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El Zorro

Reiseberichte Mexiko

Wir erreichen das mexikanische Festland (#033)

22. Januar 2023

– Auf zu neuen Abenteuern –

Die letzten Wochen des Jahres verbringen wir noch auf der Baja California Sur. Wir machen einen Abstecher südöstlich von La Paz und verbringen ein paar Tage in Los Frailes, an der Küste von Cabo Pulmo, und stehen dort einige Tage in einem ausgetrockneten Flussbett. Und dieses Flussbett und die gesamte Gegend haben es in sich…so fahren wir uns an einem Tag dort gleich ganze drei Mal fest (und dabei sind wir auf der ganzen Reise noch kein einziges Mal steckengeblieben). Aber hier in Los Frailes scheint es an der Tagesordnung zu sein und so kommt uns bereits nach einigen Minuten Dennis, ein amerikanischer Langzeitcamper, der hier „im Flussbett“ überwintert, zur Hilfe. Mit seinem großen Truck befreit er Sprinti innerhalb von Minuten. Ebenfalls nur Minuten dauert es allerdings, bis wir erneut feststecken, weil dieser Untergrund einfach so weich ist, dass er alles zu verschlingen vermag…auch wenn es auf den ersten Blick gar nicht den Anschein hat. Aber egal, so wie wir nun feststecken, bleiben wir einfach stehen. Wir „parken“ nämlich gar nicht schlecht und am nächsten Tag wird uns schon jemand wieder rausziehen, denn hier in diesem Flussbett stehen so einige Langzeitcamper…so schön direkt am Meer. Abends stellen wir uns, ziemlich geschafft von diesem Tag, einen Film an, als plötzlich draußen jemand auf deutsch ruft: „Ey Peter, schläfst Du etwa schon?“ Peter und ich schauen uns beide erstaunt an…wer kennt uns denn hier? Peter geht nach draußen und ich höre, wie die Person sagt: „Wo ist denn Deine Frau Denise?“ Moment mal…jetzt bin ich aber auch neugierig! Draußen steht ein amerikanischer Truck und darin sitzt das deutsche Pärchen Doro und Jupp, die von Dennis erfahren hatten, dass heute ein deutscher Sprinter angekommen ist. Doro und Jupp laden uns kurzerhand auf ein Bierchen zu sich ein und erzählen uns von ihren unzähligen Reiseabenteuern auf der ganzen Welt. Den Winter verbringen sie seit einigen Jahren hier in Los Frailes im Flussbett und fahren jeden Morgen mit ihrem Bötchen raus zum Angeln.

Auch wir bleiben hier am Meer ein paar Tage hängen…gehen Schnorcheln und bewundern auch hier wieder die schöne Unterwasserwelt. Ansonsten genießen wir die Ruhe vor Ort…hier in diesem Flussbett in Mexiko mit schlechtem Handyempfang und teilweise ordentlich Wind. An einem Tag bekommen wir Besuch von „Maria“ (wir haben sie unter uns so genannt, weil wir ihren wirklichen Namen leider nicht kennen) und ihrem Mann, die uns selbstgekochtes mexikanisches Essen vorbeibringen…und zwar traditionelle Hausmannskost mit richtig viel Herz. Zwei Tage zuvor hatten wir über Jupp eine Bestellung aufgeben können, wie es anscheinend viele der Langzeitcamper hier in Anspruch nehmen und so kommen Maria und ihr Mann dann ein Mal pro Woche zum Flussbett und bringen zum kleinen Preis selbstgekochtes Essen vorbei. Wir lassen es uns schmecken und mit jedem Bissen erleben wir Marias Herzblut für das Kochen.

Dann machen wir uns wieder auf den Weg Richtung Norden…und mit etwas weniger Luft in den Reifen schafft es Sprinti auch problemlos von selbst raus aus diesem weichen Untergrund. Praktischerweise haben wir einen kleinen Kompressor dabei, den wir uns in Kanada angeschafft haben, so dass wir fix die Reifen wieder auf „Straßenniveau“ aufpumpen können. So gefällt uns das!

