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Kanada Reiseberichte

Von der Prärie bis in die Rocky Mountains (#007)

12. Juni 2022

Manitoba – Saskatchewan – Alberta

Weil Kanada so groß ist (wir reden hier schließlich vom zweitgrößten Land der Erde) und wir nur drei Monate hier bleiben können (was eher mit unserer KFZ-Versicherung als mit unserem Visum zusammenhängt), müssen wir uns entscheiden, was wir sehen und wo wir hinfahren wollen. Weil es in den Staaten Alberta, British Columbia und Yukon noch so viele Nationalparks und beeindruckende Natur zu entdecken gibt, entscheiden wir uns, die Provinzen (Staaten) Manitoba und Saskatchewan ein wenig zu vernachlässigen. So durchkreuzen wir in zwei Tagen zwei Zeitzonen und drei Provinzen. Wir fahren auch durch die Hauptstädte Winnipeg und Regina. Letztere ist die Stadt, die geographisch am ehesten dem Mittelpunkt Nordamerikas entspricht. Ganz in der Nähe, in Moose Jaw, machen wir kurz halt, weil ich auf Nummer sicher gehen will, ein Moose (kanadischer Elch) auch mal im Nahen vor die Kamera zu bekommen :).

Dann geht es seeehhhrr viel geradeaus (durchaus auch mal 400km am Stück). So weit, dass unsere Kommunikation im Auto sich wie folgt anhört: „Peter, bereite Dich darauf vor, in 10km müssen wir rechts!“ oder „Denise guck mal, da ist eine Kurve!“ Klingt alles sehr langweilig, ist es aber gar nicht, denn es gibt einiges zu gucken und zu bestaunen. Wir fahren vorbei an Zügen mit sage und schreibe über 150 Wagons. Füchse, Schlangen, Präriehunde, Rehe, Antilopen, Weißwedelhirsche (die waren mir zuvor auch unbekannt), Rostbrachvögel (die kannte ich natürlich), Kanadakraniche und viele Greifvögel säumen unseren Weg. Die Landschaft hat sich mittlerweile verändert und so gibt es hier anstatt von Bäumen und Wäldern, unendliche Weite und Graslandschaften…wir sind angekommen in der Prärie. Der Wind peitscht unwahrscheinlich auf dieser freien Fläche und es ist gar nicht immer so einfach Sprinti in der Spur zu halten. Peter macht das übrigens super, auch bei teilweise sehr schlechten Straßen mit Löchern, die so tief sind als würde man fast den Mittelpunkt der Erde erreichen. Peter übernimmt momentan einen Hauptteil des Fahrens, weil er gerne fährt und ich gerne gucke. Außerdem ist so ein Beifahrer-Job auch nicht zu unterschätzen…Navi im Blick halten, für die Verpflegung des Fahrers sorgen, sich um das richtige Entertainmentprogramm in Sachen Radio, Spotify (oder was es sonst noch gibt) kümmern, Augen offen halten und den Fahrer warnen bei Schlaglöchern, Bahnschienen oder Hindernissen auf der Straße, einen Blick haben für die Schönheiten der Natur und der Tierwelt und blitzschnell reagieren, um es fotografisch auch festzuhalten…was nicht immer so einfach ist, weil sich die Foto-App oder das Fenster nicht schnell genug öffnen lassen, ich aufpassen muss, dass mir vor lauter Schlaglöchern oder Gegenwind das Handy nicht aus der Hand und somit nach draußen fliegt und weil sich auch Leitplanken und Strommasten gerne mal mit aufs Bild schmuggeln. Ihr seht, ein guter Beifahrer zu sein, ist ein Fulltime-Job!

Das Problem mit dem peitschenden Wind erkennen wir auch bei den riesigen Trucks, die hier unterwegs sind und manchmal ganz schön ins Schlingern geraten. Wir haben teilweise so starken Gegenwind, dass wir an einem Tag durchaus auch schon zweimal die Tankstelle anfahren mussten, weil es den Spritverbrauch so arg in die Höhe getrieben hat. Sprinti gibt alles!

Wir fahren weiter in den Süden und erreichen kurz vor der US-Grenze den Grassland Nationalpark, in dem im Jahr 1874 die ersten Fossilien von Dinosauriern in Kanada entdeckt wurden. Vor allem ist es heute aber auch wieder die Gegend freilaufender Bisons. Über 120 Jahre lang waren sie hier ausgerottet, bevor sie 2006 wieder angesiedelt wurden und in diesem Nationalpark mittlerweile eine Population von 500-650 Tieren aufweisen.

