– Wir verlassen Chile –
Am Tag nach Peters Geburtstag verlassen wir Valdivia wieder und damit quasi auch die wunderschöne Gegend Patagonien, in der wir die letzten zwei Monate zu Gast sein durften. Aus den Nachrichten erfahren wir, dass der ehemalige Präsident Chiles, Sebastián Piñera, bei einem Hubschrauberabsturz in Lago Rancho (rund 100 Kilometer von Valdivia entfernt) ums Leben gekommen ist. Neben den Waldbränden ein weiterer Schicksalschlag für das Land, was hier die Fahnen auf Halbmast hängen lässt.
Wir fahren weiter Richtung Norden und legen in diesen Tagen viele Kilometer zurück. An einem Abend übernachten wir alleine an einem Fluss, den Einheimische tagsüber gerne mit ihren Familien zum Schwimmen nutzen. Wir holen unsere Campingstühle heraus und genehmigen uns ein Feierabendbierchen, was uns namenstechnisch an zu Hause erinnert. Als es dämmert, werden wir von dutzenden Mücken begrüßt und so machen wir es uns den Rest des Abends in Sprinti gemütlich.
Am nächsten Tag erreichen wir die Wasserfälle Salto del Laja, bei denen sich gleich vier Fälle 35 Meter in die Tiefe stürzen. Dieses Schauspiel gilt hier als ziemliche Touristenattraktion und so legen auch wir hier einen kurzen Stop ein.
Tags darauf erreichen wir mit Colchagua die Weinregion Chiles, durch die wir auf dem Weg Richtung Süden vor zwei Monaten nur durchgefahren sind. Dieses Mal ist auch hier Zeit für einen Zwischenstop. Und nachdem wir auf einem Weingut in Mendoza bereits den argentinischen Wein getestet haben, steht heute eine Verkostung auf dem chilenischen Weingut Viu Manent an. Zu dem Gut gehört ein hervorragendes Restaurant und so sitzen wir an einem sommerlichen Nachmittag unter Weinranken, die uns Schatten spenden und genießen das Essen und den Wein…beides sehr köstlich, kann ich Euch sagen!
Was übrigens außerordentlich praktisch ist, ist, dass wir mit Sprinti direkt am Weingut übernachten dürfen. Als Peter und ich am Abend mit unseren Stühlen vor Sprinti sitzen, den lauen Sommerabend genießen (bevor die Mücken kommen) und unseren Wein vom Weingut verkosten, kommt plötzlich eine deutsche Familie, bestehend aus Thomas und Susanne mit ihren Töchtern Stina und Smilla, vorbei. Auch sie reisen derzeit mit ihrem Truck-Camper durch Südamerika und so kommen wir sofort ins Gespräch…verquatschen uns regelrecht. Die Chemie stimmt sofort! Von ihnen erhalten wir auch den Tipp für einen schönen Stellplatz direkt am Meer. Alles klar, den probieren wir dann doch mal aus!
Am nächsten Morgen trennen sich unsere Wege und so müssen wir uns schon wieder von Thomas und Susanne samt ihrer Töchter verabschieden. Wir folgen deren Ratschlag und machen uns auf zum Meer. So erreichen wir La Boca, ein Ort direkt am Pazifik. Hier finden wir tatsächlich einen ruhigen Platz mit Blick auf diesen wunderschönen Ozean…hier lässt es sich definitiv aushalten! Es ist schon unglaublich, dass wir vor rund einem Monat noch bei 0 Grad Celsius in der Antarktis waren und nun hier bei sommerlichen Temperaturen an dem Meer sitzen, dass quasi aus der Antarktis kommt. Und sich vorzustellen, dass Ushuaia schon wieder über 3400 Kilometer von uns entfernt liegt, zeigt einfach nur wir unglaublich groß und abwechslungsreich dieser wunderschöne Kontinent ist.