Wieder zurück in La Paz soll es für uns eigentlich mit der Fähre rüber aufs Festland gehen, doch dann hören wir von den Unruhen in Culiacán, unweit von den Orten, die wir vorhaben zu bereisen. Die Kämpfe kommen dadurch zustande, dass „El Raton“ (was „die Maus“ bedeutet) verhaftet worden ist. El Raton ist der Sohn von „El Chapo“ (was im Spanischen „der Kleine“ bedeutet…sehr groß scheinen sie in der Familie alle nicht zu sein), der wiederum der ehemalige oberste Chef des Sinaloa-Kartells, eines mexikanischen Drogenkartells ist. Er gehörte zu den meistgesuchten Drogenbossen in Mexiko und in den Vereinigten Staaten. El Chapo gelang es 2001 und 2015, aus mexikanischen Hochsicherheitsgefängnissen zu entkommen. Am 8. Januar 2016 wurde er ein halbes Jahr nach seiner zweiten Flucht erneut von mexikanischen Fahndern festgenommen. Die US-Bundesstaaten Kalifornien und Texas stellten Auslieferungsanträge, jeweils für Anklagen wegen Drogenhandel und Mord. Am 19. Januar 2017, dem letzten Amtstag von US-Präsident Barack Obama, wurde El Chapo per Flug nach Long Island in New York an die USA ausgeliefert. Und nun wurde auch sein Sohn El Raton gefasst und verhaftet. Dadurch kam es zu Aufständen des Sinaloa-Kartells in Culiacán, bei denen mehrere Soldaten und Kartell-Mitglieder getötet wurden.

Aus Sicherheitsgründen verlängern wir also unseren Aufenthalt auf der Baja und nutzen die Zeit, um noch das ein oder andere zu erledigen. So bekommt Sprinti einen Ölwechsel, wir legen einen Frühjahrsputz (bereits im Januar) ein, füllen unsere Gasflasche auf und planen u.a. unsere weiteren Reiseziele. Auch treffen wir uns mit unserer Tauchlehrerin Carmen zum Essen, kehren zu unserem bekannten Campingplatz Maranatha zurück und verweilen einige Tage mit unserem Freund Olli am Strand (na klar…in Tecolote).

Als wir hören, dass sich die Unruhen gelegt haben, heißt es für uns Abschied nehmen von der Baja. Zum ersten Mal auf dieser Reise haben wir an einem Ort länger verweilt und ihn somit auch ins Herz geschlossen. So haben wir uns dort zu Recht gefunden und wir wussten, was es zu erwarten gab. Nun heißt es wieder sich Aufzumachen in das Ungewisse, da sich das Festland Mexikos um einiges von der Baja unterscheiden soll, was Land und Leute, Gegebenheiten und die Landschaft betrifft. So gehen wir mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Lachend deshalb, weil wir langsam auch unruhig werden und gespannt sind auf genau dieses Unbekannte…wir wollen weiterziehen!

Von La Paz aufs Festland verkehren zwei Fähren (Baja Ferries und TMC) mit jeweils zwei Zielen: Topolobampo oder das weiter südlich gelegene Mazatlán. Wir entscheiden uns mit der TMC-Fähre, die eigentlich nur Frachtgüter transportiert und dadurch wesentlich rustikaler, aber auch günstiger ist, nach Topolobampo überzusetzen. Tickets direkt oder online zu kaufen funktioniert allerdings nicht, man kann nur Plätze reservieren und wenn man Glück hat, kommt man mit. Auch wir reservieren mit unserem gebrochenen Spanisch am Vortag direkt am Hafen und erhalten die Info, dass wir am Folgetag um 15 Uhr da sein sollen. Alles klar, wird gemacht! So sind wir pünktlich zurück am Hafen, stehen Schlange mit einigen mexikanischen Truckern, um dann zu erfahren, dass wir nun um 16 Uhr wiederkommen sollen. Also stehen wir zur besagten Zeit erneut Schlange, um dann wiederum zu erfahren, dass wir an falscher Stelle anstehen und rüber ins andere Gebäude müssen. Dies hat aber wohl damit zu tun, dass wir die Damen im Büro zuvor falsch verstanden haben…tja, unser Spanisch mal wieder! Am korrekten Schalter sagt man uns dann, dass derzeit alle Plätze belegt sind (der Frachtverkehr hat Vorrang) und wir um 19.30 Uhr (die Fähre soll um 21 Uhr ablegen) erneut wiederkommen sollen. Alles klar…! So verbringen wir auch die nächsten Stunden auf dem Hafengelände inmitten von rangierenden LKWs. Das Gute an unserer Situation derzeit ist, dass es neben der Warterei und dem Hin und Her letztendlich auf einen Tag früher oder später nicht ankommt und so können wir das Ganze gelassener angehen als es wahrscheinlich sonst der Fall gewesen wäre. Trotzdem freuen wir uns natürlich sehr, als es um 19.30 Uhr heißt: „Wir kommen mit!“

