nun nicht auf dem Schirm). Das Jagen auf dieser Insel wurde übrigens irgendwann untersagt, da immer wieder Querschläger auf der dichter besiedelten Nachbarinsel landeten.

Leider gelingt es uns an diesem Tag nicht mehr noch Orcas zu sehen, aber dann sollte es wohl nicht sein. So fahren wir mit unserem Bötchen in den Sonnenuntergang und wer weiß, vielleicht gibt es ja zukünftig den „kleinen“ Wal Ludwig, der durch den Pazifik schwimmt…

Ludwig, wir sehen uns in Mexiko!