Nach zwei Tagen am Meer, in denen wir viel für die letzten Wochen auf dieser Reise recherchieren und organisieren konnten, verlassen wir diesen schönen Ort und sagen damit auch dem Pazifik für diese Reise Lebewohl. Es geht nun für uns erneut nach Santiago. Vielleicht fragt Ihr Euch, warum wir nun ein drittes Mal die Hauptstadt Chiles besuchen?! Die Antwort: Wir haben einen Termin! Zur Erklärung hole ich ein wenig aus. Als wir im letzten Frühjahr auf Heimaturlaub in Deutschland waren, haben wir uns von einer sehr renommierten Firma dort neue Stoßdämpfer mitgebracht. Zwar haben wir uns auf dieser Reise schon zweimal neue einbauen lassen, aber die waren entweder gebraucht und nur neu aufgearbeitet (was wir dann erst im Nachhinein erfahren haben) oder sie waren qualitativ nicht so gut, als dass sie Sprintis Karosserie mit all seinem Gewicht bei den nicht immer guten Straßen auch ausreichend abfedern. Also haben wir uns gedacht, nutzen wir den Heimaturlaub doch auch, um uns neue Stoßdämpfer mitzubringen. Ehrlich gesagt waren wir uns gar nicht so sicher, ob man uns die beim Flug nicht konfisziert, sahen sie beim Durchleuchten unserer Reisetaschen doch eher nach Waffenmaterial als nach einem Autoersatzteil aus. Aber abgesehen vom Gewichtsproblem (s. dazu Artikel „Heimaturlaub #052“) hat alles gut funktioniert. Als wir dann circa 8000 Kilometer später in Lima (Peru) neue Bremsklötze angebracht haben, ist uns aufgefallen, dass der Stoßdämpfer vorne rechts ziemlich leckt und Öl verliert.
Daraufhin haben wir Kontakt mit der deutschen Firma aufgenommen, die dies gleich als Produktionsfehler eingestuft und uns kostenlos einen neuen Stoßdämpfer zugeschickt hat. Doch wohin lässt man sich so ein Paket schicken, wenn man auf Reisen ist? Wie lange braucht das Paket und wo sind wir zu dem Zeitpunkt? Viele Unbekannte, die es schwer abzuschätzen gilt. Es ist zu diesem Zeitpunkt Anfang November und wir sind in Chile, genauer gesagt in Santiago…bei Milenko in der Werkstatt, wo Sprinti einen Ölwechsel etc. erhält. Wir sprechen also mit Milenko und der bietet uns an, die Stoßdämpfer zu ihm schicken zu lassen. Perfekt! Mit DHL Express dürfte es ja nur maximal eine Woche dauern und unser „Waffenmaterial“ müsste aus Deutschland hier in Santiago ankommen. Viele Reisende nutzen DHL Express, um sich Ersatzteile aus Europa innerhalb weniger Tage schicken zu lassen und das funktioniert eigentlich immer sehr gut. So bleiben wir im November ein paar Tage in Santiago und warten auf die Stoßdämpfer. In der Sendungsverfolgung sehen wir, dass das Paket umgehend auf die Reise geschickt wurde und nun am Flughafen in Frankfurt zur Prüfung liegt. Nach einigen Tagen, in denen sich laut Sendungsverfolgung so gar nichts getan hat, entscheiden wir, Santiago zu verlassen und unsere Reise schon mal fortzusetzen…mit dem Plan, Santiago einen erneuten Besuch abzustatten. Und so waren wir erstmal in Argentinien und haben dort Mendoza und einige Nationalparks besucht. Zwei Wochen später sind wir dann nach Santiago zurückgekehrt…allerdings lagen unsere Stoßdämpfer noch immer in Frankfurt. Nach mehrmaligem Nachhaken erfahren wir, dass unser Paket nicht mit DHL Express, sondern als DHL Postpaket verschickt wurde…was prioritätenmäßig nicht ganz oben auf der Versandliste steht. Noch immer tut sich nichts bei unserem Paket! Was machen wir jetzt? Es ist Ende November und uns läuft die Zeit davon, wollen wir doch Ende des Jahres unser Reiseziel Ushuaia erreichen! Vor uns liegen noch knapp 4.000 Kilometer und rund fünf Wochen. Die Straßen werden auch hier herausfordernd sein…und das mit dem kaputten Stoßdämpfer? Geht dadurch womöglich auch der Zweite kaputt? Wir haben keine Wahl und so lassen wir Santiago erneut hinter uns…wieder ohne neuen Stoßdämpfer…dieses Mal Richtung Süden.
