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Klondike

Kanada Reiseberichte

Wir sind im Goldrausch (#015)

14. August 2022

– Dawson City –

Wie schon im letzten Artikel (Reifenpanne auf dem Dempster Highway #014) erwähnt, war die Stadt Dawson unser Ausgangspunkt für unsere Reise zum Polarmeer. Und nach hierhin sind wir auch nach der Tour wieder zurückgekehrt. Dawson City oder einfach Dawson ist ein kleines Goldgräber-Örtchen. Es hat heute ca. 1300 Einwohner und liegt am rechten Ufer des Yukon, an der Mündung des Klondike River und 240 km südlich des nördlichen Polarkreises. Dawson ist, mit deutlichem Abstand zu Whitehorse, die zweitgrößte Stadt im Staat Yukon. Ab der Gründung des Territoriums 1898 war Dawson dessen Hauptstadt, bis die Regierung 1953 in das 535 km südlich gelegene Whitehorse umzog. Die Siedlung wurde 1896 zu Beginn des legendären Klondike-Goldrauschs gegründet und nach dem kanadischen Geologen George Mercer Dawson benannt, der die Region erforscht hatte. Vielen ist Dawson vielleicht aus diversen Wild-West-Filmen (wie z.B. „Silverado“ oder „Walker, Texas Ranger“ etc.) bekannt, weil es immer noch wie eine Stadt im Wilden Westen aussieht…auch heute noch. Die alten Holzhäuser sind erhalten geblieben und versprühen dadurch einen ganz besonderen Charme. Die „Bürgersteige“ sind lediglich Holzwege, die einen von den ungeteerten, staubigen oder auch matschigen Straßen fernhalten (vor vielen Häusern sind Bürsten montiert, um die Schuhe vor dem Eintreten zu säubern). Man fühlt sich hier wirklich zurückversetzt in die Zeit Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Unterschied, dass wir hier nicht bei den Karl-May-Festspielen oder in irgendeinem Freizeitpark mit Nachbauten sind, sondern in einem echten, noch existierenden Ort mit realer Geschichte.

Selten hat ein Ereignis in der amerikanischen Geschichte die Menschen so zum Träumen gebracht, wie der Goldrausch 1897/98. Am Klondike, der in Dawson in den Yukon mündet, wurde am Bonanza Creek 1896 das erste Gold entdeckt. Angestiftet von dem erfahrenen Goldsucher Bob Henderson untersuchten George Carmack und seine Fischerkollegen Jim Skookum und Charlie Tagish den Bach in dieser Gegend. Am 17. August 1896 fanden sie letztendlich Gold und steckten die ersten vier Claims (Schürfgebiete) für sich ab. In Forty Mile, ein paar Tage später, ließ Carmack den Discovery Claim für sich selber und jeweils einen weiteren für Charlie und Jim registrieren. Er schickte Jim zu dem Bach zurück, den er Bonanza (was „ergiebige Goldgrube“ oder auch „Glücksfall“ bedeutet) getauft hatte, um die Claims zu bewachen. Innerhalb von ein paar Tagen waren die Bäche Bonanza und Eldorado von einem bis zum anderen Ende abgesteckt. Als die Nachricht vom Goldfund die Außenwelt erreichte, brach der Klondike-Goldrausch aus. Bereits 1898 waren 4735 Boote mit 28.000 Menschen an Bord auf dem Weg nach Dawson, um dort ein neues Leben im Goldrausch zu beginnen. So lebten zu Hochzeiten zwischen 20.000-30.000 Menschen in Dawson City.

Nicht lange nachdem Gold in größeren Mengen im Klondike entdeckt worden war, wurden schwimmende Schaufelbagger (Dredges) in den Goldfeldern eingesetzt, in diesem Gebiet kamen etwa zwei Dutzend zum Einsatz. Der größte war die Dredge Nr. 4 (heute nicht mehr in Betrieb), die auch gleichzeitig der größte mit Holzrumpf ausgestattete Schaufelbagger Nordamerikas war. Er ist so groß wie 2/3 eines Fußballfeldes und 8 Stockwerke hoch. Die Wasserverdrängung betrug 2722 Tonnen. Die Dredge bewegte sich in einem von ihr selbst gegrabenen Teich vorwärts, indem sie vorne goldführenden Kies abbaute, das Gold in einer sich drehenden Trommel auswusch und den übriggebliebenen Kies durch die Abraumleiter hinten auswarf. Und genau diese Dredge besuchen wir und lassen uns von unserem Guide Bennie mitnehmen in die Zeit des Goldrausches.

Große Abräumhügel erinnern im ganzen Gebiet auch heute noch an vergangene und aktuelle Grabungen. Irgendwann war dann das Gold „alle“, nachdem nach konservativen Schätzungen zufolge, Gold im Wert von über 500 Millionen Dollar hier gefördert worden war. Dann war er vorbei der Goldrausch und viele Menschen verließen freiwillig oder gezwungenermaßen die Gegend wieder. So hat Dawson um 1940 nur noch 1000 Einwohner besessen. Einige Minen sind auch heute noch aktiv und auch wenn in den letzten 130 Jahren schon viel des Goldes abgebaut worden ist, scheint es sich für wenige große Firmen immer noch zu lohnen. Wir treffen im Ort auf eine Deutsche (schätzungsweise so um die Ende zwanzig), die dort mit ihrem deutschen Freund lebt. Auf unsere Frage, wie es dazu kam, erzählt sie uns, dass ihr Freund bei einer deutschen Fernsehshow, bei der es ums Goldschürfen ging, gewonnen hat…und zwar eine Saison lang hier in Dawson in einer der Minen zu arbeiten. Mittlerweile sind sie nun schon die dritte Saison dort. Sachen gibt’s…!