Und einen besonders tollen Sternenhimmel soll es hier auch geben, weil die Lichtverschmutzung so gering ist, dass dieser Ort zu den dunkelsten Kanadas gehört. Und für Astronomie und „Sterne gucken“ ist Peter immer zu haben…sogar so sehr, dass er unter einem romantischen Sternenhimmel sein Handy zückt und mit Hilfe einer App damit beschäftigt ist, zu schauen, wo sich denn z.B. der „Ursa Major“ (der große Bär) oder irgenwelche Planeten befinden. In voller Hoffnung auf diesen „romantischen“ Moment, stellen wir uns nachts um 2.30 Uhr den Wecker, um den Himmel in voller Pracht zu betrachten. Und es ist wirklich stockduster. Ich bin mal wieder ungeduldig und werfe mir nur schnell eine Jacke über (Socken werden auch angzogen, ich möchte ja nicht wieder eine Nierenbeckenentzündung bekommen) und dann will ich raus und gucken. Und während ich die große Schiebetür von Sprinti öffne, fällt mir plötzlich ein, dass wir hier vor nachtaktiven Koyoten gewarnt wurden…oops! Ich stelle mir vor, da steht (mindestens) einer direkt vor der Tür und der hat sich nun so erschreckt, dass er sich zähneflätschend vor mir aufbäumt. Ich gucke, erkenne aber nichts…ob der überhaupt Lust auf eine Anfang 40-jährige, mit zerzausten Haaren, im Schlafanzug und mit Birkenstock-Latschen hat? Ich denke nicht und trete heraus. Ach ja, es gibt hier übrigens auch Klapperschlangen…aber ich habe ja zum Glück Socken an :)! Peter ist mittlerweile auch soweit. Über uns erstreckt sich ein wahnsinnig schöner Sternenhimmel, wie wir ihn zuletzt in Neuseeland gesehen haben, und auch die Milchstraße ist gut zu erkennen. Weil wir dies irgendwie auch bildlich festhalten wollen, aber ja auch nur mit unseren Handykameras ausgestattet sind, versuchen wir unser Glück mit Stativ, dem Sternenmodus und einer Belichtungszeit von je 4 Minuten. Das probieren wir ganze dreimal und so langsam wird es echt kalt…den Koyoten und Klapperschlangen anscheinend auch, weil die lassen sich nicht blicken. Wir reden hier immerhin auch von 6 Grad Außentemperatur…gut, dass sie in ihrem Bau bleiben. Als wir recht durchgefroren mit unserem Fotoergebnis zufrieden sind (also ich, Peter hätte es gerne noch perfekter gehabt), huschen wir schnell wieder in unseren „Bau“ und schlafen sofort wieder ein. Ich soll von Peter noch ergänzen, dass er sich nochmal genauer mit dem Thema „Astrofotografie“ auseinandersetzen will, weil man die Milchstraße und alle Feinheiten auf den Fotos ja gar nicht genau erkennen könnte. Hier also die Ergebnisse von unserem ersten kanadischen Sternenhimmel (samt Sternschnuppe)…bitte einzeln anklicken!

Am nächsten Tag erkunden wir weiter den Park mit seiner schönen Landschaft und der beeindruckenden Natur. Es fasziniert uns zu erfahren, wie es für die Menschen damals vor über 100 Jahren war als sie sich hier niedergelassen haben. Voller Hoffnung wollten sie hier neu beginnen, weil man ihnen ein Stück Land versprochen hatte. Und dann fanden sie sich teils in dieser Einöde wieder, in dem die äußeren Bedingungen ein Leben fast unmöglich machten. Wir lesen, dass z.B. eine Familie, die Land auf einem Berg erhalten hatte, täglich mehrere Male je einen Kilometer hoch unter runter laufen musste, nur um an Wasser im Tal zu gelangen. Auch die harten und langen Winter- , dazu die trockenen und heißen Sommermonate sorgten dafür, dass viele Neuankömmlinge aus Europa die Prärie wieder verlassen haben. Auch heute ist hier lediglich Viehhaltung möglich.

Auf einem einsamen Hügel inmitten der Prärie treffen wir an diesem Tag auf eine deutsche Frau, die gemeinsam mit ihren zwei Teenager-Söhnen seit 10 Monaten durch die USA und Kanada reist. Sie ist Lehrerin und ihr Sabbatjahr endet am 06.08.2022, d.h. sie treten langsam den Rückweg an. Uns wird bewusst, dass wir, auch nach 6 Wochen unterwegs, immer noch am Anfang unserer Reise stehen und wie schön und wertvoll es ist, wie viel Zeit noch vor uns liegt.