Ihr als aufmerksame Pedena-Leser wisst, wir haben es geschafft und Ushuaia rechtzeitig erreicht…auch mit dem alten Stoßdämpfer! Quasi täglich haben wir dabei auf unserem Weg in den Süden den Sendungsstatus unseres Pakets überprüft. Und so bekamen wir am Ende der Welt am Ende des Jahres (es war tatsächlich der 31.12.2023) die Nachricht, dass unser Stoßdämpfer Frankfurt nach über sieben Wochen verlassen und Chile erreicht hat…ENDLICH! Jetzt muss das „Waffenmaterial“ nur noch durch den chilenischen Zoll…Moment, sagte ich „nur noch“?
Dieser Prozess dauert weitere vier Wochen bis wir am 31.01.2024 endlich die Mitteilung erhalten, dass unser Paket abholbereit in Santiago in der Postfiliale liegt…und das nach „lediglich“ 11 Wochen!
Das ist der Grund, warum es für uns nun ein drittes Mal in die chilenische Hauptstadt geht. Wir haben erneut einen Termin bei Milenko. Vorher ist es allerdings an der Zeit den Staub und Dreck seit Ushuaia loszuwerden und so gönnen wir Sprinti mal wieder eine Wäsche…
Dann geht es in die Werkstatt…und man glaubt es kaum…der Stoßdämpfer ist da! Wie wir an den beigelegten Dokumenten im Paket erkennen können, hat sowohl der deutsche als auch der chilenische Zoll das Paket geöffnet und den Inhalt überprüft…die dachten wahrscheinlich auch eher an eine Waffenlieferung! Aber nix da…lediglich ein ganz harmloser Stoßdämpfer! 🙂
Und so bekommt Sprinti an diesem Tag nicht nur einen neuen Stoßdämpfer, sondern auch eine neue Windschutzscheibe und einen neuen Scheinwerfer. Die Windschutzscheibe hat auf der Reise so manchen Steinschlag abbekommen, angefangen in Kanada auf unserem Weg zum Polarmeer (s. dazu Artikel „Reifenpanne auf dem Dempster Highway #014“). Da die Preise hier in Südamerika für eine neue Scheibe um einiges günstiger sind als in Deutschland, erledigen wir das gleich mit. Aus diesem Grund lassen wir auch den Scheinwerfer erneuern, der über die Jahre ein wenig blind geworden ist und trotz unserer Aufarbeitung in Mexiko nicht mehr so leistungsstark ist, wie er sein sollte. Bei unserem ersten Besuch bei Milenko hier in Santiago im letzten November haben wir neben einem Filter- auch einen Ölwechsel machen lassen. Jetzt, nur wenige Monate später liegen bereits weitere 10.000 Kilometer hinter uns und es wird wiederum Zeit Sprinti mit neuem Öl etwas Gutes zu tun. Des weiteren hören wir momentan beim Fahren ein merkwürdiges Geräusch…auch diese Ursache ist schnell gefunden…eine Halterung am Auspuff hat sich gelöst. Also schickt man uns kurzerhand in eine benachbarte Werkstatt, die mal eben zum Schweißgerät greift und so ist nach fünf Minuten auch dieses Problem gelöst.