Und wenn wir schon mal hier sind, müssen wir unser Glück natürlich auch versuchen und machen uns auf zum Bonanza Creek…

Ob sich unsere Ausbeute sehen lassen kann, klären wir nochmal ab. Vorsichtshalber haben wir schon mal ein Konto auf den Kaimaninseln eröffnet.

Vielleicht hat der ein oder andere ja auch von dem eingefrorenen Mammutbaby gehört, was Ende Juni hier gefunden worden ist. Der Fund war die absolute Sensation und weltweit groß in den Medien. Das Mammutbaby starb während der Eiszeit und wurde in dem mehr als 30.000 Jahre alten Permafrostboden eingefroren. Goldgräber hatten es nun hier entdeckt…zur Info: Wir waren es nicht!

Zurück wieder in Dawson gilt es noch etwas anderen zu „begießen“…und zwar unsere erfolgreiche Rückkehr vom Polarmeer und dem Dempster Highway. Und wo geht das besser als in einem waschechten Saloon?! Wie der Zufall es so will, landen wir nicht in irgendeinem Saloon, sondern in einem der für eine sehr spezielle Tradition bekannt ist…das Downtown Hotel. In diesem Saloon gibt es seit 1973 den gewissen „Sourtoe Club„, der mittlerweile über 100.000 Mitglieder hat. Diese Tradition besagt, dass man ein Glas mit Whisky erhält, in dem ein alter, abgestorbener (und daher schwarzer….iiiihhhhh) Zeh (ja, Ihr lest richtig!) schwimmt. Diesen Whisky muss man trinken und mit dem Mund den Zeh berühren (nochmal iiiihhhhh).

Die Legende des ersten „Sourtoe“ geht auf die 1920er Jahre zurück und handelt von einem lebhaften Schmuggler namens Louie Linken und seinen Bruder Otto. Bei einer ihrer grenzüberschreitenden Lieferungen gerieten sie in einen schrecklichen Schneesturm. In dem Versuch, sein Hundegespann zu lenken, stieg Louie vom Schlitten und in einen eisigen Überlauf…wobei er seinen Fuß gründlich durchnässte. Aus Angst, die Polizei sei ihnen auf der Spur, setzten sie ihre Reise fort. Leider führte die längere Kälteeinwirkung dazu, dass Louies großer Zeh festgefroren war. Um Wundbrand vorzubeugen, führte der treue Otto die Amputation mit einem Holzhackbeil (und etwas doppeten Rum zur Anästhesie) durch. Zur Erinnerung an diesen Moment konservierten die Brüder den Zeh in einem Glas Alkohol. Jahre später wurde der Zeh von Captain Dick Stevenson entdeckt, als er eine verlassene Hütte reinigte. Nach Rücksprache mit Freunden wurde der „Sourtoe Cocktail Club“ gegründet und die Regeln entwickelt. Seit seiner Gründung hat der Club (durch Spende) über 25 Zehen erworben (wir reden tatsächlich von echten Zehen, die Menschen gespendet haben…drittes Mal iiiihhhhh).

An meiner Ausführung könnt Ihr erkennen, dass ich dies nicht brauchte, um glücklich zu werden. Peter allerdings ließ sich, wie viele andere an diesem Abend auch (schließlich kommen sehr viele genau deswegen hierher), von der Stimmung dort vor Ort mitreißen…das ganze Prozedere wurde ja auch richtig zelebriert…jeder wurde von einem alten Mann mit weißem Bart der Reihe nach aufgerufen und der ganze Saloon hat gejubelt, besonders wenn man es dann durchgezogen und das Whisky-Glas geleert hatte (also ohne den Zeh natürlich, ansonsten kostet das 2500 Dollar Strafe). Ich habe hier mal etwas bildlich festgehalten…

Und so geschah es, dass Peter an einem Tag gleich zwei Zertifikate erhalten hat (siehe dazu auch den Artikel „Reifenpanne auf dem Dempster Highway #014„)…das Zweite als Mitglied Nr. 100.297 des Sourtoe Clubs.

Wir bleiben noch zwei Tage am Yukon und schwelgen gefühlsmäßig weiter in der Zeit des Goldrausches. Dabei fällt mir folgender Text über diese Gegend in die Hände, der es ganz gut trifft:

„Und wieder sind die Täler still…und Bäume und Sträucher bedecken die Narben. Noch immer gibt es hier und dort verstreut kleine Minenbetriebe und auch ein wenig Gold gibt es immer noch zu finden. Ebenfalls immer noch glauben ein paar ganz Unverdrossene, dass irgendwo dort draußen in den Hügeln die „Mother Lode“, die ganz große Goldader, auf Entdeckung wartet...unterdessen plätschern Eldorado und Bonanza leise dem Klondike River entgegen, so ungestört wie 1896 und nur ein kleiner Steinhügel erinnert an die Stelle, wo der letzte große Goldrausch seinen Anfang nahm.“