Und so ist Sprinti auf dem ganzen proppevollen Schiff der einzige Camper (vielleicht entdeckt Ihr ihn ja auf dem Foto) und wir die einzigen Nicht-Mexikaner. Im Preis inbegriffen ist ein rustikales Abendessen (was übrigens besser schmeckt als es aussieht) und was uns von einer Dame Typ „Maria“ serviert wird und dass wir letztendlich in einem kleinen urigen Raum mit anderen Truckern zu uns nehmen. Dann ziehen wir uns zurück in unseren Sprinter, der glücklicherweise unter freiem Himmel steht, so dass wir ganz ohne Benzingeruch, mit leichtem Motorengeräusch und ein wenig Geschaukel in den Schlaf gewiegt werden. Am nächsten Morgen gegen 9 Uhr legen wir an und betreten mit Sprinti das erste Mal mexikanischen Festland-Boden…wir sind angekommen im Bundesstaat Sinaloa (s. dazu auch unsere Route). Sinaloa hat ca. 2,8 Mio. Einwohner auf 57.365 km² (was in etwa der Größe Kroatiens entspricht). Hauptstadt ist Culiacán.

Wir passieren zwei Kontrollpunkte und machen uns dann auf weiter ins Landesinnere…unser Ziel ist El Fuerte, ein Ort, der an der bekannten Zugstrecke durch den Kupfercanyon liegt. Und genau mit diesem Zug wollen wir in den nächsten Tagen fahren. Zur Info vorab, auch die Buchung dieses Transportmittels wird sich wieder abenteuerlich gestalten. Zu allererst erreichen wir aber einen kleinen Stellplatz samt Hotel (Hotel Bugambilias) mitten in El Fuerte, der von Maitee und ihrer Mutter Maria (sie heißt jetzt wirklich so) betrieben wird, nachdem der Vater/Ehemann vor einigen Monaten verstorben ist. Maitee schenkt uns frisch gepflückte Mandarinen aus dem Garten und bietet uns an, uns am nächsten Tag durch die Stadt zu führen und uns von der Geschichte El Fuertes zu erzählen. Das nehmen wir gerne an. Dann kochen wir uns etwas Leckeres und entscheiden uns, wie in den letzten Wochen auch, draußen zu essen. Diese Entscheidung revidieren wir allerdings schnell und kehren nach nur drei Minuten aber über 20 Mückenstichen (kein Witz!) in den Wagen zurück. An diesem Abend schlafen wir mit Hundegebell ein, erleben mal wieder eine Nacht bei sage und schreibe 8 Grad Celsius (tagsüber sind es um die 25 Grad) und wachen am nächsten Morgen (Anmerkung der Redaktion: um 4:50 Uhr) von Hahnengekrähe auf. Zum Glück beruhigt sich letzterer dann aber wieder nach einiger Zeit. Den Tag verbringen wir dann u.a. damit für Euch Artikel zu schreiben (Ihr findet heute auch einen neuen Blogeintrag von Peter zum Sprinterausbau), als plötzlich eine große Gruppe kanadischer und amerikanischer Camper auf unserem Platz eintreffen, die mit einer geführten Tour unterwegs sind und tatsächlich von einer Polizeistreife eskortiert werden.

Gegen Abend geht es dann mit Maitee in die City von El Fuerte und wir erleben eine ganz außergewöhnliche Stadtführung. Im Museum „Museo Mirador El Fuerte“ erfahren wir einiges über die Geschichte und Kultur der Gegend um El Fuerte. So galt die Stadt 1824 kurzzeitig als Hauptstadt des Staates Sinaloa und angrenzender Gebiete und hat heute etwa 13.500 Einwohner. Seit dem Jahr 2009 ist das historische Zentrum der Kleinstadt als Pueblo Mágico („Magischer Ort“) anerkannt. Als eben dieses werden nur sehr wenige Orte in Mexiko ausgezeichnet, die wegen ihres typischen und gepflegten Charakters als besonders sehenswert gelten. Die meisten befinden sich im zentralmexikanischen Hochland und präsentieren kolonialzeitliche Architektur. Von Maitee erfahren wir auch, dass der Anbau von Mais und Bohnen etc. an den Ufern des Flusses Rio Fuerte jahrhundertelang die auf Selbstversorgung basierende Lebensgrundlage der Bevölkerung bildete. Darüber hinaus trugen der Gold- und Silberabbau in den nahen Bergen zum allmählichen Wachstum des Ortes bei. Um für eine gute Ernte zu bitten, finden jeher traditionelle Veranstaltungen in der Zeit um Ostern statt, bei denen mit einer besonderen Verkleidung und Tierköpfen nach traditioneller Musik getanzt wird. Auch Maitee ist Mitglied dieser Tanzgruppe und das als erste Frau überhaupt.