Am darauffolgenden Tag wollen wir eigentlich Wandern gehen, um die Bisons aus der Nähe zu beobachten. Die Kühe sind kurz vorm Kalben und halten sich derzeit zusammen an einem Ort im Park auf…die lassen wir lieber in Ruhe. Die Bullen haben ihre Arbeit vollbracht und sind daher momentan recht entspannt in Gruppen von 2-3 Tieren unterwegs. Am Vorabend hatten wir bereits eine solche Gruppe aus der Ferne entdeckt. Doch leider ist für diesen Tag ordentlich Regen gemeldet, so dass eine Wanderung im Park auch aus Sicherheitsgründen keinen Sinn macht. Also fahren wir schweren Herzens und in der Hoffnung, dass wir in anderen Parks nochmal die Gelegenheit haben werden freilaufende Bisons zu sehen, weiter. Auf unserem Weg raus aus dem Park begegnen uns Koyoten…es gibt sie also wirklich! Zusätzlich säumen die nächsten Stunden tausende (wirklich tausende) Ground Squirrels unseren Weg und kreuzen voller Panik die Straße. Leider gelingt es uns bei zweien nicht, ihnen auszuweichen. Es gibt hier die unterschiedlichsten Arten von Präriehunden. Wir begegnen hauptsächlich dem „Black-tailed Prairie Dog“ und dem „Ground Squirrel“ (Ground=Boden, Squirrel= Eichhörnchen → wir nennen sie also „Bodenhörnchen“). Letztere sind ungefähr so groß wie Hamster oder Eichhörnchen und flitzen auch in den Tagen zuvor schon zu hunderten über unseren Campingplatz. Wer mich kennt weiß, dass ich eine Abneigung habe gegen alle Nager, die kleiner sind als ein Kaninchen (außer Eichhörnchen vielleicht). Aber diese kleinen „Bodenhörnchen“ sind eigentlich ganz sympathisch, wie sie schnell in ihre Löcher zurückflitzen, wenn man in ihre Nähe kommt. Sie sind nicht aufdringlich und lassen einen in Ruhe, was ich sehr begrüße. Also alles gut.

Für uns geht es weiter Richtung Westen und wir erreichen den nächsten Staat Alberta. Alberta ist die westlichste Prärieprovinz Kanadas und aufgrund umfangreicher Ölvorkommen auch Kanadas reichste. Ihre Hauptstadt ist Edmonton, die größte Stadt hingegen ist Calgary.

Und wie wir so einen Südwest-Kurs einschlagen sind sie plötzlich da…die Rocky Mountains! Mit ihren schneebedeckten Gipfeln türmen sie sich vor uns auf. Die Rocky Mountains sind Teil der von Alaska bis Feuerland reichenden Kordilleren und werden uns also unsere ganze Reise bis in den Süden begleiten. Für uns sind sie zudem ein Meilenstein, weil wir nach knapp 8000 km nun wirklich im Westen Kanadas angekommen sind. Wir übenachten im Waterton Lake Nationalpark und machen uns am nächsten Tag auf, um in die Berge zu wandern. Es scheint hier vor einiger Zeit gebrannt zu haben, weil ein großer Teil der Bergkette vom Feuer gezeichnet ist. Auch wenn viele Bäume zerstört worden sind, sieht man, wie die Natur sich das Land langsam zurückerobert. Wir haben uns einen Wanderweg der Kategorie „schwer“ ausgesucht, der hier „Bertha“ genannt wird. Und die Bertha hat es wirklich in sich! Sonne, Wind, Regen, Schnee…alles dabei. Aber wir sind gut vorbereitet und ausgestattet. So erleben wir auch nochmal etwas Winter (in den vergangen Wochen hatten sich Winter, Frühling und Sommer regelmäßig abgewechselt und wir finden uns immer wieder bei unseren obligatorischen 8 Grad Celsius wieder…ob am Tag oder in der Nacht).

Auch auf dieser Wanderung erleben wir gefühlt drei Jahreszeiten, einige Wasserfälle und viele Leute, die uns entgegen kommen, weil sie den Aufstieg nicht geschafft haben. Aber wir halten durch und werden zu guter Letzt mit einem Blick auf einen zum Teil noch zugefrorenen Bergsee belohnt. Der Wind pfeift zwar und wir stehen mitten im Schnee, aber wir sind umgeben von den Rocky Mountains und es sind beeindruckende Bilder…danke Bertha!

Als wir wieder zurück am Sprinter sind, hilft uns ein heißer Tee, um sich wieder aufzuwärmen. Wir kochen uns noch etwas zu essen und fallen dann hundemüde ins Bett…der Muskelkater kommt garantiert!

Viele Grüße und bis zum nächsten Mal…