Weil die neue Scheibe eingeklebt wurde und das Ganze erstmal trocknen muss, sollen wir zwei Tage mit Sprinti nicht schnell fahren und schlechte Straßen meiden. Bei den Bedingungen hier heißt das dann wohl…Auto nicht bewegen! Also fahren wir quasi im Schneckentempo weg von der Werkstatt hin zu Matias und seinem Campingplatz, auf dem wir auch bei unserem ersten Besuch in Santiago schon waren. Auch die Hunde dort erkennen uns wieder und freuen sich über Spielkameraden.
Am nächsten Tag nutzen wir die Zeit und fahren mit dem Taxi in das Stadtzentrum, denn so richtig Sightseeing haben wir in Santiago noch immer nicht gemacht, also wird das jetzt mal Zeit! Santiago ist nicht nur die Hauptstadt, sondern mit 5,2 Mio. Einwohnern (7,1 Mio. im Ballungsraum) auch die größte Stadt des Landes. Damit leben etwa 44 Prozent aller Chilenen in der Hauptstadt oder in ihrer direkten Umgebung. Die Stadt ist das unbestrittene politische Zentrum Chiles, auch wenn das chilenische Parlament, der Congreso Nacional, in Valparaíso tagt. An dem ein oder anderen Regierungsgebäude kommen wir hier allerdings auch vorbei. Die Innenstadt ist sehr geprägt von alten Gebäuden, was ihr durchaus einen Charme verleiht, der uns gefällt. Die Mischung aus alt und neu erinnert uns dabei sehr an Panama City.
Zwei Tage später ist Sprintis Scheibe hoffentlich genug getrocknet. Dazu gilt es zu sagen, dass wir andere Reisende getroffen haben, denen ist tatsächlich die neue Windschutzscheibe auf einer ungeteerten Straße wieder herausgefallen…was aber eventuell auch an der falschen Montage gelegen hat. Wir sind also mal ganz zuversichtlich, lassen die blauen Klebestreifen, die zusätzlich dafür sorgen sollen, dass die Scheibe nicht abrutscht, aber vorsichtshalber nochmal ein paar Tage dran. Für uns ist es nun an der Zeit Chile Lebewohl zu sagen…auf dieser Reise nun endgültg! Und so kreuzen wir nun zum neunten und letzten Mal die Grenze von Chile und Argentinien. Chile ist ein tolles Land und gehört neben Kolumbien zu unseren Lieblingsländern hier in Südamerika. Nach Peru und Bolivien, die für uns persönlich anstrengende Länder waren, hat uns Chile quasi ein wenig aufgefangen (wenn man es so nennen mag) und uns ein wenig Ordnung und Struktur zurückgegeben, was uns sehr gutgetan hat, weil es vieles im Alltag erleichtert. Wir haben hier sehr nette und hilfsbereite Menschen kennengelernt und haben uns nie unsicher gefühlt. Die Landschaft in diesem Land ist einfach fantastisch, daher können wir Chile als Reiseland absolut empfehlen!
Und so fahren wir ein drittes und letztes Mal über den 3.000 Meter hohen Pass, der hier Chile und Argentinien verbindet. Es ist mit knapp 40 Grad sehr heiß und auf der Serpentinenstraße quälen sich die LKWs im Schneckentempo den Berg hoch. Auch Sprinti ist bei diesen Temperaturen und dem extremen Anstieg nicht begeistert. Umso mehr freut er sich bei jedem Stillstand über ein wenig Motorkühlung, in dem wir die Motorhaube aufstellen, damit die heiße Luft auch nur irgendwie entweichen kann. Zusätzlich läuft unsere Heizung im Innenraum auf Hochtouren, um auch so dem Motor ein wenig Kühlung zu ermöglichen. Somit bringen uns nicht nur die 40 Grad ordentlich ins Schwitzen, sondern zudem auch noch die Hoffnung, dass die Scheibe hält.
Es klappt…Sprinti und Scheibe halten durch! 🙂
Und so sagen wir mit einem lachenden und einem weinenden Auge: „Adios Chile, Du schönes Land!“