Dann führt uns Maitee weiter durch die Stadt El Fuerte, die in der Dunkelheit mit all den Lichtern in einem besonders schönen Glanz erscheint. So treffen wir auf viele alte Gebäude, wie das ehemalige Gefängnis, was heute eine Bibliothek beinhaltet oder auch das heutige Rathaus mit seinem doppelgeschossigen Innenhof und dem zentralen Brunnenbecken, das früher als prunkvolles Wohnhaus diente…gebaut von einem Ehemann, weil sich seine Frau das so wünschte (Peter, ich hoffe, Du hast gut zugehört :)!).

Apropos Gebäude…als nächstes führt uns Maitee zu einem weiteren der ganz besonderen Art…nämlich zum Geburtshaus von Don Diego de la Vega…besser bekannt als „El Zorro“ (ja genau, DER Zorro!). Die Legende besagt, dass der Geschäftsmann Don Alejandro de la Vega aus Chihuahua 1795 in Fort Montesclaros (Sinaloa) die Dame Maria de la Cruz Gaxiola aus Guasave heiratete und einen Sohn bekam, namens Diego de la Vega, der später in Alta California gegen die Ungerechtigkeiten der Kolonialisierung kämpfte und die Armen vor der spanischen Besatzung beschütze. Dies tat er als maskierter Bandit, was ihm letztendlich den Namen „El Zorro“ verlieh. Diego wurde damals hier in El Fuerte in einem Herrenhaus im Kolonialstil (wenn wir es ganz genau nehmen in Zimmer Nr. 46) geboren, das heute Teil des „Hotel Posada del Hidalgo El Fuerte“ ist. Dort wohnte er auch die ersten neun Jahre seines Lebens. Und genau an diesem Herrenhaus befinden wir uns an diesem Abend, laufen durch den Innenhof, posieren vor Zorros Statue und nehmen Platz in dem Ambiente der vergangenen Zeit. Ihr merkt schon, ich bin gefühlsmäßig und gedanklich voll drin in dieser Zeit, als ich mich plötzlich tierisch erschrecke…weil ich auf den engen Treppen mit einer entgegenkommenden Person zusammenstoße…diese Person trägt eine schwarze Maske und nebst einem schwarzen Hut auch einen schwarzen Umhang…es ist EL ZORRO!

Jetzt kann ich Euch beruhigen…an diesem Abend findet in dem Herrenhaus bzw. in dem dazugehörigen Restaurant eine El Zorro-Show statt und in den Protagonisten bin ich halt reingerannt…typisch! Für diese besagte Show hat El Zorro (in diesem Fall ein absoluter Charmeur) uns dann auch auf dem Kieker…so erhält Peter das Schwert, mir setzt er seinen Hut auf und fordert mich zum Tanz auf und auch Peter und ich dürfen gemeinsam das Tanzbein schwingen (was ja bekanntlich Peters Lieblingsbeschäftigung ist…Achtung Ironie!). Die Gruppe amerikanischer Camper von unserem Platz ist an diesem Abend übrigens auch mit von der Partie. Neben all dem Getanze haben wir uns das Abendessen dann dort auch redlich verdient. So sitzen wir auch nach der Show noch ein ganzes Weilchen beisammen und erfahren von Maitee mehr über das Leben hier in Mexiko. So betreibt sie neben dem Hotel noch Viehwirtschaft und ist zudem Englischlehrerin. Sie schildert uns, dass sie in ihrem Alltag keinerlei Beeinflussung durch das Sinaloa-Kartell verspürt. Selten kommt es vor, dass man vielleicht das Haus mal nicht verlassen sollte, wenn es z.B. zu Auseinandersetzungen zwischen dem Kartell und dem Militär kommt, wie zuletzt in Culiacán. Maitee fühlt sich hier sehr sicher und erklärt uns, dass die Kartelle auch auf irgendeine Art und Weise zur mexikanischen Kultur dazugehören.

So verleben wir einen schönen Abend mit Maitee…und nicht zu vergessen, mit El Zorro!

In den kommenden Tagen geht es für uns nun ab in die Berge…aber dazu dann beim nächsten Mal mehr!